[IT][CH][DE] Wenn die einen nicht wollen… 6/6 (39 B.~13 MB) (Reiseberichte)

Pfälzer, Dienstag, 05.09.2023, 07:26 (vor 236 Tagen)

Tag 6: Abenteuer Schweiz

(Hier klicken zum vorherigen Teil).
(Hier geht es zum Beginn der Berichtsreihe).

Nun sind wir am letzten Teil meiner Berichtsreihe über die diesjährige Frühjahresreise angelangt. Letztmals darf ich die interessierten Leser also Willkommen heißen :) Nach 5 erlebnisreichen Tagen soll die Reise nun zu Ende gehen. Für die Heimfahrt geplant ist eine Route über Lugano, Zürich, Basel und, trotz Streik, auch Strasbourg. Im Streikfahrplan, der am Vorabend veröffentlicht wurde, konnte tatsächlich eine passable Umsteigeverbindung von Basel über Strasbourg nach Wissembourg ermittelt werden. Um 19:01 wäre damit die Ankunft in Landau vorgesehen. Ganz so wie geplant würde es am Ende aber doch nicht laufen. So starten wir den Tag noch unbehelligt der Dinge, die da kommen.

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6-1 Hotelzimmer mit Aussicht im 10. Stock haben auch Vorteile, zumindest solange der Fahrstuhl funktioniert :)

Nachdem gestern Abend die Metro für die Fahrt zum Hotel genutzt wurde, fahre ich heute früh mit dem Bus, denn auf der Straße sieht man bei Tageslicht auch ein wenig von der Stadt, durch die man gerade fährt. Gegen 8:00 komme ich dann am Bahnhof an.

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6-2 E-Bus

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6-3 Bahnhofsgebäude von Milano Centrale

Von Milano aus verkehren über die Gotthard-Achse direkte EuroCity-Züge nach Zürich und Basel. Dummerweise sind die in Kombination mit Interrail auf dem italienischen Abschnitt reservierungspflichtig. Die Zusatzkosten dafür lassen sich aber einfach umgehen, indem der kundige Reisende mit einem früheren Regionalzug der Linie R 80 bis zum ersten Bahnhof in der Schweiz in Chiasso vorfährt. So verfahre ich dann auch mit dem kleinen Unterschied, dass ich bis nach Lugano vorfahren werde. Dort wird noch ein kleiner Aufenthalt in die Reisekette eingebaut.

Zunächst stehe ich in Milano aber vor dem gleichen Problem wie in Italien und Frankreich üblich: Warten auf die Gleismitteilung an der Anzeigetafel. Die erfolgt gerade einmal 10 Minuten vor der Abfahrt mit dem Ergebnis, dass sich einige hundert Leute hektisch auf den Weg in die westliche Bahnhofshalle machen. Dort kommt die Vorleistung gerade in diesem Moment erst an und kippt mindestens ebenso viele Leute auf dem Bahnsteig aus. Die Situation resultiert folglich in einem heillosen Durcheinander der aus- und einsteigenden Fahrgäste, das den Fahrgastwechsel extrem verzögert. Vom Ende des Zuges bis zur hintersten Tür des vorderen Wagens brauche ich ganze 5 Minuten, obwohl so ein FLIRT nicht wirklich lang ist. Trotzdem kommen wir einigermaßen pünktlich aus der Angelegenheit heraus. Nach wie vor bin ich aber froh um unser deutsches System mit vorab bekannter Gleisbelegung, auch wenn es manchmal zu kurzfristigen Gleiswechseln kommt. Denn so ein Gerangel jeden Morgen könnte dem ein oder anderen auf Dauer auf die Nerven gehen.

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6-4 TILO, eine Kooperation aus SBB und Trenord, fährt mit einem FLIRT-Doppel von Milano nach Locarno in der Schweiz

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6-5 + 6-6 Zwischen Chiasso und Lugano bietet die Strecke Ausblicke auf den Luganersee

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6-7 In Lugano hat der Zug einen kurzen Aufenthalt - ich auch ;)

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6-8 Der Bahnhof von Lugano liegt oberhalb der Stadt...

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6-9 ...sodass eine Standseilbahn den steilen Weg zwischen Bahnhof und Stadt erleichtert

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6-10 Bedarfshaltestelle Cattedrale; nur Wagen 2 (in Bild 6-9 der rechte) kann hier halten

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6-11 Bähnli ;)

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6-12 Luganersee

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6-13 Die Standseilbahn bringt mich wieder hoch. Der Fahrkartenautomat nimmt übrigens auch Kreditkarte, man braucht also keine Schweizer Franken für die Mitfahrt.

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6-14 Etwas versteckt unterhalb des SBB-Bahnhofs fährt die S 60 nach Ponte Tresa ab

Um 11:02 hätte ich nun den IC nach Zürich nehmen wollen. Aber dann das:

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6-15 Hilfe, die Welt geht unter: In der Schweiz fällt ein Zug aus!!!

Nun, das kann ja mal passieren. Wie sagt man so schön: "Das kommt in den besten Familien vor". Es kommt für mich einfach nur unerwartet, weil die Schweizer sonst für ihre absolute Präzision im Bahnverkehr bekannt sind. Daher will sich mir zunächst auch keine Ursache für den Ausfall erschließen, denn Personal- oder Fahrzeugmangel ist eigentlich ausgeschlossen; sonst wäre der Ausfall bei der Ankunft eine Stunde vorher schon bekannt gewesen. Die Situation deutet eher auf eine Infrastrukturstörung hin. Das ist natürlich die denkbar schlechteste Variante, denn so ein Störfall betrifft freilich alle Züge, die auf der Strecke unterwegs sind. Nach einem Gang ins Reisezentrum soll sich die Vermutung bestätigen: Im Bereich Altdorf gibt es eine Oberleitungsstörung. Der Streckenabschnitt zwischen Erstfeld und Flüelen ist ebenso wie der Gotthard-Basistunnel nicht befahrbar. Kommt uns diese Situation nicht irgendwie bekannt vor? Nun, der Unterschied zu der Güterzug-Entgleisung vor einigen Wochen liegt darin, dass bei meiner Fahrt auch der Nordzulauf zur Bergstrecke unterbrochen ist. Damit ist die gesamte Gotthard-Achse voll gesperrt. Fahrgäste in Lugano werden zu diesem Zeitpunkt auf den nächsten EC nach Basel verwiesen in der Hoffnung auf eine baldige Störungsbehebung. Ca. 20 Minuten vor der Abfahrt wechseln die Anzeigen am Bahnsteig dann das Ziel des Zuges von Basel zu Erstfeld. Was es damit auf sich hat, erklärt uns später das Zugpersonal.

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6-16 Der EC aus Milano (hinten) wird in Lugano um eine zweite Einheit (vorne) verstärkt

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6-17 Auf der EC-Linie verkehren niederflurige Hochgeschwindigkeitszüge des Typ Giruno (Stadler SMILE)

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6-18 Ungewöhnlicher Zuglauf

Im Zug wird uns dann erklärt, dass wir zunächst regulär bis Bellinzona fahren. Anschließend werden wir über die Gotthard-Bergstrecke umgeleitet und fahren bis Erstfeld mit Ankunft gegen 13:46. Bis dahin hoffe man die Störung beseitigt zu haben, sodass unser Zug die Fahrt mit Verspätung fortsetzen könne.

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6-19 Zunächst fahren wir durch den Ceneri-Basistunnel, den wir nach 10 Minuten mit einem Blick Richtung Locarno verlassen

Kurz nach der Abfahrt in Bellinzona kommt der Zugbegleiter vorbei und geht auf die individuellen Reisewege der Fahrgäste ein. Ich teile mit, dass ich heute noch nach Karlsruhe wolle. Der Zugbegleiter verweist noch einmal auf das schon bekannte: Wir fahren über die Bergstrecke nach Erstfeld und hoffen, dass es dort irgendwie weiter geht. Er nimmt die Situation sichtlich gelassen: "Jetzt genießen's erst a'mal die schöne Aussicht und dann sehn ma weiter." Wo er recht hat… Aber ich war ohnehin mindestens genauso entspannt wie er ;) Einen Seitenhieb kann er sich aber nicht verkneifen: "Ich glaube, Sie kommen heute besser nach Deutschland als noch am Montag!". Auch damit hat er gut Recht ;) Hach ja, ich liebe ja diese Gelassenheit, welche die Schweizer selbst in komplizierten Situationen walten lassen. Es gibt noch immer für alles eine Lösung, sonst würde ich heute nicht diesen Bericht schreiben. Das sieht bisweilen aber nicht jeder so, denn eine dem Phänotyp nach zu urteilen wohlhabende Dame in meinem Wagen steht schon ordentlich unter Stress. Würde sie es noch bis zu ihrer teuren Veranstaltung in Basel schaffen? Ich erinnere mich nicht ganz, was es war (obwohl sie es mir erklärt hatte), aber auf jeden Fall eine Kultur-Veranstaltung. Vielleicht ein Theater oder ein Konzert oder so, aber das schon um 17:00?! Wie auch immer, jetzt genießen wir erst einmal die Aussicht.

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6-20 - 6-22 Gotthard-Bergstrecke (da ich nicht darauf eingestellt war, hier lang zu fahren, sind das nicht unbedingt die absoluten Highlights der Strecke, aber die Fahrt war trotzdem schön)

An der Strecke steht auch der ein oder andere Fotograf. Und die sind sichtlich erstaunt, als ihnen eine Giruno-Doppeltraktion vor die Linse fährt. An einigen Stellen müssen wir kurz warten, kommen aber insgesamt gut durch und die Prognose für die Ankunftszeit ist erstaunlich genau: Um 13:50 erreichten wir Erstfeld. Leider jedoch ist die Störung da noch nicht behoben, sodass entschieden wird, unseren Zug in Erstfeld verenden zu lassen.

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6-23 Dieser Zug endet heute mitten in den Schweizer Bergen

Wir werden dort auf den IR 46 verwiesen, der um 14:34 nach Zürich fahren soll. Die vornehme Dame findet das wenig amüsant: "Was will man eine Stunde lang in Erstfeld?". Das denke ich mir auch und verlasse den Bahnsteig in Richtung Bahnhofsgebäude. Dort wartet vor dem Bahnhof ein Bus. Die Fahrerin erklärt, dass sie auf dem Busnotverkehr eingesetzt wird, der auf die andere Seite der Störung nach Flüelen fährt. Da würden wir die S-Bahn nach Luzern erreichen und mit Umstieg in Arth-Goldau so eine Stunde früher in Zürich ankommen. Das hört sich gut an, aber da es schon 13:55 ist und die S-Bahn um 14:09 abfahren würde, frage ich kritisch nach, ob wir das auch schaffen würden. Darauf meint sie gelassen: "Joa, ich geb‘ a bissle Gas und dann schaff ma das scho!". Der Bus füllt sich dieser Aussage entsprechend schnell und kann auch nicht alle Fahrgäste des EC mitnehmen. Als der Bus letztlich voll ist geht die Fahrt los. Besonders schnell kommen wir nicht voran, denn in der Ortsdurchfahrt von Erstfeld hängen wir hinter einem Postauto fest und nach der tatsächlich zügigen Fahrt über die Autobahn erwartet uns noch ein Traktor auf dem letzten Stück zum Bahnhof in Flüelen. Angekommen dort dann folgender Betriebsablauf: Bus hält, Tür auf, in genau dem Moment Tür der S-Bahn am Hausbahnsteig zu, S-Bahn zieht von dannen! Habe ich die Schweizer bis hierhin als durchweg gelassen erlebt, sollte ich sie jetzt noch ganz anders kennen lernen. Die arme Fahrgastlenkerin der SBB tut mir immer noch Leid, auch wegen dem Verhalten der ziemlich in Rage geratenen wohlhabenden Dame von vorhin… Das Problem: Die Störung wurde ziemlich genau um 14:00 als behoben gemeldet, als wir mit dem Bus auf der Autobahn unterwegs waren. Der Mitarbeiterin in Flüelen hat man aber nicht mitgeteilt, dass noch ein Bus kommt. Sonst hätte sie die S-Bahn noch kurz zurückgehalten. Dumm gelaufen, aber passiert. Es bleibt also das Warten auf den IR 46. Rückblickend betrachtet ist die Störung mit nur 4 Stunden Dauer natürlich nichts im Vergleich zu den Auswirkungen der Güterzug-Entgleisung, aber an diesem Tag waren die dadurch entstandenen Verzögerungen natürlich der Aufreger des Jahres seitens der gestrandeten Reisenden. Schelmisch könnte man behaupten: Liebe Schweizer, nun wisst ihr, mit was wir in Deutschland uns so in etwa jeden 2. Tag rumärgern müssen ;)

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6-24 In Flüelen steht zu diesem Zeitpunkt ein Zug der Südostbahn, der kurze Zeit später als Leerzug davon fährt. Und am Hausbahnsteig stand bis vor wenigen Sekunden noch eine S-Bahn...

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6-25 Flüelen markiert das südliche Ende des Vierwaldstättersees

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6-26 + 6-27 Der Güterverkehr läuft wieder an und zwar in rasantem Tempo, denn die Züge folgen einander im 3-Minuten-Abstand

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6-28 Bevor unser Zug kommt, hält noch ein EC der Gegenrichtung im Bahnhof

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6-29 Pünktlich um 14:44 trifft der InterRegio der Südostbahn in Flüelen ein und nimmt die gestrandeten Fahrgäste mit

Unterwegs erkunde ich die weiteren Reisemöglichkeiten in Richtung Basel. Ich könnte bis Zürich im Zug bleiben und dort auf einen der vielen Züge nach Basel wechseln. Der Haken an der Sache: Um in Basel den nächstmöglichen ICE nach Deutschland zu erreichen, müsste ich in Zürich den schnellen IC um 15:59 erreichen und das bei Planankunft um 15:55. Kommentar des Zugbegleiters dazu: "Der ganz Schnelle? Das wird sportlich! Der wird in Züri nicht ausg'rufen." Sonst würde es am Ende noch eine Stunde später. Alternativ könnte ich in Arth-Goldau auf die S 3 nach Luzern umsteigen und dort versuchen, in einer Minute Umsteigezeit den IC 21 nach Basel zu erreichen. Der IC 21 wäre normalerweise ein direkter Korrespondenz-Anschluss des IR 46 in Arth-Goldau, fällt aber wegen der Störung heute bis Luzern aus. Die wohlhabende Dame meint zwar, dass die SBB in der Situation Züge auch warten lassen solle, aber da würde ich mich nicht darauf verlassen, denn es ist kein planmäßiger Anschluss. Zudem hat sich eben diese Mitreisende inzwischen entschlossen, die Reise abzubrechen und ins Tessin zurückzukehren. Gegenüber zwei mitreisenden SBB-Personalen auf Gastfahrt lässt sie dann noch verlauten, dass die SBB für die Kosten ihrer Eintrittskarte der verpassten Veranstaltung aufkommen werde. Na ja, es gibt eben Bildung und Einbildung, aber soll sie es doch versuchen. Viel Glück ;) Ich bleibe im IR 46 und hoffte auf den kurzen Anschluss in Zürich. In Arth-Goldau wird unser Zug verstärkt, sodass ich in die vordere Garnitur umsteige, um meine Chancen in Zürich zu verbessern.

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6-30 In Arth-Goldau erhält unser Zug Verstärkung

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6-31 Zugersee

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6-32 Welches Verkehrsmittel nutze ich gerade?

Leider wird der Anschluss am Ende deutlich knapper als geplant, denn das Ablösegespräch in Arth-Goldau hat sich etwas verzögert und wir sind dort mit +2 los. Bis nach Zürich werden daraus dann +3. So erreichten wir den Bahnsteig dort erst um 15:58. Den Anschluss habe ich eigentlich schon abgeschrieben. Trotzdem nehme ich warum auch immer die Herausforderung an. Die nächsten 45 Sekunden sind in meiner Erinnerung dann nur rudimentär vorhanden. Ich weiß noch, dass ich wie ein Irrer über den Züricher Querbahnsteig renne, den IC noch stehen sehe, der Schaffner an der letzten Tür den Zug abgefertigt hatte und das Abfahrtssignal zeigen will, kurz zu mir vor schaut, ich dann hinter ihm förmlich in den Zug hineinfalle, dann das Abfahrtssignal kommt, der Schaffner einsteigt und die Tür zu geht. In 45 Sekunden von Gleis 8 zu Gleis 16, wenn das meine damaligen Sportlehrer gesehen hätten… Die nächsten 10 Minuten brauche ich dann, um Atmung und Herzschlag irgendwie wieder zu regulieren. Meine persönliche Glücksfee ist an dem Tag für die nächsten 5 Jahre in Ohnmacht gefallen, aber der rekordverdächtige Sprint schenkt mir immerhin eine Stunde Reisezeit. Danke nochmal an den SBB-Zub für die 5 Sekunden, die er auf mich noch gewartet hat - es scheint als wolle die SBB die verpasste S-Bahn in Flüelen wieder gut machen :)

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6-33 Irgendwie habe ich es in den IC nach Basel geschafft, der hier aus Zürich hinaus fährt

Basel haben wir trotz meiner minimalen Verzögerung mit -2 erreicht, sodass die Reise nun "entspannt" weiter gehen kann.

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6-34 Die 1. Klasse in der Schweiz ist ja schon was Feines, aber nicht wenn man seitlich sitzen muss ;)

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6-35 Mein IC wurde von einem TWINDEXX Swiss Express gefahren

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6-36 Aber auch lokbespannte Garnituren sind in Basel zahlreich anzutreffen

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6-37 Ebenfalls charakteristisch für die Schweiz: Verstärkermodule, die zusätzliche Kapazitäten in der HVZ bieten, hier z. B. einige EW IV an einer IC 2000-Garnitur

An Gleis 8 fährt kurz darauf ein Vierer ein, der mich bis Karlsruhe mitnimmt. Der ICE 4 ist zwar nicht meine Lieblingsbaureihe (und mit dem Umweg über Strasbourg wollte ich den eigentlich vermeiden). Im Rahmen der Umstände bin ich aber ganz froh, jetzt in einem direkten Zug bis fast nach Hause zu sitzen. Ich hätte in der Situation auch einen Bimz, einen Reichsbahn-Dosto oder einen unmodernisierten Quietschie genommen (ja ich meine den mit den brettharten Sitzen). Hauptsache nach Hause! Auf dem Weg gönne ich mir noch ein Schinken-Käse-Baguette aus dem Speisewagen, nachdem die bezahlbaren deutschen Preise inzwischen wieder Anwendung finden. Am Ende macht es DB Fernverkehr natürlich noch einmal spannend. Wir werden über die Ettlinger Strecke geleitet und stauen uns vor Karlsruhe hinter einem verspäteten TGV, einer RB 44 und dem RE 2. Block für Block, also "Stop and Go", geht es voran, bis wir um 19:02 mit +13 in Karlsruhe am Bahnsteig stehen, nachdem wir in Rastatt noch pünktlich durchgefahren sind. Am Bahnhof herrscht auch wieder Chaos, denn für das Nachbargleis wird manuell eine S 9 angesagt, die nun "endlich" bereit gestellt werde. Planabfahrt wäre 18:28 gewesen. Wie üblich beeile ich mich mit dem Umsteigen, nun wieder rüber zum "Pfälzer Bahnhof".

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6-38 Der Vierer hat es endlich nach Karlsruhe geschafft

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6-39 Letzte Zugfahrt des Tages

Schließlich bringt mich das Desiro-Doppel auf dem RE 6 nach Hause und erreicht den Landauer Hauptbahnhof pünktlich um 19:36. Gegenüber der ursprünglichen Reiseplanung für diesen Tag komme ich also gerade einmal eine halbe Stunde später am Ziel an. Und damit geht eine eindrucksvolle, zuweilen auch unerwartete, Reise nach 6 Tagen zu Ende.

Fazit: Kroatien ist auch wegen der interessanten Zu- und Abgangswege auf jeden Fall eine Reise Wert, Vendeig „kostenlos“ zu erleben war noch einmal schön und die Schweizer sind auch für Abenteuer-Reisen mit der Bahn zu haben. Fast schon hatte ich am Ende das Gefühl, die Tour war doch schöner als das geplante Pyrenäen-Programm - aber auch nur fast ;)

[AT][SI][HR][IT] Wenn die einen nicht wollen… - Nachwort

Pfälzer, Dienstag, 05.09.2023, 07:29 (vor 236 Tagen) @ Pfälzer

Zum Abschluss nun noch die Reisestatistik sowie ein kleines Resümee.

Insgesamt wurden auf dieser Reise, die innerstädtischen Wege und Fahrten ausgenommen, 2.763 Kilometer zurückgelegt, davon 2.323 im Zug, 433 im Bus und 7 auf der Fähre zwischen Muggia und Trieste. Rein an der Streckenlänge festgemacht war der Bus-Anteil dann doch recht gering, es kam mir wegen der geringeren Geschwindigkeit und den damit höheren relativen Reisezeit aber mehr vor. Von der Gesamtstrecke liegen 845 km in Österreich, 610 km in Deutschland, 487 km in Italien, 328 km in der Schweiz, 272 km in Slowenien und 221 km in Kroatien. Insgesamt also eine sehr international abwechslungsreiche Tour. Die Gesamtreisezeit liegt bei 39 Stunden und 10 Minuten. Daraus ergibt sich eine mittlere Reisegeschwindigkeit von gemütlichen 71 km/h. Die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit erreichte der Frecciarossa zwischen Peschiera und Milano, der ab Brescia ein kurzes Stück Schnellfahrstrecke mit bis 250 km/h befährt. Ebenfalls bemerkenswert bei dieser Tour ist die Kleinteiligkeit, denn länger als 3 Stunden (Zugfahrt von Ljubljana nach Rijeka) bzw. 240 km (EC von Bischofshofen nach Graz) war ich nie an Bord eines Fahrzeugs. Das bereicherte die Reise um mehr Abwechslung und interessante Zwischenhalte. Von den insgesamt 33 einzelnen Fahrten waren 31 nach der 6-Minuten-Definition der DB pünktlich (einige weitere hatten aber gerade so noch +5), das entspricht einer Quote von 94%. Nur der Schwarzwaldbahn-RE, der die Dauer der Streckensperrung abwarten musste, und der Zug auf Istrien, der sich durch die Kreuzung in Pazin +20 eingefangen hatte, waren mit mindestens 6 Minuten Verspätung an meinem Ausstiegshalt angekommen. Dafür hatte ich jedoch 2 Fahrtausfälle zu beklagen (eben den kurzgewendeten Schwarzwaldbahn-RE sowie den Schweizer IC in Lugano), die wiederum zu Anschlussverlusten und Änderungen in den nachfolgenden Reiseketten führten. Da ich letztlich aber nur am ersten und letzten Tag je rund eine Stunde später am Tagesziel angekommen war als geplant, sind diese Unregelmäßigkeiten insgesamt zu vernachlässigen.

Gekostet hat die Fahrt in Summe 348 €. Davon geht der Großteil auf einen Interrail-Global Pass 1. Klasse für 5 Tage zurück, zu dem ich in Italien noch zwei Zwangsreservierungen für 12 € dazu gebucht habe. Außerdem hatte ich mir für den IC-Bus in Österreich eine Reservierung besorgt, die schlussendlich auch geholfen hat, den Fahrer von meiner Mitnahme zu überzeugen. Mit Interrail an sich konnte er nämlich nicht viel anfangen. An Tag 4 wurde der Pass nicht genutzt, sodass die Fahrkarten für die Bus- und Bahnfahrten im Bartarif erworben wurden. Auf die Strecke umgelegt entspricht der Gesamtpreis einem Kilometerpreis von 12,6 ct / km. Das ist schon moderat und entspricht in etwa dem Niveau des DB-Flexpreis 2. Klasse mit BC50, aber für nur zwei Wochen Buchungsvorlauf halte ich das für durchaus angemessen, schon gar für die 1. Klasse. Preistreibend ist zudem die Kleinteiligkeit der Reise, da lange Strecken in Langläufern tendenziell günstiger sind als viele kleine Abschnitte. Schließlich habe ich mich wegen der beiden Unregelmäßigkeiten im Reiseverlauf im Nachgang mit einem Ersuchen auf Fahrgastrechte an Eurail gewandt. Das Online-Formular dazu ist recht intuitiv und nimmt auch Fotos des Reisetagebuchs von Papier-Pässen an, wenn kein Scanner zur Hand ist. Eine Bestätigungsbenachrichtigung über den Eingang der Anfrage habe ich nicht bekommen, ebenso wenig wie eine Auszahlungsmitteilung. Vielleicht ein Schreibfehler in der E-Mail-Adresse. Trotzdem fand ich nach 4 Wochen eine Gutschrift von rund 20 € von Eurail auf meinem Konto vor. Da hat sich das Formular also gelohnt :)

Insgesamt war es trotz der Schwierigkeiten eine schöne Frühjahresreise in bislang unbekannte Ländereien, die den Besuch definitiv lohnen. Natürlich hätte man mit besserer Vorbereitung noch mehr aus der Zeit herausholen können, beispielsweise durch besser geplante Aufenthalte, aber ich bin letztlich zufrieden. Abschließend werde ich nun einmal schauen, wann ich die geplante Pyrenäen-Reise nachholen kann. Eines ist mir dabei jedoch klar: Touren nach Frankreich sollten stets kurzfristig terminiert werden und möglichst bevor Tarifverhandlungen anstehen oder unbeliebte Gesetzesvorhaben verabschiedet werden. Sonst wird die Tour schnell zur Tortour. Denn während der Fahrt durch Österreich, Slowenien, Kroatien und Italien habe ich hin und wieder geschaut, wie es mir in Frankreich ergangen wäre. Tatsächlich hätte ich alle Tagesziele erreichen können, aber z. T. nur mit mehrstündigen Aufenthalten im Nirgendwo (Bedous und Latour de Carol) oder auf großräumigen Umleitungen (Bayonne – Pamplona statt über St. Jean-Pied de Port über Donostia und Altsasu). Das hätte viel Zeit und Nerven sowie auch zusätzliches Geld für Umweg-Fahrkarten und neue Reservierungen gekostet. So habe ich von den Streiks, auch von dem „Mega-Streik“ in Deutschland, nichts mitbekommen und hatte eine schöne Zeit. In diesem Sinne wünsche ich euch auch noch eine fröhliche und entspannte (Reise-)Zeit und verabschiede mich bis zum nächsten Frühjahr, für das die ersten Vorbereitungen schon laufen ;)

[AT][SI][HR][IT] Wenn die einen nicht wollen… - DANKESCHÖN

IC 2005, Dienstag, 05.09.2023, 22:48 (vor 235 Tagen) @ Pfälzer

Guten Abend,

mit deinem großen 6teiligen Reisebericht hast du mich an allen Tagen wunderbar mitreisen lassen - in Worten und Bildern. Nie war der Bericht in irgendeiner Form langweilig, ich habe ihn wie ein richtig gutes Buch gelesen ;-)

Deshalb an dieser Stelle: DANKE für diesen tollen Reisebericht und die damit verbundene Mühe, die du dir gemacht hast!

Als ich deine Bilder des Nahverkehrs aus Italien gesehen habe, musste ich direkt zurück an meinen diesjährigen Urlaub in Südtirol denken. Es geht mir um die MDVC/MDVE-Nahverkehrswagen mit den Einrichterloks der BR 464. Diesen Flair im Nahverkehr finde ich einfach genial :-)

Viele Grüße

IC 2005

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