Der verhexte Hauptbahnhof (40 Bilder), Teil 1 (Reiseberichte)
Guten Morgen,
so ganz optimal ist das alles gerade nicht. Das Bahnhofsportrait befindet sich in einer Sackgasse. Denn von unserem heutigen Ziel kommt man auf der Schiene nur auf dem Weg weg, den man genommen hat, um hinzukommen. Und passend zum Titel Der verhexte Hauptbahnhof waren plötzlich die bösen Hexen mit der fertiggestellen Reportage auf dem Weg zum Blocksberg und rückten sie nicht mehr heraus, so daß sie nochmal von vorne angefangen werden mußte. Willkommen in Thale!
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Die eigentliche Stadt, am nördlichen Harzrand gelegen, ist eher unsehenswert, die meisten Touristen strebt es hinauf (das lasse ich jetzt mal so stehen) zu Roßtrappe und Hexentanzplatz. Wir bleiben im Tal.
Es war im Jahr 1858, als die Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn-Gesellschaft sich dazu entscheid, Thale an ihr Schiennetz anzuschließen. Neben der Industrie in Quedlinburg versprachen das Hüttenwerk in Thale wie auch der wachsende Tourismus gute Einnahmen. Problematisch war nur die Streckenwahl. Man entschied sich zwischen Halberstadt und Quedlinburg dann für den östlichen Weg, so vermied man sowohl Terrainschwierigkeiten als auch die störrischen Bauern in Harsleben, die wollten nämlich ihr Land nicht hergeben. 1860 erging die Baugenehmigung und am 2. Juli 1862 erfolgte die feierliche Einweihung der Strecke. Am Tag darauf wurde der planmäßige Verkehr aufgenommen. Zunächst waren es vier Zugpaare, 152 Jahre später hat sich deren Zahl auf 19 erhöht. Die meisten Züge verkehren durchgehend von Magdeburg über Halberstadt nach Thale. Eingesetzt werden seit dem 11. Dezember 2005 Dieseltriebwagen der Baureihe 648, betrieben von der Veolia Verkehr Sachsen-Anhalt unter dem Namen Harz-Elbe-Express.
Zurück in die Geschichte. Die Bahn und ihr Verkehr wuchsen und gediehen. Bald wurde Thales Bahnhof zu klein. So ließ die Eisenbahndirektion Magdeburg (die MHE war mittlerweile verstaatlicht worden) im Jahr 1897 in Thale einen separaten Güterbahnhof bauen; der nunmehrige Personenbahnhof erhielt anstatt der alten Gütergleise Abstellgleise und einen Lokbahnhof. In den Jahren von 1907 bis 1910 wurde die Strecke Halberstadt - Thale mit einem zweiten Gleis versehen. Der Sommerfahrplan 1909 nennt 15 Personenzugpaare, der Sommerfahrplan 1930 13 Paare, dazu einen täglichen Schnellzug nach Berlin. Nach der Übergabe der Gegend an die Rote Armee wurde im Rahmen der Demontagen das zweite Strckengleis entfernt. Die Strecke nach Thale ist seitdem eingleisig.
Am 30. Juni 1907 nahm die Halberstadt-Blankenburger Eisenbahn (HBE) ihre Strecke von Blankenburg nach Thale Bodetal in Betrieb, womit Thale einen zweiten Bahnanschluß erhielt. Am 5. April 1908 erfolgte die Verlängerung nach Quedlinburg. Die Strecke endete in Thale stumpf, ein Gleisdreieck nördlich des Bahnhofs Thale Nord ermöglichte Fahrten in alle drei Richtungen. Vor allem das Hüttenwerk profitierte von der neuen Bahnverbindung, gleichzeitig ging der Güterverkehr auf der Staatsbahn zurück. Eine direkte Gleisverbindung zwischen dem Staatsbahnhof und dem Endbahnhof Bodetal der HBE gab es nicht, vermutlich aber via Hütte. Der Reiseverkehr auf der Quäke endete 1969 zwischen Quedlinburg und Thale, der Gleiszustand war - freundlich gesagt - nicht mehr allzu gut. 1973 war auch zwischen Blankenburg und Thale Schluß. Noch bis 1993 verkehrten zwischen Blankenburg und Thale Güterzüge, 1999 wurde die Strecke stillgelegt.
Am 1. April 1949 übernahm die Reichsbahn die HBE, zur besseren Unterscheidung vom Bahnhof Bodetal wurde nun der Reichsbahnhof in Thale Hbf umbenannt. Im Sommerfahrplan 1980 verließen 15 Personenzüge Thale, dazu kam der D 2049 nach Berlin. In den 80ern war die Strecke aufgrund der verkehrenden Dampfloks ein beliebtes Ziel von Eisenbahnfreunden, am 29. Oktober 1988 war damit offiziell Schluß.
Mit der Wende verlor die Strecke an Bedeutung, der Güterverkehr brach ein und auch im Personenverkehr ging es bergab, da zahlreiche Großbetriebe ihre Produktion einstellen mußten. 1997 endete offiziell der Güterverkehr nach Thale, der einstige Güterbahnhof ist mittlerweile mit einem Einkaufszentrum überbaut. Sein Stellwerk ist immer noch in Betrieb, es ist für zwei Signale und einen Bahnübergang am Gleis zum Hauptbahnhof verantwortlich. Direkt am Stellwerk wurde am 18. Dezember 2001 der Haltepunkt Thale Musestieg eröffnet. Dort beginnen wir unseren Besuch, die meisten Aufnahmen entstanden am 12. April 2014.
Heute präsentiert sich die Bahnstrecke von Halberstadt nach Thale arg gerupft. Über den Bahnhof Wegeleben, hier zweigt die Strecke nach Halle ab, verliere ich lieber kein Wort. Die nächste Station, Ditfurt, ist nur noch ein Haltepunkt mit verfallendem Empfangsgebäude. Kurz vor Quedlinburg liegt eine neue Güterverladung. Der DB-Bahnhof Quedlinburg besteht nur noch aus zwei Gleisen und ist nicht unbedingt attraktiv. Ich werde ihn später mal vorstellen. Es folgt Neinstedt. Heute ein moderner Haltepunkt, in der Ausfahrt nach Quedlinburg befindet sich eine Blockstelle in einem Container. Der Hauptbahnhof Thale weist statt einstmals zwölf nur noch drei Gleise auf. Aber das äußerst sehenswerte Stellwerk aus dem Jahr 1897 sowie das Empfangsgebäude aus dem Eröffnungsjahr bestehen weiter.
Literaturhinweise:
Dirk Endisch, Die Hauptbahn Halberstadt—Thale. Korntal-Münchingen 2006.
Werner Steinke, 125 Jahre Halberstadt-Blankenburger Eisenbahn. Gernrode 2000.
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Bilder? Teil 2!