Buchtipp: „Ist hier noch frei?“ (Allgemeines Forum)

TD, Samstag, 07.08.2010, 16:37 (vor 5029 Tagen)

Hallo zusammen,
vor ein paar Tagen ist ein kleines Büchlein mit dem Titel „Ist hier noch frei? Kleines Bestimmungsbuch für Bahnreisende“ erschienen. Autoren sind die Vielfahrer Jochen Reinecke und Klaus Cäsar Zehrer - wenn ich mich recht erinnere, hatte ersterer das Silvesterrätsel der FAZ zum Thema Eisenbahn ersonnen, das vor anderthalb Jahren auch hier im Forum Thema war.

„Ist hier noch frei?“ ist ein amüsantes Büchlein, das die Bahnreisenden in 18 Typen unterscheidet, vom „kontaktfreudigen Schnatterling“ über „unerfahrene Bahntölpel“ bis zu „hochwichtigen Büroschwalben“.
Zur Bestimmung sind für jede Gruppe die arttypischen Kennzeichen genannt, hier ein paar Beispiele:

„Bitte einen extra sauberen Zangenabdruck, ich bin Sammler“ > Nerdiger Zugfreak

„Komm schon, wir müssen raus, wir haben doch nur dreißig Minuten zum Umsteigen“ > Unerfahrener Bahntölpel

„Wir müssen adressieren, dass der Kunde mit unserer integrierten Lösung eine echte Win-Win-Win-Situation“ > Hochgewichtige Büroschwalbe

Zu jedem Typen gibt es dann eine ausführliche Beschreibung - weil es mir so gut gefällt und wir uns vielleicht hier wiedererkennen, hier ein Auszug aus dem „nerdigen Zugfreak“:

Accessoires: Armbanduhr im Bahnhofsdesign, Krawattennadel im ICE-Design (aus dem Bahn-Shop)

Ernährung: aus Solidarität und Überzeugung nur im Speiswagen

Gemüt: leicht irre, aber harmlos

In der Regel geht der nerdige Zugfreak nicht zum Bahnhof, um eine Reise anzutreten, sondern um die neue Reklamelackierung einer bestimmten Lokomotive zu bestaunen.
Bei einer Fahrt im ICE3 reserviert der nerdige Zugfreak seine Fahrkarte einige Monate im Voraus, um einen der begehrten Sitzplätze ganz vorne im Panoramaabteil zu ergattern. Stundenlang starrt er offenen Mundes über die Schultern des Lokomotivführers hinweg gebannt auf die Gleise. Hin und wieder lässt er Mitreisende durch ein Spontanreferat über Länge, Eröffnungsjahr und bauliche Besonderheiten des soeben passierten Tunnels an seinem Wissen teilhaben. Bei der Ankunft am Zielbahnhof applaudiert er dem Zugführer für seine souveräne Leistung, bedankt sich per Handschlag bei den Zugbegleitern und lässt als Andenken ein Wagenschild mitgehen.

Für das dünne Büchlein sind 10 Euro vielleicht etwas happig, aber es bietet eine knappe Stunde humorvolle Unterhaltung mit dem miesgelaunten Motzbold („wenn ich Bahnchef wär, dann gäb's keine Verspätung mehr“), dem raumgreifenden Nesthocker („aber Sie haben hier doch auch nicht reserviert“) und dem verschlagenen Mogelvogel („wo sind wir, in Rostock? Oh mein Gott, ich muss eingeschlafen sein, ich wollte doch nur nach Oranienburg“).

Nach den diversen Senk-ju-vor-träwelling und Bahnhasser-Büchern bietet das Buch eine erfrischend andere Sicht - von mir eine Empfehlung.

Als nächstes wartet noch das Buch „Geschichten aus dem Speisewagen“ auf die Lektüre, das habe ich mir für den Urlaub vorgenommen.

Viele Grüße

Tobias

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[image] "Fensterplatz, bitte." - Meine Bahnreiseberichte.de.| instagram.com/fensterplatz.bitte/


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