Fieser Vinter beim verrückten Finnen-Volk – 2/2 (Reiseberichte)

Krümelmonster, München, Mittwoch, 15.03.2023, 21:17 (vor 423 Tagen) @ Krümelmonster

Obwohl ich meine Fahrt schon so weit wie möglich verlängert hatte, war es natürlich längst noch nicht hell. Ich setzte mich in einen windgeschützten Hauseingang (der Hafenbahnhof hat nicht einmal ein Bahnhofsgebäude^^) und wartete erstmal eine Dreiviertelstunde auf die Morgendämmerung. :-/
Dann zog ich los. Zwischen Hafenbahnhof und einem höher gelegenen Viertel pendelt seit Ende Mai 2019 Funikulaari, die erste & einzige Standseilbahn Finnlands. Gut, so bergig ist Finnland ja auch nicht (außer ganz im Nordwesten, und da wohnt niemand :D). Die Bahn verbindet das Ensemble Kakolanmäki, ein altes Gefängnis (so bekämpft man im Norden den Wohnungsmangel^^) mit der Hauptstraße. Die Wartehäuschen sind beheizt, die Bahn selbst hingegen nicht. Da Kakolanmäki nicht durch andere Verkehrsmittel angebunden ist, ist die Mitfahrt kostenlos. Die Strecke ist bloß 130 m lang, der Höhenunterschied beträgt 30 m. Einen festen Fahrplan gibt es nicht, wie beim Fahrstuhl drückt man einfach auf den Knopf.^^
In der Nähe gibt es die älteste öffentliche Fähre Finnlands, doch an Neujahr fuhr die erst ab dem Mittag.
Sonst gibt es in Turku (195.000 Einwohner, mit Umland 250.000) als Verkehrsmittel nur Busse.^^
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415 – 416 BÜ auf der Stichstrecke zum Hafen
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417 Holzhaus & die Burg von Turku
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418 Die Burg
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419 Von der anderen Seite
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420 – 421 Das Seefahrtsmuseum – wie so ziemlich alles an Neujahr geschlossen
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422 Turku hat seit 2019 die erste & einzige Standseilbahn in Finnland^^
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423 Seili
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424 Die Kabine
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425 Aufi!
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426 Wir sehen schon mehr
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427 – 428 Die Strecke
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429 Seili weg
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430 – 431 Sie kommt wieder
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432 Die Seili sowie die erste Sonne im neuen Jahr (aufgenommen 9:46 Uhr)
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433 Warum nimmt man hier den Partitiv? :-s
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434 Eigentlich wollte ich eine Richtung laufen, aber dabei hätte ich mich wahrscheinlich 83 Mal auf die Fresse gepackt. Außerdem ist die Seili kostenlos.^^
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435 Föri über den extra dafür eisfrei gehaltenen Fluss
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436 2 h wollte ich dafür aber nicht warten^^
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437 Es gibt ja auch andere Möglichkeiten, über den Fluss zu kommen: Red Bull zum Beispiel ;-)
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438 Womöglich hätte die Eisdecke auf dem Fluss doch gehalten, aber mit dem Rucksack wollte ich’s nicht testen^^
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439 Brücke mit Drache
Anschließend beschaute ich die Stadt. Turku ist die älteste Stadt Finnlands und war bis Anfang des 19. Jahrhunderts Hauptstadt Finnlands. Der Alte Große Platz ist durchaus sehenswert. Sonst ist die Stadt eher eine Aneinanderreihung schöner und nicht so schöner Gebäude – wobei schönere Gebäude durchaus in höherer Dichte auftreten als in manch anderer finnischer Stadt.^^
Es war kaum Müll von Feuerwerkskörpern zu sehen – offenbar wird Silvester in Finnland nicht so arg gefeiert, ist halt kalt draußen.^^ Man hat es eben schon gesehen, am letzten Tag war es tatsächlich sonnig! :-O Und auch gar nicht so kalt, es müssten immer noch so minus 5 Grad gewesen sein.
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440 Alle hässlichen Gebäude in Finnland scheinen nach der Unabhängigkeit entstanden zu sein. Ist das wirklich noch Zufall!?
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441 Die Åbo Akademi ist die einzige vollständig schwedischsprachige Universität der Welt außerhalb von Schweden^^
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442 – 443 Im Hjelt-Haus sitz das örtliche Kulturzentrum
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444 Das Brinkala-Gebäude ebenfalls am Alten Großen Platz
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445 Den Abschluss des Platzes zur Flussseite hin bildet die Kathedral-Schule
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446 – 447 Die eben gezeigten Gebäude stehen in einer Art Halbkreis rund um den Dom
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448 Im Dom
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449 Der Altar
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450 Warum ist hier die Entfernung zum Nidaros-Dom angegeben? Der steht doch in Norwegen und hier hier auf Bild 76 & 77 zu sehen.
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451 Ui, eine Bibliothek, die gar nicht hässlich ist, obwohl sie in Finnland steht! :-O
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452 Noch ein schickes Gebäude
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453 Am anderen Flussufer indes steht etwas Holziges
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454 Das neue Rathaus von Turku mit Bus. Kurz darauf traf an der Haltestellte ein Bus ein und blieb minutenlang hier stehen, während ich mir finnische Flüche für den Fahrer raussuchte. Es dauerte wirklich lange, bis er weg war.^^
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455 Und wo ich schon so ewig gewartet habe, möchte ich das Foto wenigstens hier zeigen :D
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456 Von der anderen Seite
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457 Die Markthalle
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458 Zwischen den schönen Gebäuden stehen halt immer wieder solche hässlichen Klötze^^
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459 Åbo Svenska Teater. Gesprochen hört man Schwedisch aber kaum in Turku.
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460 Die orthodoxe Kirche von Turku
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461 Die Synagoge
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462 – 463 Noch zwei Holzhäuser
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464 Das Kunstmuseum
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465 Motto der Finnischen Sprache: Warum normal, wenn’s auch komisch geht?^^
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466 In der Fußgängerzone von Turku
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467 Ohne die Deko schon nicht mehr so schön :p

Am Mittag war ich auch schon durch mit der Stadt. Ich futterte schnell etwas, dann ging ich zum Bahnhof. Die Stadt mochte ja weniger hässlich sein als andere finnische Städte, aber der Bahnhof ist echt grausam. :D
Eigentlich hatte ich auch mal mit einem Pendolino fahren wollen, aber ich wollte nicht nur deswegen 2 h warten. :D Also nahm ich wieder einen IC. Die Fahrt über die Bahn mit dem wohlklingenden Namen Rantarata (mehrere Konsonanten am Wortanfang kann Finnisch erst seit der Neuzeit, „ranta“ heißt Strand. :D Rantarata ist also die Strand-Bahn^^) nach Helsinki am frühen Nachmittag dauerte 2 h. Den Zub hatte ich schon auf meiner ersten Fahrt von Tikkurila nach Tampere am ersten Abend getroffen. :D Auch hier gab es einige Tunnels, dafür keine Seen. Wirklich abwechslungsreich war die Landschaft freilich nicht, aber besser als nur der ständige Wechsel von Wald & See, der typisch ist für skandinavische Strecken.^^ In Espoo Leppäävaara (schon im Großraum Helsinki) meinte ich, vor dem Bahnhof eine Oberleitung zu erkennen. Ich weiß, dass dort eine Tram-Strecke gebaut wird – aber die soll doch erst 2024 fertig sein. :-s
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468 Der hässliche Bahnhof von Turku^^
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469 Warum? :-s
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470 Ganz rechts mein IC nach Helsinki, die Schweizer Lok zieht bald den IC nach Tampere los
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471 Zwischen den beiden Loks auf dem hinteren Gleis ein angekommener Zug
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472 Links Abfahrt gen Tampere, ich habe noch 20 min Zeit
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473 Blick über den Bahnhof
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474 Das FIS ist seiner Zeit voraus. (Oder es hängt noch im letzten Jahr. Man weiß es nicht…)
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475 Ausfahrt aus Turku
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476 – 479 Etwas Landschaft gucken
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480 – 481 Ich kaufe ein e. (Das ist übrigens einer der wenigen Orte im Land, die mehrheitlich schwedischsprachig sind).
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482 Finnischer SEV (also das grüne Vehikel^^). Wegen Bauarbeiten war von Juni des zweiten saublöden Seuchenjahres bis Juni 22 SEV zwischen Karjaa & Hanko, der südlichsten Stadt Finnlands.
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483 Einfahrt nach Helsinki genau zum Sonnenuntergang

Zuletzt möchte ich noch auf die Besonderheiten bzw. Vor- und Nachteile des finnischen Bahnnetztes eingehen. Eine Übersicht übers Bahnnetz findet man hier – gleich nach unten scrollen, im Norden is ja nix.^^
Allgemeines:
·· Es gibt fast keine Regionalzüge. Jene Zugkategorie findet man im Norden zwischen Ylivieska & Iisalmi, in der HVZ zwischen Tampere & Nokia sowie sonst einzig auf die Strecken rund ums mittelfinnische Jyväskylä (nach Seinäjoki, Tampere & Pieksämäki sowie westlich an Jyväskylä vorbei zwischen Orivesi & Haapamäki), zudem im Osten (von Joensuu nach Pieksämäki & Nurmes sowie von Parikkala nach Savonlinna), von Kotka nach Kouvola (manchmal bis Lahti durchgebunden) und schließlich von Karjaa nach Hanko.
Im Raum Helsinki gibt es Ess-Bahnen (Richtung Westen bis Kirkkonummi, manchmal etwas weiter, Richtung Norden meist Riihimäki, manchmal sogar bis Tampere, selten Richtung Osten über die Rennbahn bis Lahti, und natürlich die Strecke zum Flughafen, die ist die einzige wo nur Ess-Bahnen fahren^^). Ach, und die Strecke zwischen Riihimäki & Lahti (also nördlich am Großraum Helsinki vorbei) wird auch einzig von Ess-Bahnen befahren.^^
Auf allen anderen Strecken verkehren einzig ICs. (Auch die Nachtzüge werden als ICs bezeichnet.)
·· Das Wagenmaterial der Fernzüge ist (sehr zum Leidwesen von uns Ferro-Freaks) sehr eintönig: Abgesehen von den nicht allzu zahlreichen Pendolino-Rennen und Hauptsaison-Verstärkern fahren nur Dostos. :D
Auch gibt es nur drei Lok-Typen (von mir als alte Russenlok, Schweizerin bzw. Wikingervectron bezeichnet^^).
Negative Punkte:
– Die Frequenzen sind nicht gerade dicht. Aber das ist nicht Schuld der Bahn, sondern der niedrigen Bevölkerungsdichte (Finnland ist flächenmäßig kaum kleiner als Deutschland, aber hat nur 5 Mio. Einwohner – und davon ist schon ein Viertel im Großraum Helsinki zusammengequetscht!)
– Der allergrößte Teil des Netzes ist eingleisig. Mir ist klar, dass Bevölkerungsdichte & Verkehr keinen zweigleisigen Ausbau rechtfertigen, auf den Betrieb, v. a. die Pünktlichkeit hat das natürlich trotzdem deutliche negative Auswirkungen.
– Die Pünktlichkeit der Bahn ist ziemlich schlecht. Ich brauchte mich bei meiner Reise zwar nicht beschweren, aber immer wenn ich reinschaute, war irgendwas heftig verspätet.^^ Auch Verspätungen von 30 – 60 min sind häufig (darüber selten, da lässt man das Ding meist komplett ausfallen :D). Ich würde behaupten, die reine Zugpünktlichkeit ist schlechter als in Deutschland, aber immer noch besser als in Polen. :D
Positive Punkte:
+ Fast alle halbwegs großen Bahnhofsgebäude sind beheizt. Sollte bei den Temperaturen allerdings selbstverständlich sein. :D
+ Hoher Elektrifizierungsgrad: Planmäßig im PV von Dieselzügen befahren werden einzige die Linien Oulu – Tornio – Kolari in Lappland, Ylivieska – Iisalmi im Norden (eigentlich eher Mitte, aber nördlich davon kommt halt wenig^^), Jyväskylä – Seinäjoki inkl Haapamäki – Orivesi in Mittel-/Westfinnland und schließlich Joensuu – Nurmes/–Pieksämäki sowie Parikkala – Savonlinna im Osten. Karjaa – Hanko ist überall noch ohne Elektrifizierung eingezeichnet, aber wozu soll man die Strecke für ein Jahr sperren? :-s
+ Trotz der eingleisigen Abschnitte sind die Reisegeschwindigkeiten bemerkenswert hoch, selbst abseits der Achsen Helsinki – Oulu/–Joensuu häufig über 100 km/h.
+ Die Fahrpreise sind, in Anbetracht des sonstigen finnischen Preisniveaus (z. B. für Lebensmittel oder Hotelaufenthalte), schon ziemlich günstig. (Das trifft allerdings ebenso auf Sprit zu…).
+ Man denkt viel mehr in Netzwirkung und nicht in einzelnen Zügen. Es gibt viele Direktverbindungen, häufig mit unterschiedlichen Halteschemata. Der merkwürdigste Laufweg ist wohl Helsinki – Tampere – Jyväskylä – Pieksämki.^^ (Von Helsinki nach Pieksämäki kommt man erheblich schneller via Kouvola.) Taktverkehr findet man nicht so häufig (aber z. B. hat Helsinki – Tampere einen angenäherten Stundentakt mit bzw. ohne Zwischenhalte), doch meiner Meinung nach sind bei niedriger Bevölkerungsdichte wechselnde Direktverbindungen wichtiger als regelmäßige Taktverbindungen mit stets gleichen Umstiegen.
An Knotenbahnhöfen gibt es meist in mehrere Richtungen Anschlüsse und man kann ziemlich sicher darauf wetten, dass die warten – mehrmals habe ich eine Dreiviertelstunde Wartezeit auf Anschlüsse erlebt. (Jaa, Pünktlichkeit wäre natürlich besser. Die finnischen Winter sind freilich härter als die mitteleuropäischen, aber Situationen, die jährlich oder häufiger auftreten können, dürfen keine Überraschung sein!)


Für die letzte Nacht in Helsinki hatte ich wieder dasselbe Hotel reserviert wie am Anfang. Ich bekam sogar dasselbe Zimmer. :D
Am letzten Abend war ich dann nochmal in Helsinki unterwegs, die Bilder davon gab es ja schon in Kapitel 1 zu sehen.

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Was Du suchst, ist in Dir. Ansonsten ist es im Kühlschrank. Oder in der Kekspackung. :)


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