Reihe: Interessantes aus dem Bahnbetrieb (Allgemeines Forum)
Knochendochen, Freitag, 13.09.2024, 03:38 (vor 29 Tagen)
Liebe Forengemeinde,
ich bin nun schon lange Mitglied in diesem Forum und noch viel länger stiller Mitleser. Ich schätze die geballte Fachkompetenz des Forums sehr und konnte durch die Schwarmintelligenz aller schon die ein oder andere Frage klären und viel interessantes über die Eisenbahn sowohl national als auch international lernen.
Ich dachte mir, ich könnte ja auch mal was aktiv zum allgemeinen Wissenserwerb beitragen, indem ich eine kleine Reihe starte, in der ich häppchenweise in unregelmäßigen Abständen Themen des Bahnbetriebs aus Sicht eines (angehenden) Fahrdienstleiters thematisiere; von der Frage "Was ist eine Fahrstraße?" über "Was macht eine elektrische Signalflügelkupplung?" bis zu "Was ist der Nachweis der Zählwerke?". Es soll vor allem um interessante technische und betriebliche Vorgänge gehen, bei denen man sich schon immer gefragt hat: Wie funktioniert das eigentlich? Nicht um regelwerksmäßige Detailexzesse, die am Ende eh niemanden (außer die Betriebseisenbahner) interessieren.
Gebt mir gerne mal Rückmeldung, ob überhaupt Interesse an einer solchen Reihe bestünde, und falls ja, gerne Themenwünsche, Fragen, Anregungen. Und auch gerne Korrekturen und Ergänzungen, denn ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen ;-)
Als ersten Beitrag der Reihe habe ich "Was ist Bahnbetrieb?" im Gepäck :-)
Grüße
Knochendochen
1. Was ist Bahnbetrieb?
Knochendochen, Freitag, 13.09.2024, 03:40 (vor 29 Tagen) @ Knochendochen
Um erstmal mit den Grundlagen anzufangen und zu umreißen, worum es überhaupt geht: Eine Definition des Begriffs „Bahnbetrieb“ muss her. Laut der Richtlinie 408 der Deutschen Bahn, der Bibel der Fahrdienstleiter, ist Bahnbetrieb wie folgt definiert:
Bahnbetrieb ist das Bewegen von Fahrzeugen. Zum Bahnbetrieb gehören das Fahren von Zügen und das Rangieren.
Okay, das ist ja relativ selbsterklärend… aber was ist jetzt Züge fahren und Rangieren? Auch darauf liefert die 408 eine Antwort:
Züge sind auf die freie Strecke übergehende oder innerhalb eines Bahnhofs nach einem Fahrplan verkehrende einzeln fahrende Triebfahrzeuge oder Einheiten, die zusammengesetzt sein können aus arbeitenden Triebfahrzeugen oder arbeitenden Triebfahrzeugen und dem Wagenzug, in den Wagen oder nicht arbeitende Triebfahrzeuge eingestellt sind.
(…) Züge werden in Reise- und Güterzüge eingeteilt.
und
Rangieren ist das Bewegen von Fahrzeugen im Bahnbetrieb, ausgenommen das Fahren der Züge. Das Bewegen von Fahrzeugen im Baugleis ist Rangieren. (…)
Okay, das ist schon weniger selbsterklärend. Rangieren ist also alles außer Züge fahren, aber was ist denn jetzt genau Züge fahren und was ist der Unterschied zum Rangieren?
Im Grunde gibt es vier Unterscheidungskriterien, um Rangieren und Zugfahrten zu unterscheiden, nämlich den Ort, die Geschwindigkeit, die Sicherung und der Fahrplan. Während normalerweise nur im Bahnhof (Ausnahme: Baugleis, Rangieren über Ra 10, Rangieren im Ausfahrgleis) rangiert wird, verkehren Zugfahrten im Bahnhof und auf der freien Strecke (…auf die freie Strecke übergehende oder innerhalb eines Bahnhofs nach einem Fahrplan verkehrende…). Der zweite Unterschied ist die Geschwindigkeit: Während Züge grundsätzlich so schnell fahren dürfen, wie es die Strecke, das Fahrzeug, die Signalisierung an der Strecke, der Fahrplan oder sonstige betriebliche Vorgaben (z.B. Befehle) es zulassen, gilt beim Rangieren die Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h (im Baugleis 20 km/h), was nicht bedeutet, dass grundsätzlich immer mit 25 km/h rangiert werden darf. 25 km/h sind lediglich die Höchstgeschwindigkeit; es darf nur so schnell gefahren werden, dass jederzeit vor einem Haltebegriff oder sonstigen Hindernis zum halten gekommen werden kann, was in engen Kurven natürlich bedeuten kann, dass langsamer gefahren werden muss.
Das spannt auch schon den Bogen zum dritten Punkt, der Sicherung. Die Notwendigkeit, beim Rangieren auf Sicht zu fahren, ergibt sich aus dem niedrigeren Sicherungslevel. Mit der Fahrtstellung eines Hauptsignals kann sich der Triebfahrzeugführer eines Zuges sicher sein, dass sein kompletter Fahrweg frei ist und die Fahrwegelemente (Weichen, Gleissperren, Gleisabschnitte, Flachkreuzungen) verschlossen sind (=ein Umstellen verhindert wird). Dies wird durch betriebliche und technische Vorbedingungen, die gegeben sein müssen, damit sich das Hauptsignal überhaupt auf Fahrt stellen lässt, sichergestellt. Somit ist es nicht notwendig, dass der Tf eines Zuges seinen Fahrweg auf Hindernisse überwacht und bei den Geschwindigkeiten ja auch gar nicht möglich (Ausnahmen im Störungsbetrieb natürlich möglich). Beim Rangieren jedoch ist es keine Seltenheit, dass in mit Fahrzeugen besetzte Gleise rangiert wird, vor denen der Tf anhalten muss. Die Zustimmung zur Rangierfahrt ist hier keine Bestätigung, dass der Fahrweg frei ist; dies muss vom Tf überwacht werden. Des Weiteren gibt es in mechanischen Stellwerken keine Rangierstraßen (d.h. der Fahrweg für Rangierfahrten kann nicht oder nicht vollumfänglich technisch gesichert werden), und in Relaisstellwerken und Elektronischen Stellwerken müssen diese projektiert sein, was auch nicht immer der Fall ist. Sind diese nicht vorhanden, muss auch hier „freihändig“ rangiert werden. Zudem existiert für Rangierstraßen im Gegensatz zu Zugfahrstraßen in den meisten Fällen kein Flankenschutz (=Schutz z.B. durch abweisend stehende Weichen vor dem Fahrzeug in Seite fahrenden anderen Fahrzeugen).
Letzter Punkt: Fahrplan. Ein Zug darf niemals ohne Fahrplan verkehren. Zum Fahrplan gehört natürlich auch eine Zugnummer. Der Fahrplan ist quasi die „Eintrittskarte für die freie Strecke“. Liegt dem Fahrdienstleiter für einen Zug kein Fahrplan vor, darf er die Abfahrt des Zuges nicht zulassen. Gleichermaßen darf der Tf ohne Fahrplan nicht abfahren. Da fragt man sich jetzt vielleicht: Warum ist das mit dem Fahrplan denn so wichtig? Ist der Fahrplan nicht rein informativ und ohne sicherheitstechnische Bedeutung? Nein, der Fahrplan ist sogar sehr wichtig! Zunächst muss der Tf wissen, auf welchen Betriebsstellen er sich befindet. Das ist zum Beispiel bei Notrufen relevant. Des Weiteren sind im Fahrplan weitere wichtige Informationen wie Zuglänge, Gewicht, Höchstgeschwindigkeit des Zuges und Bremshundertstel enthalten. Manche Strecke dürfen nicht mit eingeschalteter Wirbelstrombremse befahren werden. Auch eine solche Vorgabe würde sich in den Fahrplanunterlage finden.
Mal ein fiktives Beispiel, wieso ein fehlender Fahrplan zu einer Gefährdung führen könnte: Es gibt Züge, welche breiter sind als das „normale“ Lichtraumprofil. Solche Züge werden Lademaßüberschreitung genannt und werden gesondert in den Fahrplanunterlagen gekennzeichnet. Manche von denen sind so breit, dass das Nachbargleis gesperrt werden muss, weil sie so weit in dessen Lichtraumprofil hineinragen. Angenommen ein solcher Güterzug steht in einem Bahnhof und kann nicht weiterfahren, weil die Strecke gesperrt ist. Man entscheidet sich, den Zug über eine andere Strecke umzuleiten. Die Beteiligten denken nicht groß nach, sind ja nur 50 Kilometer und danach kann man ja wieder auf den Regelweg einfädeln, der Fahrdienstleiter zieht die Ausfahrt, der Zug fährt ohne Umleitungsfahrplan los, alle sind happy. Der Zug fährt in den Stellbereich des nächsten Fahrdienstleiters, dieser wundert sich kurz, dass er für diesen Zug keinen Fahrplan hat, stellt aber trotzdem die Durchfahrt, weil bei ihm ja keine Strecke abzweigt, also muss der ja durchfahren. Der Zug fährt weiter, es kommt ein vollbesetzter ICE entgegen. Aufgrund seiner Überbreite schrammt er dem ICE die komplette Seite auf, beide Züge entgleisen, ist gibt Verletzte und Tote.
Hätten die beteiligten Fahrdienstleiter der Abfahrt des Zuges erst nach Einsicht eines Umleitungsfahrplans zugestimmt, wäre es nicht zu dieser Gefährdung gekommen. Denn irgendwo im Prozess von Erstellung des Umleitungsfahrplans durch die BZ (=Betriebszentrale) bis zu Einsicht durch den Fdl wäre aufgefallen, dass es sich ja um eine Lademaßüberschreitung handelt und hier besondere betriebliche Bedingungen, konkret Sperrung des Nachbargleises, zu beachten sind.
Zurück zum eigentlichen Thema: Rangierfahrten brauchen keinen Fahrplan und auch keine Nummer. Hier werden Ziel, Zweck und Besonderheiten der Rangierbewegung im Rangiergespräch zwischen Tf oder Rangierbegleiter und Weichenwärter (heutzutage meistens in Personalunion mit Fdl) vereinbart.
Also, nochmal zusammengefasst: Bahnbetrieb ist das Bewegen von Fahrzeugen und zum Bahnbetrieb gehört das Fahren der Züge und das Rangieren.
Sehr informativ!
плацкарт, Freitag, 13.09.2024, 07:29 (vor 29 Tagen) @ Knochendochen
Guten Morgen,
danke für die Ausführungen.
Machen wir hier unbewusst eine theoretische Quereinsteiger-Ausbildung, um Personallücken bei der Bahn auszufüllen?
Wann kommt der Praxisteil?
Sehr informativ!
Knochendochen, Freitag, 13.09.2024, 17:56 (vor 29 Tagen) @ плацкарт
Guten Morgen,
danke für die Ausführungen.
Machen wir hier unbewusst eine theoretische Quereinsteiger-Ausbildung, um Personallücken bei der Bahn auszufüllen?
Mist, jetzt bin ich aufgeflogen. Der Plan war eigentlich, dass ihr in 9 Monaten bei der Bahn anfangt, und die Bahn sich die Ausbildungskosten spaart ;-)
Wann kommt der Praxisteil?
Nach eurer Bewerbung ????
Vorfreude auf's Praktikum
Neitech_BR611, Baden-Württemberg / Bayern, Freitag, 13.09.2024, 19:04 (vor 29 Tagen) @ Knochendochen
Auf's Praktikum und den Praxisteil freue ich mich schon.
Als regelmäßiger Lounge-Gast im ICE 3/4 kenne ich auch schon die beiden wichtigsten akustischen Meldungen:
1. "Sifa - Sifa"
2. "Störung - Störung - Störung"
:D
Knochendochen, Freitag, 13.09.2024, 19:57 (vor 29 Tagen) @ Neitech_BR611
- kein Text -
Vorfreude auf's Praktikum
JeDi, überall und nirgendwo, Samstag, 14.09.2024, 01:50 (vor 28 Tagen) @ Neitech_BR611
Bremsausfall! Bremsausfall! Bremsausfall!
--
Weg mit dem 4744!
Sehr informativ!
Knochendochen, Freitag, 13.09.2024, 19:58 (vor 29 Tagen) @ Knochendochen
Ups, die drei Fragezeichen am Ende sollten eigentlich ein Smiley werden. Das hat die Forensoftware wohl überfordert und 4 Fragezeichen draus gemacht...
Sehr gerne !
D 2852, Freitag, 13.09.2024, 09:11 (vor 29 Tagen) @ Knochendochen
Solcherlei Informationen aus quasi 1. Hand sind doch die beste Möglichkeit für eine fachlich korrekte Meinungsbildung und ohne die Gefahr irgendwelchen Fake-Informationen auf den Leim zu gehen ... :))
Sehr gerne !
Ludo, Niedersachsen, Freitag, 13.09.2024, 14:25 (vor 29 Tagen) @ D 2852
Solcherlei Informationen aus quasi 1. Hand sind doch die beste Möglichkeit für eine fachlich korrekte Meinungsbildung und ohne die Gefahr irgendwelchen Fake-Informationen auf den Leim zu gehen ... :))
…was allerdings voraussetzt, dass du die Identität und Qualifikation des Users zweifelsfrei belegen kannst ;-).
Gruß, Ludo
Bahnbetrieb ist interessant - Quellen auch.
michael_seelze, Freitag, 13.09.2024, 17:21 (vor 29 Tagen) @ Knochendochen
Auch wenn Du schreibst, dass es keine Regelwerksexzesse werden sollen, wäre es, sofern die Regelwerke öffentlich zugänglich sind, gut, die Module zu nennen, auf Du Du Dich jeweils beziehst, damit sich Interessierte vertieft informieren können.
Quellen
Knochendochen, Freitag, 13.09.2024, 18:00 (vor 29 Tagen) @ michael_seelze
Das werde ich auf jeden Fall in Zukunft machen, zumindest für die 408. Alles andere ist ja soweit ich weiß nicht öffentlich zugänglich.
Quellen
michael_seelze, Samstag, 14.09.2024, 14:55 (vor 28 Tagen) @ Knochendochen
bearbeitet von michael_seelze, Samstag, 14.09.2024, 14:55
Das werde ich auf jeden Fall in Zukunft machen, zumindest für die 408. Alles andere ist ja soweit ich weiß nicht öffentlich zugänglich.
Es ist einiges öffentlich zugänglich: Betrieblich-technisches Regelwerk 2025
Quellen
Knochendochen, Samstag, 14.09.2024, 15:11 (vor 28 Tagen) @ michael_seelze
Interessant, dass so viel zugänglich ist, wusste ich gar nicht. Da fehlt halt bei manchen Richtlinien das meiste, z.B. bei der 482 über 90%, weil das halt nur das ist, was die EVU für die Nutzung des Netzes brauchen.
Quellen
michael_seelze, Samstag, 14.09.2024, 15:16 (vor 28 Tagen) @ Knochendochen
Interessant, dass so viel zugänglich ist, wusste ich gar nicht. Da fehlt halt bei manchen Richtlinien das meiste, z.B. bei der 482 über 90%, weil das halt nur das ist, was die EVU für die Nutzung des Netzes brauchen.
Ja, es ist ja nur öffentlich zugänglich, weil es alle Zugangsberechtigten kennen müssen. Du müsstest also die Sache immer aus Tf-Sicht im Hinblick auf die Quellenangaben aus der Fahrdienstvorschrift betrachten, da der EIU-Teil nicht allgemein zugänglich ist.
Quellen
Knochendochen, Samstag, 14.09.2024, 16:19 (vor 28 Tagen) @ michael_seelze
Nicht in der Übersicht aus deinem Link, aber wenn ich in den Browser "Ril 408" eingebe, erscheint ein PDF zum Download von der InfraGO höchstpersönlich mit den Modulgruppen 01 bis 06 (EIU).
OT: Öffentlich verfügbarer Stand 408.01-06
michael_seelze, Sonntag, 15.09.2024, 08:19 (vor 27 Tagen) @ Knochendochen
Nicht in der Übersicht aus deinem Link, aber wenn ich in den Browser "Ril 408" eingebe, erscheint ein PDF zum Download von der InfraGO höchstpersönlich mit den Modulgruppen 01 bis 06 (EIU).
Mit Stand 12.12.2021.
alte Berichte von Turbonegro
sflori, Freitag, 13.09.2024, 18:16 (vor 29 Tagen) @ Knochendochen
bearbeitet von sflori, Freitag, 13.09.2024, 18:18
Und auch gerne Korrekturen und Ergänzungen,
Eine Ergänzung habe ich:
Turbonegro hat vor langer Zeit auch mal drei Berichte aus Fdl-Sicht verfasst, die ich als sehr interessant in Erinnerung habe. Sind hier ganz unten verlinkt:
https://www.ice-treff.de/index.php?mode=page&id=3
Ansonsten freue ich mich sehr auf weitere Teile. :)
Bye. Flo.
2. Signale allgemein
Knochendochen, Samstag, 14.09.2024, 00:39 (vor 28 Tagen) @ Knochendochen
bearbeitet von Knochendochen, Samstag, 14.09.2024, 00:44
Im zweiten Beitrag möchte ich auf Signale im Eisenbahnbetrieb eingehen. Zuerst wieder die Frage: Was sind Signale? Hierauf liefert die Richtlinie 301 der DB, das Signalbuch, in 301.0002 1 eine Antwort:
Ein Signal ist ein sichtbares oder hörbares Zeichen mit einer festgelegten
Information zur Gewährleistung des sicheren Bewegens von Eisenbahnfahrzeugen.
Jedes Signalbild, also die erkennbaren Formen, Farben und Zahlen oder hörbaren Geräusche, besitzt eine Signalbedeutung, also eine Information, die durch dieses Signal übermittelt wird. Das äußere oder akustische Erscheinungsbild des Signalbildes wird durch die Signalbeschreibung beschrieben (z.B. ein grünes Licht oder ein weißes Blinklicht). Bezeichnet wird das Signal durch den Signalbegriff, das ist die Kurzbezeichnung des Signal (z.B. Hp1), welche manchmal noch durch eine Langebezeichnung ergänzt ist. (301.0002 1)
Ein kurzes Beispiel: Das Signal Zs 1 (Signalbegriff) – Ersatzsignal (Langebezeichnung des Signalbegriffs) hat folgendes Signalbild: https://o.quizlet.com/blSaUCK3QK4ptcZGNbhUBg.gif . Beschrieben werden kann dieses Signalbild durch folgende Signalbeschreibung: Drei weiße Lichter in Form eines A oder ein weißes Blinklicht. (301.0301 (2)). Die Signalbedeutung würde lauten: Am Signal Hp 0 oder am gestörten Lichthauptsignal ohne schriftlichen Befehl vorbeifahren. (gleiche Quelle). Im Signalbuch sind meistens neben Signalbegriff, Signalbild, Signalbeschreibung und Signalbedeutung noch weitere ergänzende, relevante Informationen zu einem Signal angegeben. Im Beispiel des Zs 1 wäre das: Das Ersatzsignal gilt auch, wenn es erlischt, bevor die Spitze des Zuges am Signal vorbeigefahren ist.
Signale sind für dein Eisenbahnbetrieb unentbehrlich, denn sie sind die Kommunikationsmittel im Eisenbahnbetrieb. Mit Signalen werden Zustimmungen, Aufträge und Informationen übermittelt und alle Beteiligten wissen sofort unmissverständlich, was gemeint ist. Man stelle sich mal vor, es gäbe keine Signale und die ganze Kommunikation müsste mündlich stattfinden. Nicht nur wäre das extrem unsicher, sondern würde den Betriebsablauf auch stark verlangsamen. Der Fahrdienstleiter könnte z.B. der Abfahrt eines Zuges aus einem Bahnhof nicht einfach durch Fahrtstellung des Ausfahrsignals zustimmen, sondern müsste erst den Tf anrufen und ihm mündlich die Zustimmung geben. Dabei wird es zu Verwechslungen (z.B. falschem Zug wird die Zustimmung gegeben) und Missverständnissen kommen und in der Folge natürlich zu Unfällen. Und die Verfahrensweise, welche Missverständnisse ausschließt und in der Praxis zur Anwendung kommt, wenn Signale oder sonstige technische Einrichtungen nicht so funktionieren, wie sie sollen - der schriftliche Befehl – würde noch mehr Zeit in Anspruch nehmen. Man sieht also: Ohne Signale geht bei der Eisenbahn nix!
Welche verschiedenen Arten von Signalen gibt es denn? Da gibt es viele, sich auch gegenseitig überschneidende Unterscheidungskriterien. Als erstes wäre sicherlich die Unterscheidung in Formsignale und Lichtsignale zu nennen. Formsignale funktionieren ohne Lichtpunkte, die Information wird also z.B. über eine „stromlose“ Blechtafel oder eine Anordnung von Signalflügeln (bei Formhauptsignalen) übermittelt. Bei Lichtsignalen existieren, ein oder mehrere Lichtpunkte, durch deren Farbe und/oder Anordnung die Information übermittelt wird. Die übermittelten Signalbedeutungen sind aber dieselben.
Eine weitere sinnvolle Unterteilung wäre die Unterteilung in Haupt- und Vorsignale. Züge fahren, wie im letzten Beitrag schon erwähnt, nicht auf Sicht. Dies ist aufgrund des Rad-Schiene-Systems (Metall auf Metall) und der hohen Masse von Zügen nicht möglich. Stattdessen hat sich bei der Eisenbahn das Fahren im Raumabstand etabliert. (Früher gab es auch mal andere Ansätze, z.B. das Fahren im Zeitabstand, was sich aber aus naheliegenden Gründen nicht durchgesetzt hat: die Sicherheit war nicht hoch genug.) Das bedeutet, dass es Zugfolgeabschnitte (408.0101A01) gibt, in die ein Zug nur einfahren darf, wenn sie frei von Fahrzeugen sind. Das gesamte Eisenbahnnetz ist in Zugfolgeabschnitte unterteilt. Zugfolgeabschnitte werden abgegrenzt durch Hauptsignale. Durch Fahrtstellung eines Hauptsignals ist sichergestellt, dass der folgende Zugfolgeabschnitt frei ist. Würden wir auf Sicht fahren, würden Hauptsignale völlig ausreichen (wie im Straßenverkehr). Da dies aber nunmal nicht der Fall ist, brauchen wir Vorsignale, die im Bremswegabstand vor den Hauptsignalen stehen und die Stellung des zugehörigen Hauptsignals ankündigen. So kann der Tf rechtzeitig reagieren, sodass er sich entsprechend der Signalbedeutung des Hauptsignals verhalten kann, wenn er an ihm vorbeifährt. Auf Hauptbahnen beträgt der Bremswegabstand in der Regel 1.000 Meter.
Weiterhin könnte man Signale unterteilen in Signale für Züge und Signale für Rangierfahrten. Sperrsignale dienen dem Rangierbetrieb. Mit ihnen kann die Zustimmung erteilt werden, in den folgenden Gleisabschnitt hineinzurangieren. Sperrsignale können, wie Hauptsignale oder Vorsignale, als Formsignale oder Lichtsignale ausgeführt sein. Sperrsignale befinden sich oft als Zwergsignale direkt über dem Schotter, dann werden sie auch als Schotterzwerge bezeichnet, und manchmal aus Platzgründen hochstehend auf einem Signalmast. Die betriebliche Bedeutung bleibt aber gleich. Die Sperrsignale können folgende Signalbegriffe zeigen: Hp 0 – Halt (ein oder zwei rote Lichter nebeneinander) und Sh 1 – Fahrverbot aufgehoben bzw. Ra 12 – Rangierfahrt erlaubt im Osten (zwei weiße Lichter nach rechts steigend oder Ein nach rechts steigender schwarzer Streifen auf runder weißer Scheibe bei Formsignalen). Richtig, obwohl die Wiedervereinigung schon über 30 Jahre her ist, gibt es immer noch einige Unterschiede zwischen dem Bereich der ehemaligen Bundesbahn und dem Bereich der ehemaligen Reichsbahn. Bei Formsperrsignalen gibt es kein Hp 0, sondern stattdessen Sh 0 - Halt! Fahrverbot (Ein waagerechter schwarzer Streifen in runder weißer Scheibe auf schwarzem
Grund.) (301.0601; 301.0002 (1) g)
Die eben genannten Sperrsignale sind „leblose“ Signale, d.h. sie werden von nicht von Menschen gegeben (in gewisser Weise natürlich schon, weil der Fdl beziehungsweise Weichenwärter (Ww) diese Signale bedient, aber ich glaube, ihr wisst, was ich meine). Daneben gibt es für den Rangierdienst noch eine Reihe von weiteren Signalen, die direkt durch Menschen gegeben werden, durch Töne aus einer Pfeife oder durch bestimmte Armbewegungen – ein weiteres Unterscheidungskriterium für Signale. Ein Vertreter ist zum Beispiel das Signal Ra 5 mit der Signalbedeutung Rangierhalt. Es signalisiert dem Tf der Rangierfahrt, dass er anhalten soll. Gegeben wird es durch drei kurze Töne schnell hintereinander mit einer Mundpfeife und einer kreisförmigen Bewegung des Arms. (301.0701)
Eine weitere Unterscheidung, die man treffen könnte, ist die Unterscheidung in fest installierte Signale, wie Hauptsignale, Vorsignale, Sperrsignale oder Langsamfahrsignale, und bewegliche Signale. Ein Vertreter davon ist das Zugschlusssignal (Zg 2), welches den Zugschluss kennzeichnet (bei Triebzüge meistens einfach zwei rote Lichter, bei Güterzügen zwei Schilder mit sich an der Spitze berührenden roten Dreiecken), oder das Spitzensignal (Zg 1), welches die Zugspitze kennzeichnet. (301.1101)
Es gibt bestimmt noch weitere Unterscheidungskriterien, aber das waren für mich erstmal die wichtigsten. Es sei auch noch erwähnt, dass das keine offiziellen Unterteilungen sind. Ich habe sie nur gewählt, weil ich es so für sinnvoll erachtet habe.
Auf großen Bahnhöfen mit riesigen Gleisvorfeldern und vielen Schotterzwergen, insbesondere wenn diese mitten zwischen zwei Gleisen stehen, kommt vielleicht die Frage auf, zu welchem Gleis denn jetzt dies und jenes Signal gehört. Dafür gibt es eine einfache Regel: Die Signale stehen in der Regel immer rechts von dem Gleis, zu dem sie gehören. Wenn auf der freien Strecke das Gegengleis genutzt wird, stehen die Signale links von dem Gleis, zu dem sie gehören. (301.0002 2 (3))
Das war es erstmal allgemein zu Signalen, in den nächsten Beiträgen werde ich dann genauer auf einzelne Signale bzw. Gruppen von Signalen eingehen, z.B. auf das H/V-System oder Ks-System.
Signalträchtige Grüße
Knochendochen
2.1 Das H/V-System
Knochendochen, Montag, 16.09.2024, 05:24 (vor 26 Tagen) @ Knochendochen
Das H/V-System (ausgeschrieben Hauptsignal/Vorsignal-System) ist zwar nicht das älteste Signalsystem, jedoch das erste deutschlandweit einheitliche. Und an der Tatsache, dass es bis heute gehalten hat und im Bundesgebiet noch heute weite Verbreitung findet, lässt sich ableiten, dass es so schlecht nicht gewesen sein kann und immer noch ist. Ausgehend von den Ballon- und Korbsignalen, bei denen Korb- bzw. Ballonähnliche Gegenstände über Seile entlang eines Mastes hoch und runter bewegt werden konnten und die zunächst der Kommunikation der Betriebsstellen untereinander dienten, dann auch der Kommunikation zwischen stationären Bahnmitarbeitern und Zugpersonal, entwickelten sich allmählich Flügelsignale, die aber noch lange nicht einheitlich waren, da es zu dieser Zeit noch viele verschiedene Bahngesellschaften gab. Zunächst dienten die Flügelsignale anders als heute der Wegesignalisierung, haben also mit bis zu drei Flügeln angezeigt, ob ein durchgehendes Hauptgleis oder ein abzweigendes Gleis befahren wird. Außerdem gab es teilweise die sicherheitstechnisch völlig schwachsinnige Eigenheit, dass bei den Nachtzeichen (=Zeichen, was das Erkennen des Signals auch bei Dunkelheit ermöglicht, wenn die Flügel aus der Entfernung nur schwer zu sehen sind) an Hauptsignalen grün für Fahrt stand jedoch an Vorsignalen grün „Halt erwarten“ signalisierte (dafür weiß Fahrt). Ab 1949 schließlich waren die H/V-Signale so vorzufinden, wie wir sie heute kennen.
Heute gibt es im H/V-System sechs verschiedene Signalbegriffe, drei für Hauptsignale und 3 für Vorsignale. Dabei bedeutet Hp 0 „Halt“ (das Lichtsignal kann auch nur ein rotes Licht haben),
Hp 1 "Fahrt" und
Hp 2 "Langsamfahrt"
Hp 0 und Hp 1 sind ja relativ selbsterklärend - Hp 0 gebietet jeglichen Fahrzeugen halt (übrigens Zug- und Rangierfahrten), während Hp 1 Zügen die Vorbeifahrt mit Streckengeschwindigkeit erlaubt. Bei Hp 2 gibt es etwas mehr Erklärungsbedarf: Was genau bedeutet "Langsamfahrt"? Grundsätzlich erstmal, dass mit 40 km/h vorbeigefahren werden darf. Diese Geschwindigkeit kann allerdings durch ein Zs 3 herab- oder heraufgesetzt werden.
Das Zs 3 - auch Geschwindigkeitsanzeiger genannt - kann als Form- oder Lichtsignal ausgelegt sein und gibt an, dass maximal die Kennziffer multipliziert mit 10 gefahren werden darf. Bis wohin gilt diese Geschwindigkeitsbeschränkung? Es wäre eine Verschwendung, wenn sie generell bis zum nächsten Hauptsignal gelten würde, weil der Hintergrund, warum Geschwindigkeiten durch Hp 2 Bzw. Zs 3 heruntersigalisiert werden darin liegt, dass Weichen im abzweigenden Strang befahren werden. Dieser Grund fällt ja weg, wenn der sich an ein Signal anschließende Weichenbereich durchfahren wurde. Deswegen gilt die Geschwindigkeitsbeschränkung durch Hp 2 bzw. Zs 3 nur im anschließenden Weichenbereich. Woher weißt der Tf, dass er mit allen Wagen den anschließenden Weichenbereich verlassen hat? Er sieht ja schließlich nicht, wo sich sein Zugschluss befindet. Das kann er sich mithilfe der in der Regel alle 200 Meter aufgestellten Hektometertafeln und der Kenntnis seiner Zuglänge herleiten. Auf manchen Triebfahrzeugen gibt es auch Zuglängenzähler, die dem Tf nach betätigen eines Knopfes anzeigen, wenn der Zugschluss da ist, wo der Knpf betätigt wurde. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Zs 3 auch in Kombination mit Hp 1 gezeigt werden kann. Hp 2 kann nämlich nur maximal bis auf 60 km/h hochsignalisiert werden, also Kennziffer 6. Alles ab Kennziffer 7 wird in Verbindung mit Hp 1 gezeigt.
Entsprechend den Hauptsignalen gibt es auch 3 Vorsignalbegriffe, nämlich Vr 0 "Halt erwarten",
Vr 1 "Fahrt erwarten" und
Vr 2 "Langsamfahrt erwarten".
Um eindeutig unterscheiden zu können, ob es sich beim jeweiligen Signal um ein Hauptsignal oder ein Vorsignal handelt, werden Vorsignale durch Signal Ne 2, Vorsignaltafeln, gekennzeichnet.
In unübersichtlichen Situationen sind zwischen Vorsignal und Hauptsignal einer oder mehrere Vorsignalwiederholer aufgestellt, welche das gleiche Signalbild wie das Vorsignal zeigen, bis auf ein weißes Zusatzlicht, was sie als Vorsignalwiederholer kennzeichnet.
Steht ein Vorsignal in einem um mehr als 5% kürzeren Abstand als dem Bremsweg der Strecke vor dem Hauptsignal, ist es ebenfalls durch ein weißes Zusatzlicht gekennzeichnet, hat aber im Gegensatz zum Vorsignalwiederholer ein Ne 2.
Am Vorsignal kann sich ein Zs 3v befinden. Das Zs 3v zeigt das gleiche Signalbild wie das Zs 3 mit dem Unterschied, dass die Kennziffer in Gelb dargestellt ist. Das Zs 3v ist also quasi das "Vorsignal" für das Zs 3.
Die Hauptsignale im H/V-System, wie auch alle anderen Hauptsignale, können als Blocksignale (Bksig), Einfahrsignal (Esig), Ausfahrsignale (Asig), Zwischensignale (Zsig) und Deckungssignale (Dksig) verwendet werden. Je nach Einsatz können sie nur manche der 3 möglichen Signalbegriffe zeigen. Bei Formsignalen lässt sich leicht durch Betrachtung des Signals feststellen, welche Signalbegriffe dieses Signal zeigen kann. Ein Formhauptsignal, dem der zweite Signalflügel fehlt, wird logischerweise niemals Hp 2 anzeigen können. Man bezeichnet es dann als zweibegriffiges Formhauptsignal. Denkbar wäre ein solches Signal z.B. als Blocksignal oder als Einfahr- oder Ausfahrsignal, wenn es keine an diesem Signal beginnende Fahrstraße gibt, die über eine Weiche im abzweigenden Strang führt und somit eine Signalisierung von Hp 2 erforderlich machen würde. Ein Formvorsignal ohne den Signalflügel wird entsprechend kein Vr 2 signalisieren können. Dient ein Signal nur als Zielsignal für Fahrstraßen, ist aber ab diesem Signal keine Fahrstraße projektiert, kann es nur Hp 0 zeigen.
Hauptsignal und Vorsignal können auch am selben Signalmast angebracht sein, haben aber stets einen separaten Signalschirm (bis auf eine mir bekannte Ausnahme, wer weitere kennt: her damit :-) ) Das sieht dann so aus:
Wenn das Hauptsignal in dieser Konstellation Hp 0 zeigt, wird das Vorsignal abgeschaltet, um beim Tf keine Verwirrung zu stiften, genauso wenn die Fahrstraße in eine Strecke führt, für die das Vorsignal keine Bedeutung hat.
Eine weitere lustige Besonderheit gibts auf Strecken, auf denen kein Gleiswechselbetrieb eingerichtet ist, dafür aber signalisierter Falschfahrbetrieb. Ganz kurz zur Erklärung: Wenn kein Gleiswechselbetrieb (GWB) eingerichtet ist, ist das Fahren auf dem Gegengleis nicht vorgesehen und darf nur bei besonderen Betriebssituationen (z.B. liegengebliebener Zug auf dem Regelgleis oder Bauarbeiten) durchgeführt werden. Da es eben stellwerkstechnisch und von der Signalisierung nicht projektiert ist, gibt es auch keine Fahrstraßen ins/vom Gegengleis und somit natürlich auch kein Einfahrsignal im Gegengleis in den Bahnhof. Wenn GWB ständig eingerichtet ist, kann ganz normal auf Fahrstraße und Fahrtstellung des Hauptsignals vom Bahnhof ins Gegengleis gefahren werden und vom Gegengleis in den nächsten Bahnhof rein. Das Gegengleis ist dann blocktechnisch voll ausgerüstet (möglicherweise mit weniger Blocksignalen als in der Regelrichtung). Ein Mittelding zwischen ständig eingerichtetem GWB und nicht eingerichtetem GWB ist jetzt der signalisierte Falschfahrbetrieb. Da gibt es zwar immer noch keine Fahrstraßen (nur Zughilfsstraßen), also kommt man auch immer noch nicht durch einen Fahrtbegriff am Ausfahrsignal vorbei, dafür aber auf Zs 8 und jetzt kommts: beim nächsten Bahnhof steht dann am Gegengleis ein meist tiefstehendes Hauptsignal (oder Sperrsignal) auf Höhe des Einfahrsignals des Regelgleises, welches nur Hp 0 und Zs1/8 zeigen kann. Der Vorteil zu gar keinem GWB ist, dass man sich bei signalisiertem Falschfahrbetrieb die Befehle spart. Am Ende ist es eine Kostenfrage. Auf Strecken, auf denen es sich vom Verkehrsaufkommen nicht lohnt, GWB zu projektieren, man aber bei Störungen nicht völlig "nackig" sein möchte, hat man sich für signalisierten Falschfahrbetrieb entschieden, da das eben bedeutend billiger ist, aber man dennoch enorme betriebliche Vorteile gegenüber gar keinen GWB hat.
Neu verbaut werden H/V-Signale bei der InfraGO überhaupt nicht mehr (es sei denn es ist notwendig, weil ein Signal völlig den Geist aufgegeben hat und man es in Gänze ersetzt), bei Neubau werden nur noch Ks-Signale installiert. Obwohl ältere ESTWs nocht mit H/V-Signalen ausgerüstet sind, befinden sich die allermeisten H/V-Signale in Knechtschaft von (elektro-)mechanischen Stellwerken oder Relaisstellwerken. Im Osten gibt es gar keine H/V-Lichtsignale mehr, stattdessen hat man dort auf das Hl-System gesetzt, was aber auch wie das H/V-System im Westen nach und nach durch das Ks-System ersetzt werden soll. Ich vermute einige Jahrzehnte wird das schon noch dauern...
Ich persönlich finde das H/V-System am angenehmsten, weil es durch die klare Trennung von Haup- und Vorsignalen am einfachsten zu verstehen ist und ich finde, dass die H/V-Signalschirme mit ihren ihnen deutlich anzusehenden Abnutzungsspuren immer einen Gewissen Bundesbahn-Vibe versprühen. Wie ist es denn für die Tfs? In welchem Signalsystem findet ihr es am "angenehmsten" zu fahren?
Mit ganz in Manier des Themas den nächsten Beitrag als das Ks-System thematisierenden vorankündigenden Grüßen
Knochendochen
zu 2.1 Befahren des Gegengleises
michael_seelze, Montag, 16.09.2024, 06:54 (vor 26 Tagen) @ Knochendochen
Ist der Begriff "signalisierter Falschfahrbetrieb" noch offiziell?
Müste es nicht heißen "Befahren des Gegengleises auf Zs8"?
Man spricht schließlich auch nicht mehr vom Linksfahren, auch wenn es nicht den Merkhinweis NLF für den Ausschluss von Fahrten entgegen der gewöhnlichen Fahrtrichtung auf einem Gleis gibt.
zu 2.1 Befahren des Gegengleises
Knochendochen, Montag, 16.09.2024, 20:30 (vor 25 Tagen) @ michael_seelze
bearbeitet von Knochendochen, Montag, 16.09.2024, 20:31
Du hast Recht, der Begriff "signalisierter Falschfahrbetrieb" ist eher ein Relikt aus Bundesbahnzeiten, wird aber dennoch in der Praxis noch verwendet. Die Fahrdienstvorschrift kennt nur ständig eingerichteten GWB, vorrübergehend eingerichteten GWB und nicht eingerichteten GWB. Signalisierter Falschfahrbetrieb würde unter letzteres fallen.
2.2 Das Ks-System
Knochendochen, Mittwoch, 25.09.2024, 03:28 (vor 17 Tagen) @ Knochendochen
Die Ks-Signale (Kombinationssignale)sind die bundeseinheitliche Weiterentwicklung vom H/V-System im Westen und dem im Osten vorherrschenden Hl-System. Es kam der Wunsch nach einem deutschlandweit einheitlichen Signalsystem, das Ergebnis waren die Ks-Signale. Ab 1993 fanden ebenjene Signale Anwendung, und verbreiteten sich mit dem ESTW-Rollout seitdem in Deutschland. Elektronische Stellwerke sind auch einzige Stellwerkstechnik, mit denen die Ks-Signale in Kombination eingesetzt werden.
Was ist im Ks-System neu im Vergleich zum H/V-System? Beim H/V-System gibt es eine strikte Trennung zwischen Vor- und Hauptsignalen: Sie haben jeweils ihren eigenen Signalschirm und unterschiedliche Signalbegriffe. Im Ks-System ist das nicht so, die Grenze zwischen Vor- und Hauptsignalen "verschwimmt". Man unterscheidet im Ks-System nicht mehr zwischen Vorsignal- und Hauptsignalbegriffen, es gibt nur drei Signalbegriffe, welche für Vor- und Hauptsignale zur Anwendung kommen: Hp 0 (Halt), Ks 1 (Fahrt) und Ks 2 (Halt erwarten).
Hp 0 (Halt; identisch zum H/V-System, „Ks 0“ gibt es nicht)
Ks 1 (Fahrt)
Ks 2 (Halt erwarten – erlaubt die Vorbeifahrt und kündigt halt an)
Des Weiteren wird im Ks-System nur die Befahrbarkeit der Blockabschnitte durch Ks 1, Ks 2 oder Hp 0 signalisiert, eine Geschwindigkeitssignalisierung wie im H/V-System durch Hp 2 findet nicht statt. Dies geschieht im Ks-System ausschließlich durch Signale Zs 3 – Geschwindigkeitsanzeiger.
Wie funktioniert das jetzt genau? Es gibt im Ks-System drei Arten von Signalen: reine Vorsignale, reine Hauptsignale und Signale mit Haupt- und Vorsignalfunktion (auch Mehrabschnittssignale genannt, weil sie Informationen über die Befahrbarkeit von mehr als einem Abschnitt geben: durch ihre Hauptsignalfunktion für den nächsten Abschnitt und durch ihre Vorsignalfunktion für den übernächsten Abschnitt).
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie der Tf erkennt, was für eines von diesen Arten das Signal vor ihm jetzt ist. Das wird über die Mastschilder geregelt. Ein reines Vorsignal wird, wie im H/V-System, durch das Signal Ne 2 – Vorsignaltafel gekennzeichnet.
Bei einem reinen Hauptsignal finden wir meist ein rot weiß-rotes Mastschild am Mast des Signals. Dieses zeigt an, dass am Signal, welches Halt zeigt oder gestört ist (also z.B. erloschen) nur auf Zs 1, Zs 7, Zs 8, Befehl und bei Zs 12 auf mündlichen Auftrag (also alles Signale, die gezeigt werden, wenn das Stellwerk meint, irgendeine Bedingung sei für die Fahrtstellung des Hauptsignals nicht gegeben, aber der Fdl durch betriebliche Handlungen trotzdem sicherstellt, dass alle Bedingungen für die Zulassung der Zugfahrt gegeben sind) vorbeifahren dürfen. Rangierfahrten dürfen nur mit Zustimmung des Weichenwärters vorbeifahren. Logisch, an haltzeigenden Hauptsignalen darf man natürlich nicht einfach so vorbeifahren, sonst würden sie ja nicht halt zeigen… oder? Falsch gedacht, denn es gibt auch Hautsignale, die mit einem weiß-gelb-weiß-gelb-weißem Mastschild gekennzeichnet sind.
In diesem Fall dürfen Züge, nachdem sie vor dem Halt zeigenden oder gestörten Hauptsignal angehalten haben und eine Verständigung mit dem Fdl nicht möglich ist, ohne Zustimmung des Fdl auf Sicht bis zum nächsten Hauptsignal weiterfahren. Was zur Hölle?! Wieso dürfen Züge in manchen Fällen an haltzeigenden Hauptsignalen vorbeifahren, ohne dass der Fdl was davon weiß? Ist das nicht total gefährlich!? Nicht im Ansatz, denn solche Mastschilder sind natürlich nicht an Einfahr-, Ausfahr- oder Zwischensignalen oder Blocksignalen an einer Abzweig- oder Überleitstelle angebracht, wo nach dem Signal ein Weichenbereich folgt und es bei einer Vorbeifahrt am haltzeigenden Signal ohne Wissen des Fahrdienstleiters zu einer Kollision mit anderen Fahrzeugen oder zum Auffahren von Weichen kommen könnte, wenn diese nicht richtig gestellt sind, sondern nur an Blocksignalen auf der freien Strecke, wo dahinter nur eine Blockstrecke ohne Weichen folgt. Das „schlimmste“, was dann passieren kann, wenn ein Zug an einem haltzeigenden Signal mit ebenjenem Mastschild, wohlgemerkt auf Sicht, vorbeifährt, ist, dass der Blockabschnitt belegt ist und der Zug dem dort schon stehenden Zug bis auf wenige Meter auffährt. Da er aber auf Sicht fährt, wird es zu keiner Kollision kommen.
Bei einem Ks-Signal mit Haupt- und Vorsignalfunktion befindet sich unter dem weiß-rot-weißen Mastschild ein mit der Spitze nach unten weißendes gelbes Dreieck. Eine Vorsignaltafel befindet sich hier nicht.
Wie sieht das jetzt konkret in der Praxis aus? Ein paar Beispiele: Ein Tf nähert sich einem Lichtsignal, was ein grünes Licht zeigt und es befindet sich am Signal ein Ne 2. Durch das Ne 2 weiß er, dass es sich um ein reines Vorsignal handelt. Ein grünes Licht bedeutet Ks 1 (Fahrt). Er darf also an diesem Signal vorbeifahren und kann erwarten, dass das nächste Hauptsignal, was im Bremswegabstand der Strecke folgen wird, ebenfalls einen Fahrtbegriff zeigt (Ks 1 oder Ks 2).
Das Lichtsignal zeigt einen ein gelbes Licht und es befindet sich eine Ne 2 am Signal: Der Tf weiß durch das Ne 2, dass es sich um ein reines Vorsignal handelt, welches durch den Signalbegriff Ks 2 (Halt erwarten) Hp 0 (Halt) am nächsten Hauptsignal ankündigt.
Das Lichtsignal hat ein weiß-rot-weißes Mastschild und zeigt ein grünes Licht. Durch das Mastschild weiß der Tf, dass es sich um ein Hauptsignal handelt. (Anmerkung: Wenn man es ganz genau nimmt, weiß er es allein durch das Mastschild nicht, denn auch Sperrsignale haben ein weiß-rot-weißes Mastschild, jedoch weiß er es durch die Angabe im Fahrplan, wo die Hauptsignalstandorte drinstehen, und aufgrund der Tatsache, dass das Signal hochstehend ist (was alleinstehende Sperrsignale normalerweise nicht sind) und ein grünes Licht zeigt, denn dieses Signalbild gibt es ja bei Sperrsignalen nicht.) Das Signal zeigt Ks 1 (Fahrt), also darf am Signal vorbeigefahren werden, der folgende Blockabschnitt ist frei. Über die Stellung des folgenden Hauptsignals und somit über die Befahrbarkeit des übernächsten Blockabschnitts gibt dieses Signal keine Auskunft. Es muss zwingend noch ein reines Vorsignal vor dem nächsten Hauptsignal kommen.
Aufmerksame Leser werden sich vielleicht jetzt fragen: Moment, wie unterscheidet der Tf denn jetzt ein Ks 1 an einem reinen Ks-Hauptsignal von einem Hp 1 an einem H/V-Hauptsignal? Schließlich hat beides das exakt identische Signalbild: ein grünes Licht. Mastschilder lassen auch keine Unterscheidung zu, denn beide können ein weiß-rot-weißes Mastschild haben. Die kurze Antwort ist: anhand des Erscheinungsbildes der Signalschirme. H/V-Signalschirme unterscheiden sich meist deutlich erkennbar von Ks-Signalschirmen. Die lange (korrektere) Antwort ist: gar nicht, eine Unterscheidung ist schlicht nicht notwendig. Wenn wir beide Signalbegriffe vergleichen, werden wir feststellen, dass diese völlig identisch sind, sie lauten nämlich bei beiden Signalen „Fahrt“. Ist ja auch logisch: in beiden Fällen ist die Aussage, dass der folgende Blockabschnitt frei ist und mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit befahren werden darf (sofern ein Zs 3 das nicht einschränkt). Somit kann es dem Tf völlig egal sein, ob er ein Hp 1 oder ein Ks 1 am Hauptsignal vor sich hat, er hat sich ja jeweils identisch zu verhalten und kann schlicht anhand des Signalbildes nicht zwischen beiden Signalbegriffen unterscheiden. Eine Unterscheidung anhand des Aussehens irgendwelcher Signalschirme ist dem Tf nicht zuzumuten und wäre sicherheitstechnisch aufgrund der vielen unterschiedlichen Signalschirmbauformen auch extrem bedenklich.
Frage: kann ein reines Ks-Hauptsignal (also ohne Vorsignalfunktion) Ks 2 zeigen? Kann ein reines Ks-Vorsignal Hp 0 zeigen? Denkt gerne selber mal drüber nach. Die Antwort steht am Ende des Beitrags.
Weiteres Beispiel: Ein Lichtsignal zeigt ein grünes Licht und hat ein weiß-rot-weißes Mastschild und ein nach unten weisendes gelbes Dreieck darunter. Aus den Mastschildern kann der Tf schließen, dass es sich um ein Signal mit Haupt- und Vorsignalfunktion handelt. Der Signalbegriff ist Ks 1 (Fahrt). Also darf Signal mit der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit vorbeigefahren werden (außer Zs 3 sagt was anderes) und es ist die Information enthalten, dass das folgende Hauptsignal einen Fahrtbegriff (Ks 1 oder Ks 2) zeigt. Zwischen diesem und dem nächsten Hauptsignal wird kein reines Vorsignal mehr erscheinen (höchstens ein Vorsignalwiederholer), denn es wurde ja schon am Hauptsignal für das nächste Hauptsignal vorsignalisiert.
Zeigt das Lichtsignal stattdessen Ks 2, also ein gelbes Licht, darf grundsätzlich mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (außer Zs 3 hat was dagegen) vorbeigefahren werden, jedoch zeigt das nächste Hauptsignal Hp 0.
Manchmal werden einem Ks-Signale mit einem weißen Licht unter oder über dem Signallicht begegnen. Was hat es damit auf sich? Befindet sich das „weiße Zusatzlicht“ unter dem Signallicht, handelt es sich um einen Vorsignalwiederholer (zusätzlich fehlt dann das Ne 2), ist es über dem Signallicht, handelt es sich um ein Ks-Signal mit Vorsignalfunktion (alleinstehend oder Mehrabschnittssignal), welches in einem um mehr als 5% verkürztem Abstand des Bremswegs vor dem Hauptsignal befindet. Das Zusatzlicht wird allerdings nur gezeigt, wenn das entsprechende Signal Ks 2 oder Ks 1 mit Zs 3v zeigt, da bei „reinem“ Ks 1 ohne Zs 3v frühstens am nächsten Hauptsignal Handlungsbedarf für den Tf im Sinne einer Geschwindigkeitsreduzierung besteht und es somit egal ist, ob das Signal nun in verkürztem Bremswegabstand steht, Vorsignalwiederholer oder sonstwas ist.
Weitere Ergänzung: Überall, wo an einem Ks 1 ein Zs 3v gezeigt wird, erscheint statt dem grünen Licht ein grünes Blinklicht.
Was sind nun die Vorteile des Ks-Systems gegenüber dem H/V-System? Zum einen die geringere Störungsanfälligkeit. Im H/V-System braucht es 4 Lichtpunkte, um beispielsweise an einem Einfahrsignal, an dem sich auch noch ein Vorsignal befindet, die Einfahrt auf ein haltzeigendes Ausfahrsignal zu signalisieren. 2 für das Hp 2 und 2 für Vr 0 (ggfls. noch Zs 3). Im Ks-System schafft man es, die gleiche Aussage mit nur einem Lichtpunkt darzustellen, nämlich einem gelben Licht – Ks 2 an einem Mehrabschnittssignal (ggfls. noch Zs 3).
Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, einen niedrigeren Fahrtbegriff hochzusignalisieren. Bleiben wir beim gerade verwendeten Beispiel: Wenn in den Beispielbahnhof eingefahren wird, muss ab Einfahrsignal 60 km/h gefahren werden, wenn auf haltzeigendes Ausfahrsignal gefahren wird, weil der projektierte Durchrutschweg keine höhere Geschwindigkeit zulässt. Im H/V-System hätten wir also am Einfahrsignal Hp 2 mit Zs 3 Kennziffer 6 und am Ausfahrvorsignal, was ja am gleichen Mast angebracht ist, Vr 0. Zwischenzeitlich ist der Ausfahrblockabschnitt frei geworden, der Fdl stellt auch das Ausfahrsignal auf Hp 1. Das Einfahrsignal bleibt aber jetzt auf Hp 2 mit Zs 3 Kennziffer 6, obwohl eine solche Restriktion jetzt gar nicht mehr notwendig ist, denn diese war nur aufgrund des Durchrutschwegs notwendig, welcher jetzt wegfällt. Im Ks-System sähe das folgendermaßen aus: Zunächst, wenn die Ausfahrt noch nicht steht, zeigt das Einfahrsignal (Mehrabschnittssignal) Ks 2 mit Zs 3 Kennziffer 6. Stellt der Fdl die Ausfahrt, wechselt das Einfahrsignal auf Ks 1 ohne Zs 3 – genau das versteht man unter hochsignalisieren. Dadurch lassen sich geringere Zugfolgen und ein flüssigerer Betrieb realisieren.
Das war es erstmal, es folgt noch die Auflösung der obigen fragen. Im nächsten Beitrag werde ich das Hl-System thematisieren, mit welchem ich aber nicht so richtig warm werde. Wer hat sich nur so einen Schmarrn ausgedacht… da sieht man ja das Signal vor lauter lichtern nicht mehr ????
Grüße
Knochendochen
Frage: kann ein reines Ks-Hauptsignal (also ohne Vorsignalfunktion) Ks 2 zeigen? Nein, denn das wäre ein Widerspruch in sich. Ein reines Ks-Hauptsignal liefert nur Informationen über die Befahrbarkeit des nächsten Blockabschnitts. Der Signalbegriff des Ks 2 lautet aber „Halt erwarten“, was impliziert, dass das nächste Hauptsignal Hp 0 zeigt. Diese Information kann ein reines Hauptsignal nicht bereitstellen.
Kann ein reines Ks-Vorsignal Hp 0 zeigen? Nein, denn ein reines Vorsignal liefert Informationen zur Stellung des folgenden Hauptsignals, begrenzt aber keinesfalls einen Blockabschnitt, in den nur eingefahren werden darf, wenn er frei ist. Dies ist Aufgabe der Hauptsignale. Ein Hp 0 (Halt) am reinen Vorsignal wäre somit auch wieder ein Widerspruch in sich, weil es theoretisch die Einfahrt in den folgenden Gleisabschnitt verbieten würde, jedoch Vorsignale gar nicht die „Macht“ haben, dies zu tun.
2.2 Das Ks-System: Frage zur Hochsignalisierung
michael_seelze, Freitag, 04.10.2024, 15:14 (vor 8 Tagen) @ Knochendochen
Ist diese Funktion bei allen Stellwerken mit Ks-Signalen verfügbar oder gibt es auch Stellwerksbauformen, bei denen zwar nach Stellen der Ausfahrt das Einfahrsignal von Ks2 auf Ks1 zeigt, das Zs3 aber weiter die Kennziffer für den beim Stellen der Einfahrt gewählten Durchrutschweg.
2.2 Das Ks-System: Frage zur Hochsignalisierung
Knochendochen, Freitag, 04.10.2024, 17:19 (vor 8 Tagen) @ michael_seelze
bearbeitet von Knochendochen, Freitag, 04.10.2024, 17:24
Ks-Signale gibt es ja nur bei ESTWs, oder willst du darauf hinaus, ob es Unterschiede bei unterschiedlichen Herstellern bzw. Bauformen von ESTWs gibt? Da bin ich ehrlich gesagt überfragt. Gut möglich, dass man sich bei manchen Stellwerken die Möglichkeit zur Hochsignalisierung gespart hat.
Jedes ESTW kann Hochsignallisieren
ffz, Freitag, 04.10.2024, 18:38 (vor 8 Tagen) @ michael_seelze
Ist diese Funktion bei allen Stellwerken mit Ks-Signalen verfügbar oder gibt es auch Stellwerksbauformen, bei denen zwar nach Stellen der Ausfahrt das Einfahrsignal von Ks2 auf Ks1 zeigt, das Zs3 aber weiter die Kennziffer für den beim Stellen der Einfahrt gewählten Durchrutschweg.
Hallo,
es hat zwar nicht jedes ESTW Ks-Signale, es gibt durchaus nicht wenige ESTW mit H/V Signalen und auch ESTW mit Hl Signalen, aber jedes ESTW mit Ks-Signalen kann hochsignallisieren. Übrigens gibt es auch Relaisstellwerke und Elektromechanische Stellwerke die „Hochsignallisieren“ können, bestimmte Signalbilder werden nur bei gestellter Durchfahrt gezeigt, sogenannte „Durchfahranschaltung“.
Bei Siemens ESTW läuft beim SIMIS B und SIMIS C ESTW die Steuerung der Außenanlagen vollständig bzw Teilweise noch über Relais, deshalb sind beide Bauformen nicht ETCS Level 2 fähig.
Rein technisch kann auch ein Relaisstellwerk Ks-Signale steuern, das macht nur wenig Sinn, weil ein Relaisstellwerk keine Mehrabschnittssignallisierung steuern kann.
Gruß
Jedes ESTW kann Hochsignallisieren
ICE-TD, Freitag, 04.10.2024, 20:42 (vor 7 Tagen) @ ffz
Wenn es die richtige Software hat kann jedes ESTW hochsignalisieren. In Duisburg Hbf funktionierte das z.B. die erste Zeit nicht, wenn da wegen besetztem D-Weg die Einfahrt mit 40 kam wurde anfangs die Geschw. nicht angehoben wenn dieser frei wurde. In Bochum Hbf ist ist/war es ähnlich bei Einfahrt nach Gleis 3 aus Ri Dortmund, manchmal werden anscheinend in neue Software auch alte Fehler wieder reinprogrammiert.
Durchfahranschaltung
Knochendochen, Donnerstag, 10.10.2024, 00:19 (vor 2 Tagen) @ ffz
Wie funktioniert die Durchfahranschaltung? Muss zuerst die Ausfahrt und dann die Einfahrt gestellt werden, damit das funktioniert oder ändert sich wirklich der Signalbegriff am Einfahrsignal in einem höherwertigen, wenn die Ausfahrt gestellt wird?
Durchfahranschaltung
ffz, Donnerstag, 10.10.2024, 19:39 (vor 1 Tag, 13 Stunden, 42 Min.) @ Knochendochen
Wie funktioniert die Durchfahranschaltung? Muss zuerst die Ausfahrt und dann die Einfahrt gestellt werden, damit das funktioniert oder ändert sich wirklich der Signalbegriff am Einfahrsignal in einem höherwertigen, wenn die Ausfahrt gestellt wird?
Hallo,
wie die Durchfahranschaltung funktioniert hängt von der Stellwerkstechnik ab:
Bei Elektromechanischen Stellwerken muss quasi immer erst die Ausfahrt gestellt werden und dann die Einfahrt "drüber"gestellt werden, dann ist der D-Weg ausreichend lang für eine höhere Ein- und Ausfahrgeschwindigkeit.
Bei einem Spurplanstellwerk gibt es bei Nummernstellpulten / DET / Stiftbedienung quasi immer eine "DuFT" Taste mit der die Durchfahranschaltung aktiviert wird. Bei Stelltischen und Dr S2/S3 Stellwerken muss auch zum großen Teil erst die Ausfahrt und dann die Einfahrt "drüber" gestellt werden. Ist in der Regel auch in der Beschreibung für das jeweilige Stellwerk entsprechend beschrieben ob es eine "Durchfahranschaltung" gibt und wenn ja wie die bedient wird.
Gruß
2.3 Das Hl-System
Knochendochen, Dienstag, 01.10.2024, 15:46 (vor 11 Tagen) @ Knochendochen
Die Hl-Signale (Hl steht für Lichthaupt- und Lichtvorsignale) sind neben dem H/V- und dem Ks-System das dritte große Signalsystem für das Eisenbahnsystem in Deutschland. Es gib zwar noch das Sv-System und das Sk-System, aber das sind beides nur Randerscheinungen. Ersteres gibt es nur noch bei der S-Bahn Hamburg und Zweiteres nur noch auf der Strecke Augsburg – Donauwörth. Das Hl-System kommt in Deutschland ausschließlich im Zuständigkeitsbereich der ehemaligen Reichsbahn zum Einsatz, aber auch in anderen ehemaligen Ostblockstaaten, die in der „Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahnen“ (OSShD) organisiert waren.
Das Hl-System hat mit dem Ks-Sytem gemein, dass es die Fähigkeit zur Mehrabschnittssignalisierung besitzt, denn auch im Hl-Sytem gibt es Signale mit Haupt- und Vorsignalfunktion sowie auch reine Hauptsignale und reine Vorsignale. Auch Hochsignalisierung ist möglich. Mit dem H/V-System hat es gemein, dass Geschwindigkeitssignalisierung existiert (im Gegensatz zum Ks-System). Im Hl-Sytem ist diese jedoch deutlich feiner abgestuft, denn es kann zwischen Streckengeschwindigkeit, 100 km/h, 60 km/h, 40 km/h unterschieden werden, während beim H/V-System ohne ein zusätzliches Zs 3 durch Hp 2 nur 40 km/h signalisiert werden kann.
Wie funktioniert das Hl-System nun? Es gibt für Vor- und Hauptsignal jeweils 4 verschiedene (an Hauptsignalen mit Hp 0 natürlich 5, denn „Hl 0“ existiert nicht) Signalisierungsmöglichkeiten, die beliebig miteinander kombiniert werden können, sodass es insgesamt 17 verschiedene Signalbegriffe gibt. Darin offenbart sich schon die – in meinen Augen – hohe Komplexität des Ganzen. Das H/V System kommt mit 6 Signalbegriffen aus, das Ks-System sogar nur mit 3. Zurück zum Thema: Der Signalschirm wird in zwei Teile geteilt – die oberen zwei Lampen dienen der Vorsignalisierung, der Rest darunter gibt an, was ab dem Signal an gilt, nimmt also die Hauptsignalfunktion war. Die 4 Möglichkeiten für den Vorsignalteil sind nun: Vmax erwarten (grünes Licht), 100 km/h erwarten (grünes Blinklicht), 40 oder 60 km/h erwarten (gelbes Blinklicht), Halt erwarten (gelbes Licht). Für die Lampen darunter gibt es folgende Möglichkeiten: Fahrt mit Vmax (gar kein Licht), Vorbeifahrt mit 100 km/h (gelbes Licht mit grünem Lichtstreifen darunter), Vorbeifahrt mit 60 km/h (gelbes Licht mit gelbem Lichtstreifen darunter), Vorbeifahrt mit 40 km/h (ein gelbes Licht) und Halt (rotes Licht, wie in allen anderen Signalsystemen).
Soll ein Mehrabschnittssignal (also eines mit Haupt- und Vorsignalfunktion) jetzt also z.B. anzeigen, dass an diesem Signal noch mit 100 km/h vorbeigefahren werden darf, aber am nächsten Hauptsignal 60 oder 40 km/h zu erwarten sind würde das Signalbild aus einem gelben Blinklicht über einem gelben Licht mit grünem Lichtstreifen darunter bestehen. Das wäre dann Hl 8. Die Unterscheidung, was ein reines Vor- oder Hauptsignal oder Kombinationssignal ist findet analog zum Ks-System über die Mastschilder statt. Einzelne Lampen, die an bestimmten Signalen nicht benötigt werden, sind entweder nicht vorhanden oder verdeckt (z.B. benötigt ein reines Vorsignal ja den ganzen unteren Teil nicht). Die einzelnen Signalbegriffe werde ich jetzt nicht alle einzeln durchexerzieren, die könnt ihr euch auf Wikipedia anschauen, falls es euch interessiert: https://de.wikipedia.org/wiki/Hl-Signalsystem .
Auf einige interessante Gegebenheiten möchte ich aber trotzdem noch eingehen.
Hl 1: Wenn Hl 1 an einem reinen Hauptsignal gezeigt wird, kann der Tf das Signal rein optisch nicht von einem Hp 1 oder Ks 1 unterscheiden. Ist aber kein Problem, weil die Aussage in allein drei Fällen der selbe ist: Der Abschnitt bis zum folgenden Abschnitt darf mit Vmax befahren werden.
Hl 3a: Sieht optisch dem Hp 2 und Vr 2 sehr ähnlich, eine gegenseitige Verwechslung wäre hier problematisch, weil die Aussagen verschieden sind. Die Unterscheidung kann aber über die Mastschilder stattfinden, da Hl 3a nur an Mehrabschnittssignalen gezeigt werden kann und Vr 2 nur an reinen Vorsignalen. Hat das Signal eine Vorsignaltafel Ne 2 ist also klar, dass es sich um ein Vr 2 handelt, hat es z.B. ein ein weiß-rot-weißes Mastschild, ist es ein Hp 2 und besitzt das Signal ein mit der Spitze nach unten weisendes gelbes Dreieck handelt es sich um ein Hl 3a.
Hl 4: Hier könnten Probleme mit der Unterscheidung zum Ks 1 auftreten, da das Signalbild in beiden Fällen ein grünes Blinklicht ist. Auch hier ist aber eine Verwechslung unwahrscheinlich, da Ks 1 nur als grünes Blinklicht gezeigt wird, wenn am Signal ein Zs 3v, also ein Geschwindigkeitsvoranzeiger gezeigt wird. In allen anderen Fällen handelt es sich um ein Hl 4.
Hl 10: Das Signal Hl 10 ist nicht vom Signal Ks 2 zu unterscheiden. Hier aber wieder unproblematisch, da in beiden Fällen die Aussage „Halt erwarten“ ist.
Hl 12a: Das Signal Hl 12 a sieht dem Vr 0 ähnlich. Die Aussagen sind verschieden, also wäre eine Verwechslung hier wieder problematisch. Da Hl 12 a aber nur an Mehrabschnittssignalen gezeigt werden kann (also mit mit der Spitze nach unten weisendem gelben Dreieck als Mastschild) und Vr 0 nur an reinen Vorsignalen (mit Ne 2) ist eine Verwechslung ausgeschlossen.
Quelle ist das Signalbuch (Ril 301) Modul 301.0103.
Grüße
Knochendochen
3. Stellwerkstechnik
Knochendochen, Donnerstag, 10.10.2024, 00:15 (vor 2 Tagen) @ Knochendochen
Stellwerke – als Fahrgast bekommt man von ihnen – außer sie geben mal den Geist auf – nicht viel mit und doch sind sie aus dem Bahnbetrieb nicht wegzudenken. Stellwerke sind die Schaltzentralen des Bahnbetriebs, wo alle Leitungen zusammenlaufen; die Fahrdienstleiter – oder wie es im Marketingsprech heißt: Zugverkehrssteuerer – als Bediener der Stellwerke sind die Fluglotsen der Schiene, die ersten Ansprechpartner bei Störungen und Dirigenten des Regelbetriebs. Kurz gesagt: ohne Stellwerke geht bei der Bahn nix. Doch was genau sind eigentlich Stellwerke, was ist ihre Aufgabe und welche Arten gibt es? Das möchte ich in diesem Beitrag besprechen.
Selbstverständlich gibt es für den Begriff Stellwerk eine offizielle Definition. Diese findet sich in der Ril 482 (Signalanlagen bedienen) im Modul 482.0009:
„Ein Stellwerk ist eine bauliche und technische Einrichtung in dem die Bedienungs- und Überwachungseinrichtungen der sicherungstechnischen Außenanlagen zusammengefasst sind. Zum Ausschluss gefährdender Fahrten werden im Stellwerk Abhängigkeiten zwischen den Weichen, Riegeln, Gleissperren und Signalen hergestellt.“
Ein Stellwerk hat also drei Hauptaufgaben, neben dispositiven Aufgaben: die zentrale Bedienung der Außenanlagen (Weichen, Signale, Bahnübergänge etc.), die Überwachung der Außenanlagen durch verschiedene Melder und die Sicherstellung der Signalabhängigkeit. Was unter den ersten beiden Punkten gemeint ist, ist denke ich selbsterklärend. Im Stellwerk gibt es verschiedene Hebel, Schalter, Tasten und Schaltflächen (im ESTW), mit denen die Außenanlage bedient werden kann (z.B. eine Weiche umgestellt werden kann) und Melder (in verschiedenen Farben leuchtende oder blinkende Anzeigen, akustische Hinweise, Stellung von Hebeln) durch Auswertung derer der aktuelle Zustand der Außenanlage festgestellt werden kann (z.B. der Sicherungszustand eines Bahnübergangs). Um zu verstehen, was es mit der Signalabhängigkeit auf sich hat, müssen wir etwas weiter ausholen.
Die Signalabhängigkeit ist ein extrem wichtiger Begriff im Eisenbahnbetrieb, denn er beschreibt die grundlegende Sicherung von Zugfahrten auf Fahrstraßen. (Auf den Begriff der Fahrstraße werde ich in einem anderen Beitrag nochmal genauer eingehen.) Der Fahrdienstleiter stimmt der Vorbeifahrt eines Zuges an einem Hauptsignal in der Regel durch dessen Fahrtstellung zu. Bevor er dies tut, muss natürlich sichergestellt sein, dass alle Bedingungen für die sichere Durchführung der Zugfahrt gegeben sind. Dazu gehört unter anderem die Feststellung, dass alle befahrenen Weichen und Flankenschutzeinrichtungen sich in der richtigen Stellung befinden, neben der Feststellung, dass der folgende Abschnitt frei ist, was aber nichts mit Signalabhängigkeit zu tun hat. Flankenschutzeinrichtungen sind signaltechnische Einrichtungen, welche sicherstellen, dass es zu keiner Gefährdung einer Zugfahrt von der Seite (Flankenfahrt) kommen kann. Dazu zählen z.B. Weichen, denn sie können, wenn sie in abweisender Stellung sind, verhindern, dass ein Fahrzeug dem Zug in die Seite fährt. Des Weiteren muss sichergestellt sein, dass das alles so bleibt, bis der Zug weg ist (sonst könnte es ja zum gefährlichen Umstellen einer Weiche unter einem Zug kommen). Nun könnte man meinen, dass der Fahrdienstleiter einfach alle Weichen und Flankenschutzelemente so einstellt, wie er sie braucht, nochmal prüft, ob alles passt und dann das Signal auf Fahrt stellt. Auch wenn natürlich hohe Anforderungen die Zuverlässigkeit betreffend an Fahrdienstleiter gestellt wird, wäre eine solche Verfahrensweise, bei der der Fahrdienstleiter schon im Regelbetrieb die volle Sicherungsverantwortung hat, viel zu unsicher und auf großen Stellwerken auch vom Arbeitspensum gar nicht schaffbar. Eine Weiche steht halt doch mal falsch und dann kracht es, wenn es blöd läuft.
Hier kommen die Stellwerke ins Spiel. Stellwerke sorgen technisch dafür, dass die Hauptsignale sich erst auf Fahrt stellen lassen, wenn „alles passt“, also alle Weichen und Flankenschutzeinrichtungen richtig gestellt sind, stellen also eine Abhängigkeit – die Signalabhängigkeit – zwischen den Hauptsignalen und den dazugehörigen Weichen und Flankenschutzelementen her. Dazu überprüft das Stellwerk die Stellung von ebenjenen und gibt das Signal erst frei, wenn „alles passt“ und sorgt auch dafür, dass die Elemente verschlossen – also unbedienbar – bleiben, bis der Zug weg ist. Wenn das Hauptsignal auf Fahrt kommt oder sich auf Fahrt stellen lässt, kann sich der Fahrdienstleiter also davon ausgehen, dass Weichen und Flankenschutzeinrichtungen richtig stehen. Ein Teil der Sicherungsverantwortung fällt so vom Fahrdienstleiter aufs Stellwerk: Der Fahrdienstleiter muss nicht jede Weiche überprüfen, sondern ein Blick auf den Fahrtmelder des Signals reicht. Im Störungsfall kann es natürlich Abweichungen davon geben, z.B. wenn das Signal partout nicht auf Fahrt kommen will, obwohl alle Bedingungen gegeben sind. Dann muss der Fahrdienstleiter unter Umständen wieder jedes Element einzeln überprüfen und anschließend die Vorbeifahrt am haltzeigenden Signal mit Ersatzsignal oder Befehl erlauben. Dann liegt die Verantwortung wieder voll beim Fahrdienstleiter, welcher durch betrieblich Ersatzmaßnahmen sicherstellen muss, dass die Zugfahrt genauso sicher wie auf Hauptsignal durchgeführt werden kann. Wenn ihr mal wieder auf freier Strecke steht und es nicht weitergeht, könnte das zum Beispiel daran liegen. Vielleicht starrt der Fahrdienstleiter gerade zum dritten mal fieberhaft auf die Fahrstraße um sicherzugehen, dass auch alles wirklich absolut sicher passt und ihr sicher fahren könnt. Auch für Signalabhängigkeit gibt es natürlich eine hochoffizielle Definition, die ich euch nicht vorenthalten möchte:
„Ein (Haupt-) Signal darf sich erst dann auf Fahrt stellen lassen, wenn alle zu der betreffenden Zugstraße gehörenden Weichen, Riegel und Flankenschutzeinrichtungen sich in der für die Fahrt erforderlichen Stellung befinden und verschlossen sind, diese solange in dieser Stellung verschlossen gehalten werden, wie sich das Signal in der Fahrtstellung befindet und dass alle zur Zugstraße gehörenden Einrichtungen auch nach Rückstellung des Signals so lange verschlossen bleiben, bis die ordnungsgemäße Auflösung erfolgt ist.“
Anhand der Art, wie diese Signalabhängigkeit hergestellt wird, und der Bedienung lassen sich die verschiedenen Stellwerkstechniken unterscheiden. Bei mechanischen Stellwerken gibt es den sogenannten Verschlusskasten mit Schubstangen und Verschlusstücken, die wie bei einem Puzzel ineinandergreifen, sodass der Signalhebel mechanisch blockiert ist, wenn irgendeinen Element nicht richtig steht und umgekehrt die Hebel der Elemente blockiert werden, wenn die Fahrstraße noch nicht aufgelöst ist. Bei elektromechanischen Stellwerken wird die Signalabhängigkeit in den meisten Fällen auch noch mechanisch hergestellt, allerdings wird nicht mehr über mit über Drahtzugleitungen mit den Außenanlagen verbundenen Hebeln durch Muskelkraft wie bei mechanischen Stellwerken, sondern elektrisch über drehbare Hebel bedient. In Relaisstellwerken wird die Signalabhängigkeit über Relais hergestellt, bedient wird mittels Zug- oder Drucktasten auf einem Stelltisch oder an einer Stellwand. Bei elektronischen Stellwerken wird die Signalabhängigkeit über redundant ausgelegte Rechner hergestellt und mit Maus und Tastatur an einem Bildschirm bedient.
Früher war es übrigens durchaus so, dass die Signalabhängigkeit nicht gegeben war. In der Anfangszeit der Eisenbahn musste das Zugpersonal vor jeder Weiche anhalten, aussteigen und diese selbst umstellen. Mit zunehmendem Verkehrsaufkommen wurde das unpraktikabel, sodass es „Weichensteller“ gab, die an den Weichen positioniert wurden und diese entsprechend umgestellt haben. Dies gestaltete sich aber auch relativ problematisch, weil es durch Missverständnisse zwischen Zugpersonal und verschiedenen Weichenstellern zu Unfällen kam und dieses Verfahren, wenn man nicht an jeder Weiche einen „Weichensteller“ positionieren will, sehr personal- und zeitintensiv war. Außerdem waren die Mitarbeiter ständig dem Wind und Wetter ausgesetzt. Diese Probleme trieben die Entwicklung von Stellwerken voran, denn von dort aus konnten die Anlagen zentral, witterungsgeschützt, personalsparend und unter Einbeziehung von technischer Sicherung bedient und überwacht werden.
Die gleiche Motivation treibt auch heute noch die Entwicklung der Stellwerkstechnik voran. Durch technische Innovation wird die Stellwerkstechnik immer sicherer und steuert immer größere Bereiche mit weniger Personal bei gleichzeitiger Kapazitätssteigerung. Während die mechanischen Stellwerke nur einen räumlich sehr begrenzten Bereich steuern können (bedingt durch betriebliche Zwänge: Stellbereich muss einsehbar sein aufgrund fehlender Gleisfreimeldeanlage und technische Zwänge: Drahtzugleitungen können nicht beliebig lang sein, ohne einen unstemmbaren Kraftaufwand bei der Hebelbedienung zu verursachen), in der Regel nur einen Bahnhof/Abzweigstelle/Überleitstelle/Blockstelle oder sogar nur Teile eines Bahnhofs, dehnen sich die Stellbereiche von Elektronischen Stellwerken teilweise über mehr als 100 km aus und sind prinzipiell unbegrenzt. In Elektronischen Stellwerken mit Zuglenkung überwachen die Fahrdienstleiter eigentlich nur noch die ordnungsgemäße Funktion des Stellwerks, während die Fahrstraßen automatisch einlaufen.
Obwohl diese Entwicklung schon sehr weit fortgeschritten ist, gibt es im Netz der InfraGO AG immer noch massig Alttechnik. Von den ca. 2.600 Stellwerken sind noch ungefähr 30 % mechanisch, 45% Relaisstellwerke und nur ca. 20% ESTW. Allerdings muss erwähnt werden, dass diese Zahlen das Bild verzerren, denn der Stellbereich aller ESTWs ist in Summe trotzdem viel größer als der aller mechanischer Stellwerke, weil der Stellbereich jedes einzelnen ESTWs größer ist.
Das war es zu Stellwerken allgemein, bis zum nächsten Mal!
Grüße
Knochendochen
3. Stellwerkstechnik - Stellbereiche sind nicht unbegrenzt
ffz, Donnerstag, 10.10.2024, 19:59 (vor 1 Tag, 13 Stunden, 22 Min.) @ Knochendochen
Hallo,
deine Anmerkung dass der Stellbereich eines ESTW technisch unbegrenzt ist, ist so falsch!! Der Stellbereich eines ESTW-A ist genau wie der eines Spurplanstellwerkes begrenzt und liegt je nach örtlichen Gegenbenheiten bei 8 - 10 Kilometer maximaler Stellentfernung. Das hat mit dem ohmschen Wiederstand in den Kablen zu tun, bei noch größerer Stellentfernung wäre der "Laufweg" von Stellbefehl bis hin zur Rückmeldung so lang, dass das technisch zu unsicher ist. Das gilt übrigens auch teilweise für Blocksignale, bei Zentralblocksignalen ist die maximale Stellentfernung zwischen 10 und 12 Kilometern, bei Selbstblocksignalen ist es technisch tatsächlich egal, weil die so zu sagen ihr "eigenes Stellwerk" haben. Du kannst aber durchaus von einem ESTW-Z mehrere ESTW-A fernsteuern und so den Stellbezirk vergrößern, allerdings ist trotzdem technisch gesehn jedes ESTW-A für sich ein autarkes eigenes Stellwerk, da ist nur kein Ortsbetrieb möglich. Auch bei Spurplanstellwerken kann man auf Fernsteuerungen zurück greifen, teilweise mit möglichem Ortsbetrieb, teilweise ohne.
Lediglich beim DSTW ist technisch gesehen die maximale Stellentfernung unbegerenzt, weil man nicht mehr über Kupferkabel arbeitet, sondern über LWL-Kabel und man sich ein Cloudnetzwerk baut.
Rein von der Technik her ist die Steuerung vom Bedienplatz in der BZ zur ESTW UZ eine Fernsteuerung, wobei in der ESTW-UZ ein Ortsbetrieb möglich ist. Von der ESTW-UZ werden dann die einzelnen ESTW-A ferngesteuert. Alternativ gibt es vom ESTW-A die Möglichkeit eines abgesetzten Bedienplatzes, dann gibt es nur einen EAM, kein ESTW-Z/ESTW-UZ.
Gruß