Schweizer Grenzerlebnisse im Centovalli und Jura (1/3) (Reiseberichte)
Da ich im Mai schon ziemlich verplant war, bekam ich Lust auf eine kleine Wochenendeskapade vor oder nach Ostern. Eigentlich lagen meine Wunschziele im Jura, entweder die Ligne des Hirondelles oder Besançon. Leider wurden mir diese durch SEV auf diversen Strecken vermiest. Da erinnerte ich mich an den Tipp aus dem Forum, zur Centovallibahn im Tessin außerhalb der Vegetationsperiode zu fahren, wenn man etwas aus dem Zug sehen will. Also buchte ich als spontane Frustreaktion statt dem Jura ein Wochenende am Lago Maggiore. Die umwegige Anreise erfolgt samstags mit Pause in Luzern und Fahrt über die klassische Gotthardstrecke nach Locarno, die Rückfahrt mit der Centovallibahn und durchs Wallis.
Tag 1: Karlsruhe – Basel – Luzern – Locarno
Los geht es morgens recht zeitig kurz vor 7 Uhr am Karlsruher Hbf. Am Vortag bekam ich von der DB die Meldung, mein ICE fahre mit fast einer Stunde Verspätung wegen verspäteter Personalbereitstellung in Berlin. Ganz optimistisch habe ich mir trotzdem den Wecker für die Planabfahrt gestellt und ist mein Zug heute Morgen pünktlich im System. Somit kann die Reise pünktlich, aber freundlicherweise mit aufgehobener Zugbindung starten.
In Basel SBB erfolgt der Umstieg vom ICE auf einen Twindexx Express als IC Richtung Lugano.
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Mit dem könnte ich durchfahren bis Bellinzona und wäre schon vor 12 Uhr an meinem Tagesziel Locarno. Da das etwas langweilig wäre, habe ich aber noch einige Umwege eingebaut. Beim Rumprobieren, welche Umwege bei der DB bepreisbar und ohne Aufpreis sind, bin ich auf die Nebenstrecke von Langenthal über Huttwil nach Luzern gestoßen. Dazu muss ich in Olten umsteigen und für eine Station einen IR der SOB nach Langenthal nehmen, wegen knappen Umsteigezeiten ohne Bild vom Zug. In einem solchen SOB-Traverso werde ich nachher über den Gotthard noch deutlich mehr Zeit verbringen.
Nach Olten wird die Aare bei strahlendem Sonnenschein überquert. Die Wetterprognose ließ mich deutlich übleres Wetter befürchten.
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Hier bin ich schon im modernen Flirt der BLS als S-Bahn nach Luzern.
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Die Strecke führt gemütlich durchs Schweizer Mittelland. Die Aufschrift auf dem Heißluftballon legt nahe, dass auch hier, nicht weit vom Emmental, der beliebte Käse mit den Löchern produziert wird.
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Kurz später folgen dann die passenden Kühe für den Emmentaler.
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In Wolhusen wird die S-Bahn aus Langenthal mit dem RE aus Bern gekuppelt und fährt als RE weiter. Dieser wartet auf der Emmebrücke unsere Einfahrt ab.
Nach dem nächsten Halt ist das Kloster Werthenstein zu sehen.
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Nach etwas über einer Stunde Fahrzeit mit der BLS bin ich kurz nach 11 Uhr in Luzern angekommen. Vom alten Empfangsgebäude ist nicht mehr viel übrig.
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Eigentlich hatte ich hier eine Stunde Aufenthalt geplant. Die schlechtere Wetterprognose südlich der Alpen und die freundlicherweise ohne Not durch die DB aufgehobene Zugbindung, bewegen mich aber dazu, eine zweite Stunde im sonnigen Luzern dran zu hängen. Direkt am Bahnhofsvorplatz beginnt schon der Vierwaldstättersee mit dem Rigi im Hintergrund.
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In der anderen Richtung liegt die berühmte Kapellbrücke.
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Reussabwärts folgen eine weitere Holzbrücke und der Rest der Stadtmauer. Da will ich jetzt hoch.
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Wow, was für eine Aussicht! Der Bahnhof ist auch zu finden.
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In die andere Richtung ist die Reussbrücke der SBB-Strecke nach Immensee zu sehen. Im nächsten Bild ist dann die Stadtmauer aus der Bahn von der Brücke zu sehen.
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So sieht es aus der Bahn aus. Leider hat sich der blaue Himmel über Luzern inzwischen verabschiedet.
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Da der Fernverkehr Richtung Gotthard leider über die weniger sehenswerte Strecke über Rotkreuz nach Arth-Goldau fährt und ich da auch schon auf dem Weg nach Mailand mal langgefahren bin, fahre ich mit der S-Bahn auf der Nebenstrecke entlang des Vierwaldstättersees über Küssnacht nach Arth-Goldau weiter. Aus der sieht der Rigi dann so aus.
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Keine 10 Minuten später folgt mit dem Zuger See schon der nächste See.
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See + (kleiner) Berg + Kühe = Bilderbuchschweiz
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Arth-Goldau kommt in Sicht. An dem Bahnknoten erfolgt mein letzter Umstieg für heute.
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Zu meiner positiven Überraschung war die S-Bahn dieser Domino. Mit der Auslieferung der neuen FLIRT dürfte deren Zeit auch langsam zu Ende gehen.
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Auf der Züricher Bahnhofsseite kreuzen ein Twindexx Express nach Lugano und ein Giruno als EC nach Frankfurt.
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Ihr kennt das bestimmt. Bei der einen Bahnreise sammelt man schon wieder x Ideen für die nächsten. Mit geht das hier so mit der Rigibahn. Da muss ich auch irgendwann mal hoch.
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Aber nicht heute. Mein IR nach Locarno in Form eines Traverso der SOB steht schon im Bahnhof. Also nichts wie hin!
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Da man mit dem EC nach Italien seit seiner Eröffnung durch den Basistunnel fährt, habe ich bis jetzt nur einmal nach einer Fahrt mit der Matterhorn-Oberalp-Bahn die Gotthardnordrampe von Göschenen nach Norden befahren ( https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?030,10496742 ), die Südrampe jedoch noch nicht. Deshalb wähle ich heute die langsame Verbindung über die Altstrecke. Beim der dritten und letzten Perspektive auf das berühmte Kirchlein von Wassen bin ich noch auf der Nordseite.
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Hier bin ich dann auf der Südrampe im Tessin angelangt.
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Vor Locarno sieht es schon mediterraner aus.
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Mein Traverso nach der Ankunft in Locarno.
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Eigentlich war mein Plan, auf der italienischen Seite des Lago Maggiore zu übernachten. Überraschenderweise war aber die Jugendherberge in Locarno günstiger und passt auch deutlich besser in die Reiseplanung. Auf dem Weg dorthin finde ich auf der zentralen Piazza Grande Spuren der Centovallibahn. Ursprünglich führte sie mitten durch die Altstadt. Später wurde sie südlich um sie herumgeführt, um schließlich unter die Erde verlegt zu werden.
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Direkt hinter der Jugendherberge liegt die Tunnelstation San Antonio der Centovallibahn. Dummerweise ist diese zwecks barrierefreien Umbaus geschlossen.
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Eigentlich war ich fest davon überzeugt, auf ihrer Website gelesen zu haben, dass die Standseilbahn von Locarno heute nach Bauarbeiten wieder eröffnet wird, und hatte mich darüber noch gefreut. Vor Ort musste ich dann leider feststellen, dass sie erst in vier Tagen am Mittwoch wiedereröffnet. Entweder ich habe mich verlesen oder es gab eine kleine Verzögerung. Mit dem schienengebundenen Nahverkehr habe ich in Locarno jedenfalls kein großes Glück. Stattdessen fahre ich mit dem Bus hoch, der für mich als Übernachtungsgast mit dem Ticino Ticket kostenlos nutzbar ist. Die Stadtbusse werden wie die Centovallibahn von dem Unternehmer mit dem lustigen Namen FART betrieben.
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Da will ich hin: der Sacro Monte (heiliger Berg) mit der Wallfahrtskirche Madonna del Sasso. In der Region um den Lago Maggiore gibt es mehrere dieser Sacri Monti. Einige italienische gehören sogar zum Welterbe, die beiden Schweizer hier und in Brissago am Lago Maggiore dagegen nicht.
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Das wäre mein Preis gewesen: die Funicolare.
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Die Aussicht auf den Lago Maggiore und die Stadt ist super. Es handelt sich sogar um ein Bahnhofsbild mit Zug.
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Nach unten gehe ich zu Fuß und bin ganz froh, dass ich den Kreuzweg nicht bergauf gehen musste.
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Da der Kreuzweg in Bahnhofsnähe endet, schaue ich dort nochmal kurz vorbei und wage einen Blick auf mein morgige Verkehrsmittel: die Centovallibahn
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Ein Traum in braun und grau.
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Vom Seeufer sieht Locarno dann so aus. Rechts oben ist die Wallfahrtskirche.
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Eigentlich bin ich mit ausreichend Proviant eingedeckt, um die hohen Schweizer Preise zu umgehen. Vor Ort stelle ich dann überrascht fest, dass die Preisdifferenz zu Deutschland bei vielen Restaurants von Fleischgerichten abgesehen gar nicht mehr so extrem ist wie in meiner Erinnerung. Ich bezweifle mal, dass die Preise in der Schweiz gefallen sind. Somit werde ich doch schwach und kehre bei Pasta und Tessiner Rotwein ein.
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Morgen ist Palsonntag. Das war vorhin in Madonna del Sasso dank ausliegenden Olivenzweigen schon kaum zu übersehen und auf dem Heimweg zur Jugendherberge stolpere ich noch in eine Jugendprozession. Im Mittelraum wird der Glaube oft noch deutlich sichtbarer gelebt als bei uns. Es ist nicht die erste Prozession, in die ich zufällig gerate. 2019 in Enna auf Sizilien war es die Settimana Santa vor Ostern ( https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?030,10752039 ), 2022 in Barcelona das Fest der Stadtpatronin Santa Eulalia ( https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?030,10644478 ). Den Gottesdienst spare ich mir dann aber mit Blick auf die Uhr, da mein Tag hat heute Morgen recht früh begonnen hat.
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Im nächsten Teil geht es dann mit einem Umweg durch Italien schon wieder zurück.