Warum ist der (I)RE200 so pünktlich? (Allgemeines Forum)
Mike65, Montag, 03.03.2025, 23:43 (vor 19 Tagen)
Nachdem hier immer wieder die Unzuverlässigkeit von Zügen thematisiert wurde, hier mal ein Gegenbeispiel: Der (I)RE200 zwischen Ulm und Wendlingen. Ich nutze den Zug in beiden Richtungen inzwischen relativ häufig und bin noch nie mehr als 5 Minuten zu spät angekommen. Oft trifft er sogar 1-2 Minuten vor Plan in Wendlingen ein und ermöglicht, den Flughafenbus X10 mit planmäßiger Umsteigezeit von 3 Min. noch zu erreichen. Auch die Statistik im Zugfinder https://www.zugfinder.net/de/zug-RE_200 bestätigt meine Erfahrung. Im vergangenen Februar gab es ganze 3 Mal eine Verspätung von mehr als 6 Minuten.
Was macht diesen Zug so pünktlich, während es z.B. mit dem auch weitgehend auf Schnellfahrstrecken verkehrenden RE1 immer wieder Probleme gibt? Meine Vermutungen:
- Die kurze Laufstrecke, auf der sich kleinere Verspätungen nicht aufsummieren.
- Großzügige Wendezeiten an den Endbahnhöfen.
- Die noch neue Strecke ohne Verschleißerscheinungen an Signalen und Weichen.
- Das ETCS ist zuverlässiger als LZB und PZB.
- Das alte, aber bewährte Wagenmaterial ist weniger störanfällig.
- Die Vectron-Loks sind zuverlässiger als andere Triebfahrzeuge.
Vielleicht ist es auch einfach die Kombination mehrerer günstiger Faktoren.
(I)RE200 genauso (un)zuverlässig wie andere Linien
Silberling, Dienstag, 04.03.2025, 03:03 (vor 19 Tagen) @ Mike65
Der(I)RE200 ist genauso (un)zuverlässig wie andere Linien, da tut sich nicht viel.
Was man auf dem (I)RE 200 erleben kann, in aufsteigender Form:
Das fängt schon in Wendlingen an, wenn Lotto gespielt wird auf welchem Gleis er überhaupt abfährt. Gleis 3, oder heute doch mal wieder Gleis 2 oder Gleis 1? Da geht das Chaos für die aus dem nach Tübingen fahrenden Anschlusszug Umsteigenden aus Stuttgart schon los. Heute Treppe runter oder nicht? Und wenn ja, unten rechts rum oder links rum, je nachdem welches Hauptgleis der (I)RE 200 diesmal blockiert?
Wenn man dann den (I)RE 200 nebenan auf welchem Gleis auch immer noch sieht, stellt sich die Frage, wartet er, kriegt er Ausfahrt, oder kommt noch ein ICE oder die Westbahn von der NBS und er muss sowieso warten und hat damit schon die erste Verspätung?
Was auch vorkommt, Tübinger Zug hält, Türen öffnen sich, in dem Moment leitet der ZUB des (I)RE 200 den Schließvorgang ein. Die rennenden Umsteigewilligenden (hier mal bahnsteiggleich von 2 auf 3) kommen genau dann an die Türen, als die Türen ins Schloss fallen. Sie hämmern, klopfen, schreien, drücken, nichts, der (I)RE 200 fährt ab. Der ZUB des (I)RE 200 hat sekundengenaue Arbeit geleistet, obwohl er den Zug und die Menschen gesehen haben muss, er muss die Dauer des Schließvorgangs und den Weg der Menschen quer über den Bahnsteig wohl genau innerlich berechnet haben. Kundenfreundlich ist etwas anderes. Was dann für eine Wut auf dem Bahnsteig herrscht, muss man selbst erlebt haben.
Die Wagenverfügbarkeit ist auch eine Sache, und da vor allem das Fahradabteil. Nicht immer ist ein Steuerwagen mit Fahrradplätzen dabei. Glück hat man, wenn als Ersatz ein umgebauter normaler Wagen mit teilweise ausgebauten Sitzen und Platz für Fahrrädern vorfindet. Hier ist nur der Ein-/Ausstieg mit den Fahrrädern beschwerlicher. Glück hat man auch, wenn es kein Fahrradabteil gibt, der ZUB aber erlaubt, die Räder in den Einstiegsbereichen abzustellen. Pech hat man, wenn der ZUB es nicht erlaubt und man mit Fahrrädern dann nicht mitfahren darf.
Kommen wir weiter zur "Güterzugkurve", Albvorlandtunnel, Überleitstelle Nabern, das Problem des eingleisigen kilometerlangen Streckenabschnitts. Entweder man muss in Wendlingen auf verspätete entgegenkommende oder einen vorher überholende Züge warten, oder das Ganze auch andersrum. Von Ulm kommend pünktlich bis verfrüht bis Nabern, dort Pause und warten auf verspätete entgegenkommende Züge. Kann auch mal 10 min dauern, sodass auch der Zug nach Stuttgart um .05, wenn er pünktlich ist, weg ist und man in Wendlingen strandet, um dann erst gegen halb die langsame S-Bahn oder gegen .40 den nächsten Zug Richtung Stuttgart zu bekommen.
Dann zu den Betriebstagen des (I)RE 200: soviel SEV wie es schon gab, findet man für eine NBS wohl selten. Ob Tage, Wochen, abends, Wochenende, alles kommt vor. Lustig sind dann ein paar Tage zuvor die automatischen Ansagen im Zug, wann mal wieder die Strecke gesperrt ist. Auch plötzliche Sperrungen kommen vor, vor kurzem muss etwas gewesen sein.
Die SEV-Fahrt in klapprigen alten Gelenk-Citaros in Stadtbusausführung über die A8 nach Ulm tun sich die wenigsten an. Ca. zu 50% fahren auch Reisebusse, aber wenn man nicht weiß was kommt, tut man sich das nicht an, ganz zu schweigen von der Fahrtdauer. Da bleibt nur verzichten oder wieder über die Geislinger Steige.
Der Höhepunkt ist aber immer noch wenn es zu einem ETCS-Problem während der Fahrt kommt.
Folgendes Erlebnis vor anderthalb Jahren: Abfahrt in Ulm, Halt in Merklingen, alles relativ ohne Probleme. Abfahrt in Merklingen, es kommt der Steinbühltunnel (4847m), die Filstalbrücke, weiter geht die Fahrt in den Boßlertunnel, es ist später Nachmittag, du denkst in ca. 10 min bist du in Wendlingen.
Ca. 1 Minute nach Einfahrt in den Boßlertunnel, der längste der Strecke (8808m), plötzlich Bremsen, Stillstand. Nichts rührt sich mehr. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in Wirklichkeit wohl nur 1 oder 2 min, Durchsage technisches Problem mit der Zugbeeinflussung, sollte schnell wieder weitergehen. 10 min später Durchsage, Systeme müssen neu gestartet werden. Nach einer halben Stunde tat sich immer noch nichts.
Immerhin saß man nicht im Dunkeln, und ganz wichtig: der Handyempfang war einwandfrei in dieser dunklen Röhre tief unten im Berg. Im Vierer etwas weiter vorne hörte man die Leute nach dem Tunnel googlen, wo man gerade sei. Man kam auf die Länge, und dass man jetzt wohl ungefähr in der Mitte sei. Würde man jetzt 4 km nach vorne laufen müssen oder nach hinten bei einer Evakuierung? Egal, mit einer Stunde Fußmarsch durch die Röhre wäre man wohl dabei. Würde wenigstens die Tunnelbeleuchtung funktionieren?
Dazu ist es zum Glück nicht gekommen. Nach 40 Minuten waren die Systeme wohl wieder soweit einsatzbereit, dass es in Langsamfahrt weiterging. Fuhr man über den Filstalviadukt und in den Boßlertunnel noch bei Tageslicht, empfing einen bei der Ausfahrt aus dem Tunnel die Dunkelheit. Auch das war ein Erlebnis.
Aber festzustecken im längsten Tunnel ungefähr in der Mitte, in einer dunklen engen Röhre tief unten im Berg, ohne zu wissen wann, ob, wie es weitergeht, wünscht man niemanden. Und man hat wieder mehr im Bewusstsein, dass Technik nie allzeit perfekt funktioniert, und sei sie noch so neu und modern.
Fazit: Eine Fahrt über die NBS Wendlingen-Ulm mit dem (I)RE 200 ist genauso ein Abenteuer wie die Fahrt auf anderen Bahnstrecken in Deutschland.
Ich denke beides ist richtig
J-C, Da, wo ich grad gedanklich nicht bin., Dienstag, 04.03.2025, 06:36 (vor 19 Tagen) @ Silberling
bearbeitet von J-C, Dienstag, 04.03.2025, 06:37
Es gibt Leute, die haben nie ein Problem auf der Linie und dann gibt es Leute, die erleben gelegentlich doch die größeren Störungen. Vermutlich wirst du ja nicht von dem berichten, was du auf jeder einzelner Fahrt erlebst.
Außerdem gibt es denke ich schlimmeres, als eine halbe Stunde oder so im Tunnel zu sein. Ich hätt‘s cool gefunden, wenn ich nichts wichtiges verpasst hätte am Ziel. Solange informiert wird, ist alles gut. Wenn es einfach nichts an Information gibt (so wie ich es oft in Österreich erlebe), da werd ich tendenziell unrund
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Umwege erweitern die Ortskenntnis ~ Kurt Tucholsky
Weil er nicht auf Anschlusszüge wartet
Holger2, Dienstag, 04.03.2025, 07:57 (vor 19 Tagen) @ Mike65
bearbeitet von Holger2, Dienstag, 04.03.2025, 07:58
Hallo,
das wurde ja schon beschrieben und ist gerade aus Richtung Stuttgart sehr ärgerlich: Wenn man in Wendlingen ankommt und der Zug fährt gerade weg. Tatsächlich wartet der Zug max. 3 min
Dazu kommt natürlich auch, dass der Zug an praktisch keinem größeren Knotenbahnhof hält.
Insgesamt ist der Nahverkehr in Baden-Württemberg recht pünktlich. Ich sitze gerade im RE1 von Stuttgart und Ulm und der ist eigentlich auch selten zu spät. Unrühmliche Ausnahme sind sicher die MEX von / nach Tübingen.
Das könnte auch an dem relativ großen Puffer von gut 5 min liegen, ähnlich ist es ja beim RE200, der Richtung Ulm etwa 2 min hereinholt und Richtung Wendlingen etwa 5 min
Holger
Warum ist der (I)RE200 so pünktlich?
VT642, Dienstag, 04.03.2025, 09:30 (vor 19 Tagen) @ Mike65
Der bayerische RE1 verkehrt eben nicht überwiegend auf Schnellfahrstrecken und hat deutlich mehr Zwischenhalte; zudem ist auf der Strecke des RE1 mehr Parallelverkehr unterwegs. Der IRE 200 kann unterwegs nur in Merklingen eine Überholung bekommen, beim RE1 ist das in Allersberg, Kinding, Ingolstadt Hbf, Pfaffenhofen, Rohrbach und Petershausen möglich - nicht selten hat der Zug unterwegs mindestens 2 außerplanmäßige Überholungen entweder durch verspäteten FV oder pünktlichen FV bei eigener Verspätung.
Der Abschnitt Ingolstadt-München ist zudem chronisch überlastet durch FV, SPNV und SGV auf der gleichen Strecke - derart viel Parallelverkehr hat der IRE 200 nicht.
Darum ist der (I)RE200 (vermutlich) so pünktlich
PhilippK, Donnerstag, 06.03.2025, 17:43 (vor 16 Tagen) @ Mike65
Aus meiner Sicht sind das mehrere Punkte:
- Strecke ohne Anschlussstellen, Kreuzungen, Bahnübergänge - stark isolierte Infrastruktur mit großem Tunnelanteil
- Kaum Anschlussbeziehungen, auf die gewartet werden müsste
- Wenig Fahrgäste, die Türen blockieren können etc.
- Bewährtes Wagenmaterial mit niedrigem Störungspotential
- Großzügige Wendezeiten (26 Min in Wendlingen, 38 in Ulm)
- Fahrzeitreserven mit Puffer für die eingleisige Strecke (die Fahrt nach Wendlingen braucht schon mal im Fahrplan drei Minuten länger, obwohl es bergab geht und kein Gleiswechsel durchgeführt werden muss)
- Niedrige Streckenauslastung (10 Züge in 2 Stunden - in beide Richtungen)
- Betriebswerk direkt an der Strecke (Ulm)
Gruß, Philipp
Darum ist der (I)RE200 (vermutlich) so pünktlich
JeDi, überall und nirgendwo, Donnerstag, 06.03.2025, 21:26 (vor 16 Tagen) @ PhilippK
[*]Betriebswerk direkt an der Strecke (Ulm)
Um was kümmert sich denn Ulm beim IRE200? Die Vectrons? Die Wagen werden jedenfalls in Stuttgart Stadtpark instandgehalten, Ulm hat keine einstöckigen Wagen im Portfolio.
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Weg mit dem 4744!
Darum ist der (I)RE200 (vermutlich) so pünktlich
611 040, Erfurt, Donnerstag, 06.03.2025, 21:55 (vor 16 Tagen) @ JeDi
Dann ist das der Grund:
- nicht Werkstatt Ulm zuständig xD
Wundert mich aber auch, da die Wagen auch im Werk bzw. auf den Abstellgleisen in Ulm stehen.
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❤ 611, 612, 642, 644, 425, ICE-T, IC1 ❤