Im Schlafwagen an die Adria – oder auch nicht (1/6) (Reiseberichte)
Bei den meisten Fahrten in meinen Reiseberichten gelingt alles ziemlich gut – manche mögen vielleicht denken zu gut. Bei dieser Reise nach Kroatien und Slowenien wird es anders sein. In einem Satz: Meine Erwartungen in die kroatische Bahn waren niedrig, wurden aber noch enttäuscht.
Bei der Planung unseren großen Interrailtour 2022 ( https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?030,10469110 ) fiel meine Aufmerksamkeit auf die den slowenischen Saisonzug nach Pula, jedoch waren wir damals außerhalb der Saison unterwegs. Der Reisebericht von TD hier im Forum vor einigen Monaten weckte dann erneut mein Interesse. Also habe ich über Fronleichnam eine Woche Urlaub genommen und ein Programm drumherum gebaut. Seit der Verlängerung des Nachtzugs nach Stuttgart wollte ich sowieso mal gerne mit dem Kursschlafwagen nach Rijeka fahren. Da die Fahrzeit des Saisonzugs nach Pula aus Richtung Deutschland ziemlich unpraktisch ist und eine Übernachtung in Slowenien erforderlich macht, habe ich deshalb die Anreise über Rijeka geplant. In der zweiten Urlaubshälfte erkunde ich dann den Westen Sloweniens.
Tag 0: Karlsruhe – Stuttgart ( -Rijeka)
Schon vor der Anreise erreicht mich mittags im Büro die erste Hiobsbotschaft: Mein Schlafwagen verkehrt heute als Sitzwagen. Ein Anruf bei der ÖBB-Hotline ergibt auch keine Besserung. Das einzige freie Bett in einem der Schlafwagen nach Zagreb ist in einem Frauenabteil. Auch der Liegewagen nach Zagreb, den ich auf dem Heimweg gebucht habe, fällt aus, was mich leicht beunruhigt.
Auch die Anreise von Karlsruhe nach Stuttgart beginnt holprig. Bei meiner Ankunft am Durlacher Bahnhof wird der IRE mit etwa einer halben Stunde Verspätung angezeigt. Da ich ausreichend Abendessenpause als Puffer eingeplant habe, macht mich das aber noch nicht nervös. Nach Abfahrt erklärt der hörbar zornige Tfz oder Zugchef, dass ein inzwischen beendeter Fehlalarm im längsten Tunnel der SFS und die doofe DB Netz Schuld an dem Chaos seien. Als wir noch die S-Bahn vorlassen müssen, wird seine Stimmung nicht besser. In Stuttgart erfahre ich dann später, dass es gar kein Fehlalarm war, sondern Personen im Tunnel.
Als ich an Deutschlands wohl berühmtester Baustelle ankomme, bleibt mir eine halbe Stunde weniger zum Abendessen.
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Auf Empfehlung meines Bürokollegen kehre ich in Bahnhofsnähe in einem Brauhaus zu Krustenbraten ein.
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Ach ja, eine Woche später war Europawahl. ;-)
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Als ich an meinem Bahnsteig ankomme und dort noch ein IC nach Nürnberg steht, wächst bei mir die Überzeugung, dass wir nicht pünktlich abfahren werden. Bei den Fahrgästen wächst die Verwirrtheit und als dann nach planmäßiger Abfahrtszeit der Nightjet von der Anzeigetafel verschwindet, bricht leichtes Chaos aus. Ein Mitarbeiter der DB klärt mich auf, dass es an diesem Abend neben den Personen im Gleis auf der SFS noch einen zweiten Fall bei Bad Cannstatt gegeben habe und dass jetzt Personal für den IC fehle. Etwas später wird dann ein Gleiswechsel aufs Nachbargleis verkündet und der Zug wird endlich an den Bahnsteig gedrückt. Den Wagen nach Rijeka hatte ich wir anders vorgestellt.
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Immerhin holen wir dank des entspannten Fahrplans bis Augsburg unsere komplette Verspätung auf. Der IC nach Nürnberg muss in der Zwischenzeit mit ca. +45 auch abgefahren sein.
Der ÖBB-Zugchef ist sehr freundlich, kann mir aber leider nicht mal sagen, ob noch weitere Fahrgäste in mein Abteil kommen. Ein Schlafwagenschaffner fährt nicht mit. Immerhin stellt er mir ungefragt eine Bestätigung des Schlafwagenausfalls aus und stellt mir eine saftige Rückzahlung in Aussicht. Ich werde schließlich den kompletten Fahrpreis erstattet bekommen. Ein Schlafwagen wäre mir trotzdem lieber gewesen.
Tag 1: (Stuttgart - ) Rijeka – Lupoglav - Pula
Schließlich bleibe ich alleine im Abteil. Leider lassen sich die Sitze nur wenig ausziehen und besonders appetitlich sind sie auch nicht. Beim Ausziehen kommen jede Menge Krümel zum Vorschein und auch einige Erdnussflips. Alleine um nicht direkt auf den Bezügen liegen zu müssen, hätte ich mich über Bettwäsche gefreut. So finde ich leider wenig Schlaf und noch vor halb 6 ist die Nacht bei Spittal beendet. Seit Salzburg ist mein Wagen am Zugende.
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In Villach werden Fahrtrichtung und Lok gewechselt.
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Bei bewölktem Himmel fahren wir in den Karawankentunnel.
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Auf der slowenischen Seite lacht dagegen der Himmel.
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Nach längerer Pause in Jesenice geht die Fahrt durchs Savetal weiter.
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Während der Fahrt kann ich schneebedeckte Berge sehen, ich vermute mal den Triglav.
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Seit Villach sind wir an der Zugspitze und werden jetzt vom restlichen Zug nach Zagreb rangiert.
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Nachdem wir an die drei slowenischen Wagen des Trägerzugs gekuppelt wurden, wechsle ich dorthin. Dieser wäre mir heute Nacht lieber gewesen: weit ausziehbare, gut gepolsterte, saubere Sitze und für die Nacht nicht so wichtig Übersetzfenster.
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Ein gefliestes Zugklo habe ich vorher noch nie gesehen. Wasser gibt es jedoch keines.
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In Borovnica fotografiere ich die erste Denkmallok. Zahlreiche weitere werden in dieser Woche folgen.
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Bei Borovnica erklimmt die Strecke in einer langgezogenen Kehrschleife, den Karst.
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Die ursprüngliche Trassierung der österreichischen Südbahn führte über ein großes Viadukt über den Ort Franzdorf/Borovnica, das jedoch im zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Auf dem folgenden ist mitten im Ort der letzte erhaltene Pfeiler des Franzdorfer Viadukts zu sehen.
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Nach dem zweiten Weltkrieg wurde dann die heutige Trassierung mit längerer Kehrschleife gebaut, die die Brücke überflüssig macht. Aktuell ist eine neue, die insgesamt dritte, Trassierung mit Tunnel geplant.
Diese Berge bei Postojna werde ich in drei Tagen noch näher zu Gesicht bekommen.
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Bei der folgenden Fahrt über den Karst ist bestes Wetter, hier kurz nach dem Abzweig von der Südbahn bei Pivka.
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Die Burg dürfte Prem sein über dem Tal der Reka sein. Diesem Fluss werde ich in einigen Tagen nochmal aus näherer Entfernung begegnen.
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Hier ein Bild für Formsignalfreunde. Ich lasse mich gerne darüber aufklären, von welcher Bahnverwaltung diese stammt.
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Am Grenzbahnhof Sapjane wird die Lok gewechselt und unsere alte slowenische zurück ins slowenische Netz geschubst.
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Nach längerem Aufenthalt erteilt der Zugchef den Befehl zur Abfahrt.
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Die Abfahrt vom Karst runter an die Adria am offenen Fenster wird zum ersten Highlight des Urlaubs.
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In Opatija Matulji wird mit einem kroatischen Regionalzug gekreuzt.
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Pünktliche Ankunft in Rijeka nach über 14 Stunden. Der Flirt 4 der SZ im Hintergrund dürfte der neue Zug von Triest oder genauer gesagt Villa Opicina sein, der hier 8,5 Stunden auf seine Rückfahrt am Abend wartet.
Der „Schlafwagen“ wird hier vom Trägerzug abrangiert, der nach 38 Minuten nach zurück nach Ljubljana fährt.
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Am Hausbahnsteig steht ein Zug Richtung Ogulin.
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Hier in Rijeka habe ich etwas über 3 Stunden Aufenthalt. Richtig warm werde ich mit der Stadt nicht, die entsetzlich unter einer fußgängerfeindlichen Verkehrspolitik mit viel zu viel Autoverkehr leidet. Die Hälfte der Zeit verbringe ich gefühlt mit der Suche nach Fußgängerüberwegen oder der Wartezeit an Fußgängerampeln. Mangels Frühstück knurrt langsam spürbar mein Magen. An der Markthalle verdrücke ich eine Portion Čevapi.
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Leser meiner Berichte kennen meine Vorliebe für Markthallen. Diese gefallen mir gut.
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Dann quäle ich mich in der Mittagshitze zur Burg Trsat hoch. Auf diesem Berg sollen Engel das Heilige Haus, das Elternhaus Mariens aus Nazareth, geparkt haben, als sie es vor den Muslimen aus dem Heiligen Land retteten. Später sollen sie es in den deshalb bedeutenden Wallfahrtsort Loreto in Italien gebracht haben. Als kleine Wiedergutmachung bekam Trsat vom Vatikan ein bedeutendes Marienbildnis, das seitdem ein wichtiges Wallfahrtsziel ist.
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Außerdem hat man von dort eine schöne Aussicht auf Rijeka und den Kvarner Golf.
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Dann muss ich relativ zügig zum Bahnhof zurück. Von Rijeka bzw. generell dem kroatischen Bahnnetz gibt es leider keine Bahnverbindung nach Istrien. Als Ersatz bietet die HŽPP viermal täglich, am Wochenende nur dreimal täglich, einen Bus durch den Autobahntunnel nach Lupoglav an, wo auf den Zug umgestiegen werden kann. Ein direkter Fernbus nach Pula wäre sicher schneller und einfacher aber man hat ja seine Prinzipien ...
Leider will der Bus partout nicht kommen. Zum Glück warten noch zahlreiche andere Fahrgäste vor dem Bahnhof auf den Bus, sodass ich weiß, dass ich an der richtigen Stelle warte. Das Bahnpersonal am Bahnhof weiß auch nicht, was mit dem Bus passiert. Während der Wartezeit rede ich ein wenig mit einem einheimischen Studenten. Nach ca. 70 Minuten geht mein neuer Bekannter aufs Klo und bittet mich, auf sein Gepäck aufzupassen. Ausgerechnet in diesem Moment kommt der Bus und dann soll alles ganz schnell gehen. Mit Händen und Füßen will ich dem Fahrer und dem „Zugbegleiter“ klarmachen, dass wir noch auf den Kollegen warten müssen. Der Busfahrer hat dafür kein Verständnis, schließlich habe der Trottel doch über eine Stunde Zeit zum Pinkeln gehabt. Eine Frau, die in Rijeka bleibt, bietet an, auf sein Gepäck aufzupassen, was für ihn sicher ein schwacher Trost wäre. Der nächste Bus käme nämlich erst über 3,5 Stunden später. Zum Glück kommt er dann aber angerannt und schafft es noch in den Bus.
Während der Fahrt über die Autobahn sind nochmal schöne Blicke über Rijeka und den Golf möglich.
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Der 5 km lange Učka-Tunnels durch das über 1000 m hohe Učka-Gebirge bekommt übrigens gerade eine zweite Röhre für den Straßenverkehr. Für den Bahnverkehr ist natürlich nichts geplant. Direkt auf seinen Ausgang folgt eine Hangbrücke am beeindruckenden Talkessel Vela Draga, leider im Gegenlicht.
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Irgendwo weiter unten quert auch die stillgelegte Bahnstrecke nach Luka Bršica den Talkessel. Etwas später ist der Talkessel mit der Tunnelausfahrt nochmal zu sehen.
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Was mich am Bahnhof Lupoglav und in den kommenden Tagen erwartet, könnt ihr dann in den folgenden Teilen lesen.