Riedbahn: stufenweise ETCS-Inbetriebnahme (Allgemeines Forum)
Hallo zusammen,
per Presseinformation hat die DB heute erstmals konkret über die Inbetriebnahme von ETCS auf der Riedbahn informiert. Demnach soll das für Fahrten auf der Strecke mit über 160 km/h notwendige Zugbeeinflussungssystem im Dezember zunächst zwischen Mannheim-Waldhof (das liegt bei km 9) und Biblis (bei km 28) in Betrieb gehen. Die übrigen Abschnitte (wohl ungefähr bis zum Ende des bisherigen 200-km/h-Bereichs bei km 69) sollen im 2. Quartal 2025 folgen.
Unter Berücksichtigung des Geschwindigkeitseinbruchs in Mörfelden (km 64) von bislang 200 auf bislang 150, zukünftig immerhin nur noch 160 km/h, verbleiben in Summe fast 40 km, in denen ICE zunächst in der Spitze 40 km/h langsamer fahren dürfen als im Endzustand. (Details und weiterführende Verweise siehe Zusammenstellung auf Wikipedia)
Aus langjährigen Er-Fahrungen ist mir noch in Erinnerung, dass bei bestmöglichem Verlauf die Planfahrzeit zwischen den Hauptbahnhöfen Mannheim und Frankfurt am Main auch ohne aktive LZB eingehalten werden konnte, mit LZB (und somit 200 km/h Spitze) bestand eine Fahrzeitreserve von gut zwei Minuten, konnten bei bestmöglichem Verlauf also zwei Minuten Verspätung herausgefahren werden.
Ein Gutteil dieser Reserve wird im Dezember fehlen. Dem entgegen wirkt jedoch die von 90 auf 110 km/h angehobene Geschwindigkeit in der Kurve Biblis, die allein schon wenige Zehntelminuten bringen dürfte, dazu geringfügige Effekte aus dem vorgenannten Bogen Mörfelden sowie eines näher von Süden näher an Biblis herangezogenen 200-km/h-Abschnitts (soweit ETCS anfänglich den Bahnhof Biblis umfasst und nicht etwa schon südlich davon an der Stellwerks- bzw. RBC-Grenze endet). Insgesamt wird der Fernverkehr jedoch mit etlichen Zehntelminuten weniger Fahrzeitreserve unterwegs sein. So zumindest die Lage nach Literatur.
Eine spannende Perspektive sind auch die weiteren Faktoren der Betriebsqualität: Der erwartete, massive verbesserte Anlagenzustand (viel weniger Störungen), drei zusätzliche Überleitstellen und zumindest offenbar einige wenige größere Geschwindigkeiten in Weichen stehen hier bereits zum Fahrplanwechsel auf der Haben-Seite. Dazu kommt auch eine verbesserte Signalisierung, beispielsweise steht nördlich der Bibliser Kurve nun ein neues Hauptsignal, das eine merklich dichtere Zugfolge eines ICE "hinter" einem vorausfahrenden Regionalverkehrszug erlauben sollte (siehe OpenRailwayMap). Einige neue Signale in Frankfurt Stadion, die bereits Mitte 2024 in Betrieb gegangen sind, sorgen dort für dichtere Zugfolgen und dürften ebenfalls zu Verbesserungen der Betriebsqualität beitragen. Eine genauere Einschätzung dürfte möglich werden, wenn (insbesondere durch Beobachtungen im Feld) die OpenRailwayMap auf Stand gebracht wurde.
Auf der Soll-Seite steht freilich, gerade für den Fernverkehr, das zunächst überwiegend noch nicht aktive ETCS, wodurch Züge weniger vorausschauend fahren und öfters der relativ restriktiven Punktförmigen Zugbeeinflussung (500-/1000-Hz-Beeinflussung) unterworfen werden. Auch dürften sich die Systemlaufzeiten durch den Wechsel von Relais- zu Elektronischen Stellwerken merklich verlängern und auch die Laufzeiten von ETCS gegenüber der LZB eher länger sein. Nicht zuletzt kann in Bereichen ohne ETCS sowie von Zügen ohne ETCS-Ausrüstung auch der teils geplante Hochleistungsblock (noch) ebenso wenig genutzt werden wie beispielsweise die (auch) mit ETCS möglichen elementscharfen Geschwindigkeiten.
Ich bin sehr gespannt, wie sich die runderneuerte Strecke ab Mitte Dezember schlagen wird, gleichwohl zumindest ETCS nur teilweise in Betrieb ist und auch bei der Modernisierung augenscheinlich bei weitem nicht alle Register für mehr Kapazität und Betriebsqualität gezogen wurden.
Viele Grüße
Peter
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unterwegs für freie Eisenbahn-Geodaten