Tagesausflug zum „Teplitzer Semmering“ 2022 – Teil 1 [v. B.] (Reiseberichte)
Hallo,
heute berichte ich von einer Tour, die ich im Oktober 2022 unternommen habe. Sie führt von Erfurt nach Moldava v Krušných horách in Tschechien und wieder zurück – aber natürlich nicht auf demselben Wege.
Den Auftakt bildet ICE 806, Abfahrt 06:48 Uhr ab Erfurt Hbf. Der Zug beginnt in Eisenach und kommt dementsprechend leer in Erfurt an. Doch auch ab der Landeshauptstadt bleibt die Auslastung an diesem Freitagmorgen überschaubar – zumindest in meinem Wagen.
Gute 40 Minuten später ist Leipzig Hbf erreicht. Dort bleiben 20 Minuten Zeit, die ich u. a. dazu nutze, um rein aus Interesse am MRB-Automaten nach einer Fahrkarte zum Grenztarifpunkt Schöna zu suchen. Diese wird angeboten, allerdings benötige ich sie heute nicht.
Weiter ostwärts geht es mit IC 2449, der seine Reise vor anderthalb Stunden in Magdeburg begonnen hat. Auch hier ist es angenehm leer. Die ruhige Fahrt wird von der aufgehenden Sonne begleitet.
Dresden Hbf wird gegen 08:36 Uhr und damit zehn Minuten vor Plan erreicht. Der Zugchef lässt es sich nicht nehmen, in seiner Ansage darauf hinzuweisen. Man solle es allen erzählen – „auch denen, die es nicht hören wollen“.
Die DB Lounge Dresden wird zu diesem Zeitpunkt gerade umgebaut. Als Alternative erhält man im ServiceStore DB ein Getränk und einen Riegel. Der Kaffee kommt mir gerade recht und überbrückt die Wartezeit auf die S-Bahn nach Bad Schandau.
Diese fährt um 09:29 Uhr und ist deutlich stärker ausgelastet als der ICE und IC zuvor. Die Sonne ist weiterhin präsent und sorgt für gute Stimmung.
Das Elbsandsteingebirge mit der Basteibrücke.
Ab Bad Schandau kann man normalerweise mit der U28 (Nationalpark-Bahn) bequem in ca. 30 Minuten nach Děčín fahren. Heute allerdings besteht Schienenersatzverkehr, auf der Schiene war wegen Bauarbeiten nur noch Platz für den EC. Also geht es vom Busbahnhof direkt neben dem Bahnhof mit einem Bus der RVSOE (Regionalverkehr Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) nach Tschechien.
Dazu wird auf die andere Elbseite gewechselt, wodurch sich mal eine andere Perspektive als sonst aus dem Zug ergibt. Das bedeutet aber auch, dass die regulären Zwischenhalte der U28 nicht bedient werden können. Stattdessen wird ein Zwischenhalt in Bad Schandau-Postelwitz und Hřensko - nábřeží eingelegt. Lobend erwähnen muss man, dass der Zugbegleiter der ČD im Bus mitfährt. Zwischendurch werden auch noch Fahrkarten verkauft, so wie es in der Nationalpark-Bahn sonst auch gemacht wird. Außerdem sagt der freundliche Herr die Halte auf Tschechisch und Deutsch an. Vor Děčín wird auf den Anschlusszug nach Prag inklusive Gleisinformation hingewiesen. SEV mit Begleitpersonal habe ich ansonsten nur einmal bei Abellio Mitteldeutschland erlebt. Bis Děčín hat sich der anfangs sehr gut gefüllte Bus wieder ganz gut geleert.
Der besagten Anschlusszug nach Prag ist in diesem Fall R 683 „Labe“. Er ist Teil der Schnellzug-Linie R 20, die im Zwei-Stunden-Takt verkehrt. Eingereiht sind mehrere Bee-272-Wagen mit Großraum und Abteilen, wobei im Großraum eine für die 2. Klasse ungewöhnliche 2+1-Bestuhlung herrscht. Zu den Bee-Wagen gesellt sich ein BDs-Gepäckwagen mit 25 Fahrradstellplätzen und 40 Sitzplätzen in fünf 8er-Abteilen. Die Abteile haben jeweils zwei durchgehende Sitzbänke und versprühen den Charme vergangener Zeiten.
Direkt der Lok ist der Aee-152-Wagen eingereiht, welcher über neun Abteile à sechs Plätze verfügt und die 1. Klasse bildet. Im Gegensatz zu den anderen Wagen gibt es hier WLAN und Steckdosen.
Während der Fahrt machen sich leider dicke Wolken im Elbtal breit.
Nach einer Viertelstunde verlasse ich den Zug in Ústí nad Labem wieder.
Ein „CityElefant“, mit dem man bis nach Prag fahren kann. Fahrzeit: 2:10 Stunden.
Die heutige Tour ist sehr entzerrt, das heißt, ich habe recht viele üppige Umstiege. So ist in Ústí nun eine Stunde totzuschlagen. Ich nutze die Zeit für ein paar Schritte im und um den Bahnhof herum. Der beheizte Warteraum, in dem sich auch die Fahrkartenschalter der ČD befinden, ist gut besucht.
Mein nächstes Zwischenziel ist Teplice v Čechách. Von Ústí kann man entweder mit einem Os oder einem R dorthin fahren. Die Fahrzeit unterscheidet sich nur um vier Minuten. Ich wähle bewusst den R, da ich die noch relativ neuen InterJet-Garnituren noch nicht getestet habe. Es handelt sich um die Linie R 15, welche von Prag über Usti nach Cheb führt. Die Züge tragen den Beinamen Krušnohor – also Erzgebirge. Vor den InterJet-Garnituren kamen verschiedene ČD-Wagen zum Einsatz, u. a. Ex-ÖBB-Abteilwagen.
Vom InterJet bin ich sehr angetan. Das Sitzmodell, das in der 1. Klasse verwendet wird, kommt auch im SuperCity Pendolino zum Einsatz und überzeugte mich schon dort vollends. Angenehm finde ich auch, dass man in der Wagenmitte einmal die Verteilung der Sitze geändert hat, sodass keine röhrenartige Atmosphäre entsteht. Dieses Layout ist aus dem Railjet bekannt. Beide Züge basieren auf der „Viaggio Comfort“-Plattform von Siemens. Dies fällt an diversen Stellen im Zug auf.
In Teplice bin ich zuletzt im Jahr 2020 ausgestiegen, dies ist der Bericht dazu. Das Empfangsgebäude ist mittlerweile „eingerüstet“.
Ich werfe auch einen Blick in die Bahnhofshalle, wo sich auf der Anzeigetafel auch mein Zug wiederfindet. Objekt der Begierde ist Sp 1958 nach Moldava v Krušných horách.
Die Gattung Sp steht für einen Regionalzug, der seltener hält als ein Os. Dieser Zug fährt im Fahrplanjahr 2022 nur samstags und feiertags. Da der 28. Oktober ein Feiertag ist (Tag der Entstehung eines selbstständigen tschechoslowakischen Staates), komme ich an diesem Freitag in den Genuss des Zuges. Er kommt aus Ústí und wird mit der Baureihe 844 (Pesa Link) gefahren, auch bekannt als „RegioShark“. Die Liniennummer T 8 weist bereits darauf hin, dass es sich um eine touristische Linie handelt. Die Strecke von Most nach Moldava ist auch unter dem Namen „Teplitzer Semmering“ bekannt. Die maximale Steigung beträgt 36 ‰, die Höchstgeschwindigkeit 60 km/h.
Neben dem Sp-Zug fahren noch „Brotbüchsen“ (Baureihe 810) der ČD von Most nach Moldava. Im Fahrplanjahr 2023 hat sich übrigens einiges geändert, wie ich beim Schreiben dieses Berichts festgestellt habe: Die Fahrten nach Moldava werden nun von Railway Capital (Os Most – Moldava, Baureihe 810) und GW Train Regio (Sp, Baureihe 628) durchgeführt. Die Verkehrstage wurden zudem ausgedehnt, die Os-Züge fahren 2023 von Ende Mai bis Oktober sogar täglich.
Am ersten Betriebstag der neuen EVU, dem 11. Dezember 2022, kam es auf der Strecke zu einer Sabotage. So waren 60 Meter Gleis in einer Steigung mit Öl eingeschmiert, wodurch der erste Zug von Railway Capital liegenblieb und zurückrutschte. Nachmittags wurde die Strecke durch Steine blockiert. Ermittlungen der tschechischen Polizei führten zu einem ČD-Mitarbeiter, dem drei bis acht Jahre Haft drohen. Quelle: Wikipedia
Das vereinfachte Höhenprofil der Strecke von Most nach Moldava v Krušných horách:
Von myself - http://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_Most%E2%80%93Moldava, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32198483
Zurück zum Oktober 2022: Am Hausbahnsteig steht ein 650, dem man seine Vergangenheit bei der HzL noch ansieht.
Bevor mein Zug kommt, fährt noch der Os nach Děčín ein.
Mein Ausflugs-Sp ist deutlich leerer als erwartet. Mehr als 1-2 weitere Fahrgäste sind nicht an Bord.
Für Bilder vom Innenraum des Zuges ist das natürlich von Vorteil. Die 844 der ČD haben auch eine 1. Klasse mit anderem Sitzmodell und 2+1-Bestuhlung. In beiden Klassen gibt es Steckdosen, außerdem verfügt der Zug über WLAN. In Deutschland habe ich den häufiger mal kritisierten Pesa Link noch nicht genutzt, in Tschechien ist er mir weder negativ noch besonders positiv aufgefallen.
Nicht unbedingt das Wetter, das zu einem Wanderausflug einlädt…
Auf der Fahrt von Teplice nach Moldava kommt es zu zwei Fahrtrichtungswechseln. Der erste findet in Louka u Litvínova statt. Erst dort wechselt der Sp auf den „Teplitzer Semmering“, der von Most kommend dazustößt.
Im weiteren Verlauf wird bewaldetes Gebiet durchfahren.
Der Bahnhof Hrob liegt am Fuße der Steilstrecke. Zwischenzeitlich ist es noch nebliger geworden, was einerseits schade ist, andererseits aber auch eine besondere Stimmung vermittelt.
Hier überqueren wir das Mlýnský viadukt.
Der zweite Fahrtrichtungswechsel findet im Bahnhof Dubí statt. Glücklicherweise klart es mit zunehmender Höhe wieder auf, sodass der Blick aus dem Fenster nicht mehr dem Blick auf eine weiße Wand gleicht.
Die gewonnene Höhe merkt man deutlich. Langsam müht sich der Triebwagen den Erzgebirgskamm hinauf. An Bord des Zuges bleibt es die ganze Fahrt über sehr leer.
Als sowohl der Zugbegleiter als auch der einzige Mit-Fahrgast aussteigen, tue ich dies auch. Erst danach bemerke ich, dass der Zug noch gar nicht am Bahnsteig angekommen ist.
Die letzten paar Meter werden zu Fuß zurückgelegt.
Der Zugbegleiter stellt eine Weiche um, währenddessen fährt der Triebwagen weiter zum Bahnsteig.
Das Bahnhofsgebäude.
Am Bahnsteig wechselt der Zug die Fahrtrichtung und fährt zurück zum „Vorbahnhof“. Aus der anderen Richtung setzen nun zwei „Brotbüchsen“ an den Bahnsteig vor.
Etwa 30 Fahrgäste steigen ein und und wenige Minuten später, um 15:03 Uhr, beginnt der Os seine Reise nach Most.
In der Zwischenzeit hat der 844 im Vorbahnhof nochmals umrangiert und damit das Streckengleis freigemacht. Warum der 844 nicht den Hausbahnsteig genutzt hat, weiß ich nicht.
Nach der Abfahrt des Os herrscht wieder Ruhe am Bahnhof und abgesehen von einer Familie bin ich allein.
Hinter dem Bahnhofsgebäude befindet sich eine Straße sowie eine Übersichtskarte der Langlaufloipen. Darauf sieht man, dass Deutschland nur einen Steinwurf entfernt ist. Ein Schild an einem Laternenpfahl verrät noch die Höhe Moldavas: 782 m.
Ich gehe die Straße hinauf, biege nach rechts auf eine Brücke ab und verlasse Moldava damit schon wieder.
Nun werfe ich von Deutschland aus einen Blick zurück auf den Bahnhof und die quasi unter mir endenden Gleise.
Blickt man auf der anderen Seite von der Brücke, so sieht man „dasselbe in Grün“ – auf deutscher Seite fehlen die Gleise. Man kann sich aber noch sehr gut vorstellen, dass hier einmal welche lagen. Die ehemalige Trasse wird nun für fast zwei Stunden mein Wanderweg sein.
Zu meiner großen Freude zeigt sich die Sonne an diesem milden Herbstnachmittag noch einmal.
Auf dem Weg findet sich u. a. dieses Relikt, das an vergangene Tage erinnert.
Die grenzüberschreitende Strecke wurde am 18. Mai 1885 eröffnet. Am 8. Mai 1945 wurde der Verkehr zwischen Moldava und Hermsdorf-Rehefeld eingestellt, 1948 erfolgte die Demontage einiger Meter Gleis an der Staatsgrenze. Für weitere interessante Informationen zu der Geschichte der Strecke verweise ich auf die folgende Infotafel:
Nach etwa drei Kilometern erreiche ich den ehemaligen Bahnhof Hermsdorf-Rehefeld, welcher noch bis Februar 1972 von deutscher Seite aus bedient wurde.
Die Wanderung verläuft ein ganzes Stück in Sichtweite der deutsch-tschechischen Grenze.
Nach weiteren drei Kilometern erreiche ich die Reste einer Eisenbahnbrücke, die 1973 im Zuge von Dreharbeiten für den Film „Schüsse in Marienbad“ gesprengt wurde.
Am ehemaligen Haltepunkt Teichhaus erkennt man den Bahnsteig noch gut.
Nach ca. zwei Kilometern erreiche ich das Gleisende auf deutscher Seite und meine kleine Wanderung neigt sich dem Ende entgegen.
Auf der folgenden Karte ist der Abschnitt von Ústí nad Labem bis nach Nassau im Erzgebirge noch einmal nachvollziehbar.
Kartenbasis: © OpenStreetMap-Mitwirkende
Weiter geht es im zweiten Teil.