Was derzeit alles schiefläuft - eine Tragödie in 6 Akten (Reiseberichte)
In dieser Miniserie möchte ich darlegen, wieso ich derzeit keine Lust mehr aufs Bahnfahren habe.
Warum geht es mit Akt 3 los? Ganz einfach: Teil 1 und 2 dieser Posse waren die Hin- und Rückfahrt meines Urlaubs in Chur, dem ich in seiner Gesamtheit eine 18-teilige Serie widmen werde - schonmal als Spoiler: Während zwei Wochen täglicher Bahn- und Busfahrten mit über 75 größtenteils knappen Umstiegen haben in der Schweiz alle geklappt - genau genommen alle bis auf einen, aber dafür gab es dann einen spontanen Sonderzug, der den knapp 30 Fahrgästen für diese Relation doch noch den gewünschten Anschluss zwei Bahnhöfe später ermöglicht hat - das stelle man sich mal hierzulande vor. Da es aber noch dauert, bis ich die Serie fertig habe, möchte ich jetzt schonmal Dampf ablassen über die seitdem erfolgten Fahrten, die allesamt nicht nur nicht geklappt haben, sondern meiner Meinung nach eine absolute Frechheit im Umgang mit Kunden darstellen, wie ich sie bisher nicht erlebt habe. Jedenfalls nicht in dieser Frequenz - klar, als Dauerbahnfahrer gab es immer mal Tage, an denen es hohe Verspätungen gab und viel schief ging, aber im Laufe der letzten Jahre hat das stetig zugenommen. Dieses Jahr ist der Anstieg aber explodiert und diese sechs Fahrten haben zumindest bei mir das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht.
Akt 3: Aachen-Dresden
Geplant ist eine Fahrt mit RE1-Verstärker ab 6:28 nach Köln Hbf, ICE885 nach Berlin und IC2177 (KISS-IC2) nach Dresden, Ankunft 14:35, Fahrtdauer 8h07min. Wie immer nehme ich ab Aachen zwei Züge früher nach Köln, da dieser Umstieg seit Jahren schon kritisch ist. Das heißt heute aber nur, dass es mit dem 5:51er RE1 los geht, dazwischen ist noch der 6:18er RE9.
Bis Düren haben wir eine Verspätung von etwa 2min aufgebaut, also alles im Rahmen, aber dann fahren wir einfach nicht weiter. Alles noch entspannt, schließlich habe ich in Köln etwa 1h Umstiegszeit, in der ich nebenbei bemerkt frühstücken möchte; ein spätes Mittagessen ist dann in Dresden geplant. Nach 15min kommt die Durchsage, wir stünden hier wegen eines Polizeieinsatzes im Streckenabschnitt vor uns, keine Prognose. Interessant - früher hieß es doch immer Notarzteinsatz, wenn sich mal wieder einer vorn Zug geschmissen hat. Jedenfalls ist mir zu dem Zeitpunkt schon klar, dass das Ganze mehrere Stunden kosten wird, und ich beginne, ab Köln verschiedenste Alternativen durchzuspielen.
Das RIS bringt dabei eine Höchstleistung an Blödsinn auf und zeigt zu jedem Zeitpunkt an, wir wären vor 2min abgefahren - also irgendwer oder -was zählt da schon die Minuten hoch, was ja angeblich manuell geschehen muss (so heißt es jedenfalls immer, wenn noch nicht gestartete Züge laut RIS schon 4 Bahnhöfe weiter gefahren sind), nur halt falsch. Eine Stunde lang passiert nichts weiter, dann wird unser Zug geräumt, da er in die Abstellung fahren soll - bitte was? Ich hatte mich eh schon gefragt, was eigentlich mit den Zügen hinter uns los ist, denn die hätte man in der Zwischenzeit ja auch mal nach Düren bewegen können, um wenigstens die Fahrgäste mit diesem Ziel abzuliefern, und auch die inzwischen angesammelte Tausendschaft in Richtung Aachen mitzunehmen, aber nichts da, jeder Zug steht brav in dem Bahnhof, den er bis zum Zeitpunkt der Sperre erreicht hat. In demselben Moment, als wir also alle aussteigen, wird dann auf Gleis 1 (dem eigentlichen Gleis der Gegenrichtung) angesagt, unser nachfolgender RE1 würde dort in 3min einfahren. Viele Leute gehen daher rüber, aber die erfahrenen wissen schon, dass diese Durchsage mal wieder Blödsinn ist. Trotzdem wird sie brav alle 5min wiederholt, jedes Mal mit mehr Verspätung. Da in der Zwischenzeit ein Triebzug der Rurtalbahn u.a. 10min lang über Gleis 1 rangiert wird, weiß die Bahn offensichtlich auch selbst, dass da nichts anderes kommt.
Apropos RTB, auf deren RB28 warte ich nun schon die ganze Zeit, denn nach ziemlich genau 2h Wartezeit würde diese mich nach Euskirchen bringen, von wo aus es ebenfalls bis Köln ginge. Die wird aber nur von einem ganz kleinen Regioshuttle gefahren, in das nur ein winziger Bruchteil aller Wartenden passen wird, weshalb ich zum einen direkt dort stehe, wo es normalerweise hält, zum anderen ganz froh über die Ansagen auf Gleis 1 bin, die die Massen weggelockt hat - von denen die meisten auch nicht von selbst auf die Idee kommen dürften, über Euskirchen zu fahren.
Inwischen ist mir durch die Angaben im RIS immerhin klar geworden, warum unser Zug wirklich geräumt wurde: Der fährt nämlich zurück nach Aachen und wird dann einer der nächsten RE1, wenn alles wieder frei ist. Aber wiederum ist es doch unfassbar dumm, dass der dann 1. leer und 2. überhaupt zurück fährt. Wenn jetzt die Strecke frei wird, dürfen sich dann alle unterwegs Wartenden in die bereits übervollen Züge quetschen, die zudem ja auch noch eine gewisse Zeit ab Aachen brauchen werden und nicht mehr hier in Düren bereitstehen. Apropos, mitterweile stehen wir so lange hier, dass ich auch nach Aachen zurück und über Düsseldorf schneller gewesen wäre, aber da auch in der Richtung nichts fuhr, war das ja sowieso unmöglich.
Endlich kommt die RB28 und es steigen tatsächlich nur eine Handvoll Leute ein, bis dann doch irgendein Idiot ein paar andere darauf hinweist, dass man mit diesem Zug ja auch nach Köln käme... So wird er übervoll, aber irgendwann geht halt nicht mehr rein und wir fahren pünktlich ab. Erst zu dieser Zeit, also 2h nach Beginn der Sperre, erscheint im RIS der Hinweis, es gäbe einen SEV Aachen-Köln. Ob und wo der unterwegs hält, wann der ungefähr fährt, und ob man in Düren überhaupt noch eine Chance hat, da einen Platz zu bekommen, wird nicht erwähnt. So bin ich froh, in meinem Zug zu sein, der auf der inzwischen größtenteils modernisierten Strecke deutlich zügiger unterwegs ist als noch vor 4 Jahren. Damals wurde bei jedem Bahnübergang ausgestiegen und Fahne geschwenkt, das ist jetzt nur noch einmal notwendig. Auch halten wir in Euskirchen auf einem neuen Bahnsteig auf der Nordseite des Bahnhofs und müssen nicht mehr alle Gleise überqueren. Den RE nach Köln bekomme ich so locker, auch wenn der ebenfalls sehr voll ist und daher etwas Verspätung aufbaut.
Die schnellste Verbindung nach Dresden wäre nun mit dem 621 nach Frankfurt und dann mit dem 1559 nach Dresden - auf den 621 habe ich eigentlich in Messe/Deutz -12min Umstiegszeit, aber der ICE ist auch mit +30 unterwegs. Diese wiederum würden den Anschluss in Frankfurt allerdings sehr knapp werden lassen, und so sehe ich von diesem Plan ab. Als wir um 9:45 im RE22 Köln Hbf zudem auf Gleis 3 statt 1 erreichen und vor uns im Gleis ein Baukran steht, wird es sowieso unmöglich, noch rechtzeitig bis Messe/Deutz zu kommen, auch wenn das RIS erst eine halbe Stunde später anzeigt, dass der Zug dort nicht mehr hingefahren ist.
So bleibt mir noch der ICE857 nach Berlin ab 9:48 von Gleis 2 - netterweise bahnsteiggleich. So wird es zwar mit dem inzwischen von meinem Magen dringend erwarteten Frühstück nichts, aber immerhin geht es schnell weiter. Oder auch nicht, denn wie immer bei den Kölner Berlin-ICEs wird der Zug erst 5min nach seiner Abfahrt aus dem Werk geholt. Und das, obwohl der gesamte Bahnsteig voll ist mit Leuten, die auf den warten. Achja, an dieser Stelle sollte ich noch erwähnen, dass an dem Tag absolut alle ICEs von Köln nach Frankfurt oder Berlin in der Fahrplanauskunft mit dem Kommentar versehen sind, dass sie ausgebucht seien und man sich eine andere Verbindung suchen solle, sofern man keine Reservierung hätte. Guter Witz, es gibt halt keine Alternative - abgesehen davon habe ich ja eine Reservierung, nur halt vor 2h. So stürme ich als erster in den hintersten Wagen, bloß um festzustellen, dass wirklich alle Plätze reserviert sind, und fast alle auch durchgehend Köln-Berlin. So etwas habe ich auch noch nie gesehen, trotzdem setze ich mich auf einen Platz, der immerhin nur Wuppertal-Berlin angeschlagen hat. Mit +15 geht es endlich los und tatsächlich kommt in Wuppertal niemand, um meinen Platz einzunehmen. Lange währt die Freude aber nicht, denn 13min nach Abfahrt kommt eine ältere Dame angewackelt mit der Reservierung - da ist es mir schon ein Rätsel, wie man bei vorhandener Reservierung und erstaunlicherweise korrekter Wagenreihung dermaßen falsch einsteigen kann. 2min später wäre ihre Reservierung ja auch verfallen, wobei ich da in diesem Fall vermutlich von abgesehen hätte, zumal ein anderer Platz mit Hagen-Berlin noch frei geblieben ist. In Hagen geht das Zittern also wieder los, aber dieses Mal habe ich tatsächlich Glück und keiner kommmt an. Dafür bleiben wir in Unna, wo wir gar nicht halten sollen, neben dem im Übrigen noch pünktlichen RE11 zum Stillstand, angeblich wegen einer Reparatur am Zug. Nur dass überhaupt niemand ankommt, um irgendwas zu reparieren. Erst wartet der RE11 auch noch ab, um uns ggf. vorzulassen, nach 10min fährt er dann aber doch vor und wir direkt danach hinterher - Planung vom Feinsten. Allerdings zuckeln wir dermaßen lahm über die Strecke und bleiben vor Hamm nochmal 30min lang stehen, sodass einige Mitreisende schon spekulieren, ob wir gleich in Hamm endgültig sterben. Nun ja, ich glaube da eher an etwas anderes, denn das RIS verrät mir, dass unser Düsseldorfer Zugteil mit +50 unterwegs ist und falschherum gereiht ist. Eigentlich soll ab Hamm mein Zugteil vorne sein, aber damit wären dann beide Triebköpfe zusammen. Folglich muss heute der andere Zugteil vor und wir entsprechend auf den warten. Dass dabei Dutzende aus unserem Zugteil völlig unnötigerweise ihre Anschlüsse in Hamm verpassen, ist den Planern offensichtlich egal. Schließlich wäre auch ganz locker genug Zeit gewesen, uns in den Bahnhof zu fahren, die Aussteigenden rauszulassen, und wieder rauszufahren, um den Düsseldorfer Teil vorzulassen.
Mit +50 geht es dann endlich in Richtung Hannover und ereignislos (wie auch ohne weitere Ticketkontrollen - das Personal hat offenbar keine Lust mehr, den Reisenden die Verspätung zu erklären und nach Alternativen zu suchen) weiter, bis wir in Fallersleben direkt vor Wolfsburg zum Halten kommen, Durchsage Personen im Gleis, keine Prognose. Ernsthaft, Nummer 2 an einem Tag? Dieses Mal ist aber wohl keiner gestorben, denn nach 10min geht es schon weiter. Vor Stendal stehen wir dann ein weiteres Mal, um einen Gegenzug abzuwarten, da wegen Bauarbeiten wohl ein Stück eingleisig ist. Damit knackt unser Zug die +60, für mich also +180. Somit wird der Anschluss in Berlin schon wieder knapp, inzwischen auf den EC 177 nach Prag, der noch dazu planmäßig 14:55-15:16 auf Gleis 1 steht und dadurch relativ selten zu spät abfährt. Außerdem sollen wir eigentlich auch auf Gleis 1 einfahren, und zwar nach aktueller Prognose um 15:10 statt 14:09, also genau während der EC dort steht. Das wird wohl nichts, und um trotzdem einen bahnsteiggleichen Umstieg zu haben, überlege ich kurz, den in Spandau zu versuchen. Aber der EC soll dort noch 1min vor uns abfahren, und als wir einfahren, ist von ihm nichts mehr zu sehen, zumal ich ja ganz am Zugschluss sitze. So bleibe ich dort und wir fahren in Berlin auf Gleis 6 ein, von wo ich schnell rüberlaufe auf Gleis 1, an dem zwar wieder mal geschätzt 300 Leute stehen - so voll habe ich den Berliner Hbf noch nie gesehen, geht ja zu wie sonst in Hamburg zur Rush Hour - aber kein EC. Und es kommt noch besser, laut RIS ist der auch noch nichtmal in Spandau gewesen, da wegen eines Personenunfalls - Nummer 3 heute - Wittenberge-Berlin dicht ist. Der wird also über Stendal umgeleitet und hat ne Prognose von +30 bei der Ankunft und +10 bei der Abfahrt - wie kann es sein, dass die aber in Spandau dem System noch nicht bekannt war? Die Strecke muss ja schon länger dicht sein.
Dabei bleibt es nur leider auch nicht, denn als endlich Bewegung auf Gleis 1 kommt, fährt dort der ICE372 aus Interlaken ein - pünktlich um 15:32, wie auch immer der das bei dem Rundumchaos heute geschafft hat. Nach 5min sind aus dem alle ausgestiegen und die Lichter werden gelöscht, aber er räumt sein Gleis einfach nicht frei. Noch dazu fährt dann auf Gleis 2 der 1007 ein, der erst in 30min nach München über Halle abfahren soll. Damit sind beide FV-Gleise in dieser Richtung belegt - sehr intelligent. Ich hatte dabei durchaus zwischendurch auch überlegt, mit dem ICE693 über Leipzig und dann IC2 nach Dresden zu fahren, aber erstens war auch dieser ICE extrem voll und zweitens dauert die Verbindung so viel länger (auch wegen einer Umleitung zwischen Riesa und Dresden über Elsterwerda), dass es sich einfach nicht lohnt. Letzterer Punkt gilt natürlich erst recht über Halle, ersterer allerdings nicht, denn zumindest zu diesem Zeitpunkt steigt absolut niemand in den 1007 ein, obwohl der 709, der schon 15:37 nach München über Halle (und Augsburg) fahren sollte, hinter unserem EC hängt.
Als um 15:45 der 372 endlich Platz macht, rollt der EC dann auch rein, ist aber bis auf den letzten Platz ausreserviert und auch voll. In den Gängen stehen schon dutzende Leute, zu denen ich mich dazugeselle, und nun die restliche Fahrt bis Dresden stehen darf. Dazu funktioniert das tschechische WLAN nicht und auch die Informationsmonitore tun so, als wären wir pünktlich unterwegs, obwohl wir munter noch mehr Verspätung aufbauen. Tatsächlich erreiche ich Dresden dann um 17:45 mit +38, oder gegenüber meines ursprünglichen Plans mit +190 - und das ist nur so "wenig", weil der eigentlich ab Berlin geplante IC noch viel mehr Halte mitnimmt als der EC.
Abgesehen davon habe ich immer noch seit 5 Uhr nichts gegessen - in Berlin wäre dafür mehr als genug Zeit gewesen, aber da die Verspätung wie üblich graduell erhöht wurde, statt direkt +30 anzuzeigen, sah es zwischendurch zu keinem Zeitpunkt so aus. Mit sehr schlechter Laune komme ich also in Dresden an und esse dort erstmal für 3, bevor es drei Tage später zurück geht.