Tagespendler über die Grenze - meine Erlebnisse [CZ][AT] (Reiseberichte)
Morgens um 6 in Tschechien aufstehen, mit Bus und Bahn um 9 Uhr in Wien ankommen, Nachmittags wieder zurück und das jeden Tag?
Das ist das, was ich nun ausprobiere und nächstes Jahr komplett umsetzen werde.
Bislang bin ich nur übers Wochenende hin und her gefahren. Wohne damit faktisch an 2 Orten gleichzeitig. Nun werde ich damit beginnen, meinen Wohnsitz in Wien aufzulösen und täglich aus Tschechien einzupendeln. Ohne Auto.
Nach ein paar Tagen stelle ich fest, dass ich da eine gute Idee gehabt habe. Ich habe schon in den Jahren zuvor viele spannende betriebliche Szenarien erlebt. Nun habe ich eine konkrete Dimension dessen, was es bedeutet, wenn man ohne Auto, nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln, jeden Tag über die Grenze pendelt:
Es ist eine Offenbarung! Morgens zum Grenzbahnhof fahren, je nach Zeitlage noch ein wenig im Park nebenan spazieren gehen, danach in einen wohltemperierten und laufruhigen Railjet einsteigen, welcher einen in weniger als einer Stunde nach Wien bringt, derweil kann man noch was im Zug arbeiten, lernen, vielleicht noch was essen und trinken, die Landschaft betrachten (es ist zwar flach, aber das hat auch seinen eigenen Charme) und eben jeden Tag im Fernzug hin und her fahren.
Die größte Herausforderung ist das Teilstück zwischen dem Bahnhof Breclav und dem Grenztarifpunkt Breclav (Gr.). Der Verkehrsverbund deckt den Bereich bis zum Bahnhof Breclav ab, das Klimaticket den Bereich bis Breclav (Gr.). Ich werde noch herausfinden müssen, ob man da auch abseits der InKarta 100 bzw. des OneTicket-Abonnements eine Zeitkarte zum Grenztarifpunkt erhält. So muss ich jeweils am Bahnhof mich um die Hin- und Rückfahrt kümmern.
Meine Verbindung enthält großzügige Anschlüsse. Nutzerin 218 466-1 würde eine Freude daran haben.
Für meine Verbindung ist es also auch kein Drama, wenn mein Zug 12 Minuten auf einen verspäteten Anschluss aus Budapest wartet. Allerdings würde ich es anders sehen, wenn mein Anschluss nicht so großzügig wäre. Es ist vielleicht ein Problem, aber es ist definitiv nicht mein Problem und das ist auch in gewisser Weise der Clou.
Wenn man längere Umsteigezeiten hat, spielen Verspätungen auf Teilen der Reisekette keine Rolle, man kommt zur selben Zeit an.
Ich kann dann auch endlich besser mitreden, wenn es die Leute gibt, die behaupten, dass ja immer die Klimaanlage ausfällt und immer laute Kinder im Ruhebereich rumturnen.
Denn einmal habe ich eben im Railjet es eben erlebt, dass es da Kinder gab, die laut im Ruhebereich waren. Hat mich das gestört?
Könnte ich theoretisch auch mit dem Auto fahren und mir theoretisch so 15 Minuten pro Richtung sparen?
Um es mit den Worten des deutschen Bundeskanzlers zu sagen:
Könnte ich.
Das war's.
Unter anderem, weil das 4 Mal so teuer ist und ich weniger frische Luft habe und um die Zeit es sicher einen Stau in der Stadt gibt.
Und weil man einen Parkplatz am Bahnhof braucht. Kostet auch wieder.
Und weil man auf den Verkehr achten muss.
Und weil man schauen muss, dass das Auto immer vollgetankt ist.
Und weil man fix an genau dem Ort zurückkehren muss, an dem man das Auto abgestellt hat.
Für mich steht die Wahl des Verkehrsmittels übrigens außer Frage. Mit Bus und Bahn komme ich ganz einfach schneller von Tür zu Tür als mit dem Auto. Trotz der großzügigen Umsteigezeiten. Und in Zukunft geht es sogar noch schneller ans Ziel. Und das dann auch in einer größeren Frequenz.
Vor allem, ich stelle mir vor, über anderthalb Stunden jeden Tag pro Richtung im Auto zu fahren. Ich weiß nicht, wie es den Freunden des Automobils da geht, aber ich bin definitiv kein Masochist. Ich steige in Tschechien 2 Mal um. Je nach Ziel in Wien vielleicht gar nicht (weil ich bis Ende September einen Ferienjob bei den ÖBB hab) oder eben noch ein weiteres Mal, wenn's zur Uni geht.
Auf dem Land zu leben, bedeutet nicht, auf ein Auto angewiesen zu sein. Ich habe eben eine gute Lage geerbt, aber jetzt kann ich eben auch mitreden, wie es ist, auf dem Land zu leben und über die Grenze in die große Stadt zu fahren. Und ich bin mir sicher, dass ich mit wachsender Erfahrun das bestätigt bekomme, wovon ich ausging: das ist definitiv möglich und das Auto zu nehmen ist desöfteren einfach nur ein Resultat schlechter Ausreden.
Das gilt jedoch auch nur, wenn der Tarif auch halbwegs stimmt. Es gibt ja Verkehrsverbünde in Deutschland, die es sich zum Ziel gesetzt haben, ihre Tarife unattraktiv und kompliziert zu gestalten.
Meine Fahrkarten buche ich jetzt noch per App, hoffentlich kann ich in Tschechien mir ein Abonnement zulegen, der Verkehrsverbund würde solche anbieten, die dann auch ziemlich günstig sind. Selbst wenn ich eine OneTicket-Jahreskarte für alle Bahnen in Tschechien sowie das Abonnement für den Bus zulegen würde, würde ich alleine von der Miete her 3000€ im Jahr sparen. Ist nicht nichts.
Das bedeutet auch, sollte ich jemals jenseits der letzten Verbindung über die Grenze landen, kann ich einfach mal ein Hotel buchen und stehe in der Kalkulation immer noch im Vorteil. Oder ich besorge mir ein Taxi. Ich kann mir das leisten.
Es würde anders aussehen, hätte ich einen Job um 6, das ist natürlich auf so einer Länge nicht darstellbar, egal wie. aber wenn man um 8 oder 9 in der Stadt sein muss, geht das definitiv.
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Reisehäppchen für zwischendurch gefällig?
(Bildquelle: ČD)