Les Côtes de France – Vorwort (o. B.) (Reiseberichte)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:19 (vor 639 Tagen)

Dies ist mein erster (und vorerst auch einziger) Reisebericht in diesem Forum. Ende März / Anfang April dieses Jahres ging es für mich 8 Tage in unser schönes Nachbarland Frankreich und in umliegende Ländereien. Wie der Titel „Les Côtes de France“ schon vermuten lässt, orientiert sich der Reiseverlauf grob an der Küstenlinie Frankreichs, auch wenn zumindest der Atlantik aus dem Zugfenster so gut wie nie zu sehen ist. Die Verbindung zwischen Atlantik- und Mittelmeerküste stellt eine Tagesetappe entlang des Nordrands der Pyrenäen sicher. Im Reiseverlauf konnte ich dem Meer so an diversen Küstenabschnitten begegnen und dabei dessen verschiedenen Facetten und Farben kennen lernen. Die Tour war ursprünglich für das Frühjahr 2020 geplant, verschob sich dann aber aus bekannten Gründen zunächst um ein Jahr auf 2021. Als dann absehbar wurde, dass ich als Angehöriger der Priorisierungsgruppe 4 keine Chance hatte, die für Reisen notwendige Schutzimpfung vor der Hochsaison zu erhalten, habe ich die Reisepläne erneut um ein Jahr verschoben. Denn in der Hochsaison im Juli und August sollte man als Fremder einen Besuch in Frankreich, auch in finanzieller Hinsicht, gut überdenken. So sollte es für diese Tour das Frühjahr 2022 werden, nachdem ich 2018 schon einmal mit der Bahn in Frankreich war und so gut wie alles schief gegangen ist: Zu lange Tagesetappen, zu knapp geplante Anschlüsse, zu wenig Zeit für Besichtigungen und vor allem zu wenig Zeit zum Schlafen. Bei Ankunft um 22:00 wollte ich damals um 5:00 schon wieder weiterfahren. Grundsätzlich ist das möglich und beruflich bin ich auch schon mit weniger als 7 Stunden Nachtruhe ausgekommen – aber im Urlaub ist das nichts! Daher galten für die Reiseplanung nun folgende Devisen:
- kürzere Tagesetappen (im Mittel ca. 500 – 600 km)
- keine Abfahrt vor 7:00
- Ankunft am Abend spätestens um 20:00
- ausreichende Umsteigezeiten mit „Plan B“ für Alternativrouten, sollte ein Anschluss nicht funktionieren
- Orientierung der Reiseetappen an den Zielen, die entlang des Weges liegen, und nicht primär am Fahrplan der Züge

Gerade letzteres erweist sich in Frankreich leider als äußerst schwierig. Kennern werden die Probleme bewusst sein: Auf manchen Strecken fahren nur wenige Zugpaare am Tag und das meist auch nur morgens, mittags und abends, sodass man zwischen 10:00 und 12:00 sowie zwischen 14:00 und 16:00 vergeblich auf einen Zug warten kann. Da ich aber trotzdem die Reiseziele in den Vordergrund der Planungen nehmen wollte, musste die Aufteilung der Tour in Tagesetappen die variable Komponente bilden. Letzten Endes zeigte sich, dass die gesamte Strecke in 8 Tagen geschafft werden kann. Dabei gab es nun noch das Problem: Wo schiebe ich das Wochenende hin? Denn am Wochenende fährt natürlich noch weniger als unter der Woche. Am sinnvollsten war schließlich ein Start am Sonntag, da die erste Etappe größtenteils durch den Taktverkehr Deutschlands und Belgiens führt und die letzte Etappe überwiegend aus einem täglich verkehrenden Zuglauf besteht. Bleibt ein Samstag an der Côte d’Azur, an der aber dem Tourismus sei Dank auch am Wochenende reger Verkehr angeboten wird.

Zur Qualität der Bilder:

Ich bin kein Fotograf und schon gar kein Pufferküsser. Daher nehme ich auch keine teure Fotoausrüstung mit auf Reisen, sondern fertige Bilder mit meinem Smartphone an. Dass die Qualität nicht mit einer tausende Euro teuren Spiegel-Reflex-Kamera mit Serienbildfunktion und austauschbaren Objektiven vergleichbar ist sollte klar sein. Ich möchte trotzdem noch einmal darauf hinweisen: Ich fotografiere in erster Linie der privaten Dokumentation wegen und nicht zur Erstellung von Bildmaterial, dass dem Blick langjähriger Perfektionisten Stand hält. Wer damit leben kann, dem wünsche ich viel Spaß mit den kommenden Eindrücken. Wer das nicht akzeptieren möchte, dem steht es natürlich frei, sich den Bericht deswegen nicht anzuschauen.

Zur Corona-Situation:

3G war zum Reisezeitpunkt Ende März 2022 bereits in den meisten Lebensbereichen aufgehoben, und wo nicht da war die Regelung mangels Kontrolle gestorben. In 8 Tagen wollte zu keinem Zeitpunkt irgendjemand im Zug, im Hotel oder in der Gastronomie meinen Impfpass sehen. Dagegen galt die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln noch mit Ausnahme der Schweiz in allen Ländern, die ich besucht habe. Zumindest im Nahverkehr in Genova war auch noch eine FFP2-Maske verpflichtend. In Baden-Württemberg war die FFP-Pflicht am Tag meiner Wiedereinreise zurückgenommen worden, sodass auch OP-Masken wieder akzeptiert wurden. Ich persönlich war zum Eigenschutz im Innenbereich durchgehend mit FFP2-Maske unterwegs, auch in Hotels, Gastronomie und der Schweiz, wo es eigentlich nicht erforderlich war. Damit war ich aber ziemlich allein: In Frankreich konnte ich innerhalb meines Aufenthalts gerade einmal drei weitere Leute mit FFP-Masken sehen. Der Rest verteilt sich zu 50% auf Personen, die ihre OP-Maske anständig tragen, und zu 50% auf diejenigen, bei denen die Maske sonstwo hängt oder die sich der Maskenpflicht komplett verweigern. Besonders hoch war die Verweigerungsquote im Nahverkehr in Bruxelles. Dort konnte man meinen, es gäbe keine Pflicht mehr. Am strengsten eingehalten wurde die Maskenpflicht noch in Italien, aber auch dort wurde die Mund-Nasen-Bedeckung oft nicht bestimmungsgemäß oder nur in Sichtweite des Zugpersonals getragen.

Insgesamt war Corona also kein dominierendes oder den Reiseverlauf bestimmendes Thema mehr. Mit Ausnahme der Maskenpflicht konnte man keinen Unterschied zur Vor-Corona-Situation feststellen. Dafür hätte ich mir dabei doch ein wenig mehr Disziplin und weniger Egoismus gewünscht, denn die pandemische Lage ist trotz allem noch nicht ganz vorbei.

Zum meiner Fahrkarte:

Fahrkartentechnisch habe ich für die Reise einen Interrail-Global-Pass in der mobilen Version aus einer Promotions-Aktion vom Frühjahr 2021 verwendet. Damals gab es den Pass der 1. Klasse zum Preis der 2. Klasse und mit einer Stornierungsoption gegen eine geringe Gebühr. Letzteres war mir wichtig, da die weitere Entwicklung der Corona-Lage komplett unvorhersehbar war. Interrail scheidet in Frankreich zwar zunehmend aus, aber gerade bei meiner Reise erweist sich der Pass als Vorteil, da ich fast ausschließlich reservierungsfreie Züge genutzt habe. Da der Pass nur eine Gültigkeit von 7 Tagen besitzt, ich aber 8 Tage unterwegs war, musste ich einen Tag darüber hinaus mit Einzelfahrkarten bestreiten. Ich entschied mich für Tag 5, an dem nur zwei zusammenhängende Fahrten geplant waren, und bekam die Fahrkarten für die 1. Klasse mit Stornierungsoption für 31 bzw. 18 Euro, obwohl ich erst einen Monat im Voraus gebucht hatte. Für französische Verhältnisse ist das ein echter Spottpreis, aber gut, wahrscheinlich versucht die SNCF so, die Plätze auf Neben- bzw. Teilstrecken voll zu bekommen. Mir war es recht!

Das große Aber sollte sich schon am ersten Tag heraus stellen: Während im Verlauf der Reise der QR-Code des mobilen Pass mit den Kontrollgeräten von DB Fernverkehr (damit auch DB Regio Mitte), SNCB, Trenitalia und SBB gut zurecht kommt, ist das Interrail-System zu den französischen Kontrollgeräten inkompatibel. Bereits im ersten innerfranzösischen Zug stellt die Zugbegleiterin bei der Kontrolle fest, dass mein Ticket angeblich ungültig sei, woraufhin es einigen Erklärungsbedarf gab. Zunächst war ich noch von einem Einzelfall ausgegangen, da der Zug ein tarfilicher „Sonderfall“ war. Zusätzlich zu einer normalen Fahrkarte ist ein Zuschlag, aber keine Reservierung, erforderlich, wobei mir 2018 am Schalter in Calais gesagt wurde, ich brauche mit Interrail keinen Zuschlag. Aber schon am zweiten Tag sollte sich das Unglück in einem „regulären“ Regionalzug wiederholen. Prompt habe ich eine Beschwerde mit dem Hinweis „DRINGEND“ an den Interrail-Kundenservice geschrieben, dessen E-Mail-Anschrift auch erst gefunden werden möchte. Die Antwort ließ auf sich warten. So bin ich dazu übergegangen, beim Bordpersonal wo möglich vor dem Einstieg nachzufragen, ob man mich mitfahren lasse. Manche Kontrolleure kannten das Problem, andere wussten damit nichts anzufangen und haben mich „im Zweifel für den Angeklagten“ mitfahren lassen. Erst am Morgen des 4. Tages war ich endlich auf eine Englisch-sprechende Zugchefin gestoßen, die mir die Situation erklären konnte: Die QR-Codes, die Interrail ausstellt, sind bekanntermaßen nicht mit dem System der SNCF kompatibel und können deshalb nicht richtig ausgelesen werden, was auf dem Kontrollgerät als „Fahrkarte ungültig!“ ausgegeben wird. Sie hatte mir geraten, immer die erste Seite des digitalen Tickets vorzuzeigen, wo die persönlichen Daten und die Reisedaten drauf stehen. Unter anderem mit dieser Auskunft als Referenz musste ich mich dann noch einige Tage „durchmogeln“. Es hat insgesamt immer geklappt und ich habe in keinem Fall einen tarif contrôle (erhöhtes Beförderungsentgelt) kassiert. Aber dennoch fühlt man sich ziemlich hilflos, wenn man tagelang mit einer als „ungültig“ deklarierten Fahrkarte durch ein fremdes Land fährt.

Kurzum als Fazit der Hinweis an alle:

Interrail Mobile Pass in Frankreich – vergesst es!!!

Überraschenderweise kam zwei Wochen nach Ende der Fahrt (Mitte April) tatsächlich eine Antwort vom Interrail Support, aus der ich an dieser Stelle zitieren möchte:

„Unfortunately it appears that it's a known issue that SNCF's scanning equipment cannot scan our QR-codes. Right now the temporary workaround is for conductors to visually inspect a traveler's QR-code and reservation where applicable. However, this is not an ideal solution as it leaves a lot of room for human error. […] Please know that we will continue to monitor the situation and work with SNCF to find a more convenient ticket inspection process of pass holders in the future.“

Also: Vor allem für diejenigen, die kein Französisch können, wird es aufgrund des „Spielraums für menschlichen Irrtum“ wohl sehr schwer werden, sich durch das Land zu diskutieren. Zum aktuellen Zeitraum kann ich von dem Abenteuer „Interrail Mobile Pass in Frankreich“ also nur abraten!

Nach so viel Ärger wollen wir nun aber zum schönen Teil des Berichts kommen. Viel Spaß damit!

[DE][BE][FR] Les Côtes de France – 1/8 (26 B. ~ 2,5 MB)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:19 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

Meine Tour beginnt an einem sonnigen Sonntagmorgen um kurz nach 7:00 zwischen Landau und Neustadt. Bis zum Ende des Tages will ich am Meer sein. Das wird ein weiter Weg... Heute geht es erstmal nach Calais ganz im Norden von Frankreich. Wir werden dem Meer in den nächsten Tagen aber noch häufiger begegnen. Die schnellste Route nach Calais, ohne die horrenden Reservierungsgebühren für Interrail zu zahlen, führt über Belgien und dauert im Idealfall rund 9 Stunden. Ich bin aber ein bisschen länger unterwegs. Einerseits um ausreichende Umsteigezeiten einzuplanen, wenn ganz wider Erwarten etwas schief gehen sollte, andererseits, um bei den längeren Aufenthalten in Frankfurt und Bruxelles auch noch etwas anderes zu sehen als nur Landschaft, Gleise und Oberleitungen. Gerade bei Frankfurt liegt mir schon lange ein interessantes Phänomen im Argen: Obwohl ich dort schon zigmal mit der Bahn durchgefahren und einige Male auch umgestiegen bin, kannte ich die Stadt an für sich nicht. Bis jetzt waren mir nur die zahlreichen Infrastrukturstörungen und Überlastungserscheinungen des Hauptbahnhofs bekannt, die aus einem pünktlichen Zulauf mit gemütlicher Umsteigezeit in letzter Minute noch einen Rennanschluss machen. Das sollte sich nun ändern und so wollte ich die 1,5 Stunden Umsteigezeit nutzen, um mich etwas dort umzuschauen.

Die Anreise nach Frankfurt verläuft unspektakulär und planmäßig. Der erste Zug des Tages wird durch ein völlig zur Auslastung passendes Talent-Triple gefahren. Von den ca. 400 Sitzplätzen im Zug sind in etwa fünf belegt. Die Begründung, warum sonntags morgens in Dreifachtraktion gefahren wird, ist die Umlaufplanung: In Neustadt fährt der letzte Wagen um 7:36 weiter als RB 53 nach Wissembourg und die anderen beiden Wagen bilden um 8:09 den RE 6 nach Karlsruhe. Der ankommende RE um 7:51 aus Karlsruhe kann wegen der Durchbindung nach Kaiserslautern nicht auf den Zug um 8:09 wenden. Deshalb wird jeden Sonntag in der Früh viel heiße Luft durch die Pfalz gefahren – aber immer noch besser, als die Wagen als unnötige Leerfahrten zuzuführen. Weiter geht es ab Neustadt dann mit dem ICE 935, einem LDV, nach Frankfurt. Auch dieser Zug ist eher spärlich besetzt. Bis 2021 war der Sonntag, ebenso wie der Samstag bei der Vorleistung ICE 836, noch Ausschlusstag. Inzwischen kommt man mit diesem Zug aber täglich nach Berlin. Zwischen Mannheim und Frankfurt fährt der Zug nicht über die Riedbahn, sondern über die Bergstraße. Damit hat auch Darmstadt eine schnelle Verbindung nach Berlin. Gegen 9 Uhr erreichen wir pünktlich Frankfurt.

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1-1 Turm des Schreckens

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1-2 Paulskirche

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1-3 Eiserner Steg – Hier besiegeln Paare ihre untrennbare Liebe mit Vorhängeschlössern. Traditionell schmeißt man danach den Schlüssel weg. Ich wüsste ja gerne, wie viele gebrochene Herzen das im Nachhinein bereuen…

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1-4 „Mini-Skyline“ am südlichen Mainufer

Rund 1,5 Stunden nach der Ankunft setze ich meine Reise mit dem ICE International nach Bruxelles fort.

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1-5 ICE 16 beim Aufenthalt in Köln Hbf

Dabei habe ich dann auch gleich festgestellt, dass die einige Tage zuvor getätigte Reservierung eine gute Investition war, denn der Zug ist recht gut gefüllt. Gegenüber von mir sitzt eine Gruppe chinesischer Geschäftsleute, die gleich nach der Abfahrt eine Flasche Champagner auspackt und damit in einer engen Weichenverbindung den Teppichboden des Zuges „tauft“. Unterwegs wird dann noch geruchsintensives chinesisches Essen aus mitgebrachten Plastikbehältern verzehrt. Da zeigen sich für mich zur Abwechslung die Vorteile einer FFP2-Maske. Im Großen und Ganzen stört die „Geselligkeit“ der Reisegruppe aber nicht, denn so ist neben Geschäftsreisenden vor ihren Laptops (was müssen die eigentlich am Sonntag immer so viel arbeiten) und Rentnern wenigstens etwas Leben im Wagen. Trotz der viel bescholtenen Unzuverlässigkeit der Baureihe 406 verläuft die Fahrt ereignislos, sodass wir Bruxelles-Nord nach zahlreichen Systemwechseln pünktlich erreichen. Warum auch immer verzögert sich dann aber die Weiterfahrt zum Gare du Midi, zu der übrigens am Gare du Nord noch ein paar Leute zusteigen. Wir kommen schließlich um 13:40 in Bruxelles-Midi (niederländisch Brussels-Zuid) an. Gegenüber steht schon die Anschlussmöglichkeit nach Paris.

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1-6 Ein Thalys wartet in Bruxelles-Midi auf seine nächste Fahrt

Jetzt muss ich mich aber sputen: Die nächste Etappe führt nach Gent. Planmäßig hätte die Reise um 15:26 mit den IC nach Knokke weitergehen sollen. Allerdings wurde kurzfristig noch eine Baustelle ins System eingepflegt: Die direkte Strecke zwischen Bruxelles und Gent ist an diesem Wochenende gesperrt. Schön, dass das mit ausreichendem Vorlauf bekannt gegeben wurde. Der Zug nach Knokke fällt deswegen aus, wodurch ich gezwungen bin, bereits den IC nach Ostende um 15:03 zu nehmen. Das reduziert die Aufenthaltszeit in Bruxelles von ursprünglich fast 2 Stunden auf weniger als 1,5 Stunden. Trotzdem wollte ich, da mir nichts Besseres einfällt, einmal kurz mit der Metro zum Atomium rausfahren. Dafür muss ich mich nun aber wirklich beeilen, denn die Fahrt mit der Linie 6 dauert 16 Minuten und ich will später nicht auf den letzten Drücker wieder am Bahnhof ankommen. Leider erweist sich der Weg zur Metro am Gare du Midi als recht lang und umständlich. (Zugegeben, in Paris ist es vielerorts noch schlimmer und Stuttgart konnte in letzter Zeit auch nicht durch kurze Umsteigewege zwischen Fernverkehr und Stadtbahn glänzen). Wohl gerade wegen der Eile brauchen die Fahrkartenautomaten eine gefühlte Ewigkeit, um die Kartenzahlung durchzuführen. Trotzdem schaffe ich mit Ach und Krach den Zug um 13:48, sodass mir draußen an der Expo eine halbe Stunde Zeit für einen kurzen Rundgang bleibt. Expo und Atomium befinden sich nahe der Station Heysel (niederländisch Heizel), der vorletzten Station der Linie 6.

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1-7 EXPO Bruxelles

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1-8 Atomium

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1-9 Metro bei der Ausfahrt aus der Haltestelle Heysel

Nach 25 Minuten komme ich schließlich wieder an der Metro an, 5 Minuten vor der Abfahrt des Zuges um 14:34 zum Bahnhof. Der nächste Zug danach hat Verspätung (an der zweiten Station im Linienverlauf wohlgemerkt) und wird mit einer Wartezeit von 10 Minuten angekündigt, sodass es damit wohl nicht mehr für den IC nach Ostende reichen würde. Ich kaufe am Automaten, der natürlich beim Auslesen meiner Kreditkarte die Ruhe weg hat, hastig eine Fahrkarte. Damit dann schnell zum „Gate“ und – nein, die Fahrkarte hält es für ungültig. Ich war mir dann nicht mehr sicher, ob ich gerade die von der Hinfahrt oder die frisch gekaufte rangehalten habe, und versuche, mit der anderen die Sperre zu öffnen. Dazu kommt es aber nicht mehr, denn die Sperre leuchtet auf einmal rot auf und hat offensichtlich eine Störung. Für das dann vorgesehene Anrufen des Hilfspersonals mittels Sprechstelle habe ich aber keine Zeit mehr, denn in 3 Minuten kommt mein Zug und der Anschluss wartet nicht. Und so bleibt mir in der Eile dann nichts anderes mehr übrig, als nochmal zum Automaten zu gehen und eine neue Fahrkarte zu kaufen – natürlich mit Bargeld, denn sonst wäre der Zug weg bis der Automat die Karte geschluckt hat. Immerhin das funktioniert einigermaßen zügig und ein anderes „Gate“ akzeptiert die Fahrkarte anstandslos, sodass ich kurz vor der Einfahrt des Zuges am Bahnsteig stehe. Die 12 Minuten verbleibende Umsteigezeit am Gare du Midi reichen schließlich aus, um den IC gemütlich zu erreichen. Dessen Reisezeit nach Gent sollte sich durch die Umleitung über die weniger direkte Strecke via Aalst und Melle von eigentlich 28 auf 42 Minuten erhöhen, was in der DB Reiseauskunft auch hinterlegt ist. Trotzdem beauskunftet das FIS im Zug den regulären Fahrplan, wodurch die planmäßige baustellenbedingte Ankunftszeit um 15:45 als Verspätung dargestellt wird.

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1-10 Obwohl die Baustelle sogar im DB-Fahrplan eingepflegt ist, zeigt das FIS die baustellenbedingte Fahrplanabweichung als Verspätung an.

Die Fahrt beginnt pünktlich und führt zunächst bis kurz vor Denderleeuw parallel zur direkten Strecke auf den äußeren Gleisen. Beim Bahnhof Denderleeuw bleibt es dann aber vorerst, denn dort wird unser Zug auf einem bahnsteiglosen Gleis angehalten. Zunächst passiert nichts, dann fährt neben uns ein Zug in unsere Richtung aus dem Bahnhof aus. Erst nach rund 15 Minuten Standzeit, in der sich die Verspätungsprognose immer weiter erhöht, setzen wir uns wieder in Bewegung. In den nächsten Minuten kann man recht gut sehen, was los ist: In der Gegenrichtung stauen sich Personen- und Güterzüge im Blockabstand. Die Umleitungsstrecke ist wohl ziemlich überlastet. Gent erreichen wir trotzdem mit nur 5 Minuten Verspätung gegenüber dem Baustellenfahrplan und damit nur kurz vor der planmäßigen Ankunft des IC nach Knokke, wenn er denn normal fahren würde.

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1-11 Kamelzug in Gent – hinter den drei zweiklassigen Dostos befinden sich noch drei Flachwagen

In Gent steht nun ein Umstieg zur Weiterfahrt in Richtung der französischen Grenze an. Der Regionalzug dorthin sollte laut Aushangfahrplan um 16:06 von Gleis 9 abfahren. Gut, Gepäck gepackt, Rolltreppe runter, rüber und Rolltreppe rauf. An Gleis 9 kommt auch gleich ein Zug: perfekt – oder auch nicht! Nachdem der Anzeiger auf die Folgeleistung umschaltet wird klar, dass der Zug erst um 16:16 abfahren soll und dann auch noch in eine völlig andere Richtung. Ich bin etwas verwirrt und schaue im DB Navigator nach, wo denn der Anschluss abfährt. Immerhin war die DB bei den belgischen Fahrplänen heute schon sehr zuverlässig. Aha, Abfahrt an Gleis 8. Ok, denke ich, zuckle die Rolltreppe wieder runter und suche den Aufgang zu Gleis 8. Im Nachhinein wäre mir Gleis 9 dann doch deutlich lieber gewesen, denn durch den Gleiswechsel lerne ich Wissenswertes zum Bahnhof Gent-St. Pieters (französisch Gand St-Pierre): Der Bahnhof ist eine riesige Dauerbaustelle! Der Zugang zu Gleis 8 gestaltet sich daher sehr anstrengend.

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1-12 Großbaustelle Gent-St. Pieters – der einzige Zugang zu Gleis 8 ist diese Baustellentreppe

Trotzdem erreiche ich den Anschluss pünktlich und komme eine halbe Stunde später am Grenzbahnhof Kortrijk (französisch: Courtrai) an.

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1-13 Anschlusszug endlich erreicht!

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1-14 Grenzbahnhof Kortrijk

Eine weitere halbe Stunde später geht es mit einem grenzüberschreitenden Zug der SNCB dann weiter ins Zielland Frankreich. Der Zug besteht aus einer dreiteiligen AM 96-Einheit. Warum auch immer ist bei diesem Zug ein planmäßiger 7-minütiger Aufenthalt am Unterwegshalt Mouscron (niederländisch Moeskroen) erforderlich, während dem aber kein Anschlusszug mehr kommen sollte. Davon unbehelligt erreichen wir um kurz vor 18:00 den Bahnhof Lille Flandres planmäßig.

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1-15 Internationaler Zug nach Frankreich

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1-16 Warten auf keine weiteren Ereignisse in Mouscron

Zur Weiterfahrt nach Calais gibt es nun zwei Optionen: Entweder direkt ab Lille Flandres mit dem TER um 18:35, der gegen 20:00 in Calais ankommt, oder über die Schnellfahrstrecke, wodurch ich eine halbe Stunde schneller ankomme. Ich entscheide mich für letzteres, um das Meer hoffentlich noch bei Tageslicht sehen zu können. Dafür muss aber zunächst der Bahnhof gewechselt werden. Paris-Feeling, aber nicht so schlimm wie im Original. Nach 10 Minuten Fußweg ist schon der benachbarte Tunnelbahnhof Lille Europe an der Schnellfahrstrecke Paris – London erreicht.

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1-17 Euralille, das „Central Business District“ der Stadt

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1-18 Zugang zum Bahnhof Lille Europe

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1-19 Bahnsteighalle von Lille Europe

Zur Fahrt nach Calais nutze ich ein besonderes Angebot der Region Hauts de France: den TERGV (Transport express régional à grande vitesse). Dabei handelt es sich um einen Zug, der mit einem TGV-Triebwagen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h gefahren wird, allerdings mit normalen Fahrkarten für den Regionalverkehr genutzt werden kann, zuzüglich eines kleinen Zuschlags (supplément à grande vitesse). Die meisten TERGV-Fahrten sind als Codesharing-Angebote ausgelegt, bei denen bestehende TGV-Verbindungen der SNCF abschnittsweise für die Benutzung mit Nahverkehrsfahrkarten + Zuschlag freigegeben sind. Es gibt aber auch einzelne Fahrten, bei denen der Zug exklusiv als TERGV nur innerhalb der Region verkehrt, so wie dieser hier. Der Zuschlag wird nur auf den Schnellfahrstrecken (Lille – Dunkerque, Lille – Calais-Fréthun und Lille – Arras) verlangt. Auf den übrigen Abschnitten im Bestandnetz können die Züge ohne Zuschlag mit Nahverkehrsfahrkarten genutzt werden. Das wird in den Fahrplan teilweise auch als „TGVAUT“ (TGV autorisée) bei den Zügen gekennzeichnet, die die genannten SFS-Abschnitte nicht befahren, aber trotzdem im Altnetz in der Region Hauts de France unterwegs sind.

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1-20 TERGV – der Bahnsteig ist unmittelbar hinter dem Fotostandort zu Ende, sodass der Triebkopf noch etwas in den Tunnel hinein ragt.

Je näher wir dem Meer kommen, um häufiger und dichter wird draußen der Nebel. Von dem schönen Wetter am Morgen ist nicht mehr viel übrig geblieben. Einen traumhaften Sonnenuntergang am Meer würde es also wohl nicht geben. Ungeachtet dessen kommen wir nach nur 28 Minuten und 101 Kilometern (im Schnitt 216 km/h! – nicht schlecht für einen Regionalzug) am Bahnhof Calais-Fréthun an.

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1-21 Ankunft in Calais-Fréhtun

Calais-Fréthun liegt direkt an der Schnellfahrstrecke, ist aber kein klassischer „Kraut und Rüben“-Bahnhof wie z. B. Meuse TGV oder TGV Haute-Picardie. Der Bahnhof bietet nämlich Anschluss zum Regionalverkehr. Trotzdem liegt Calais-Fréthun noch ca. 10 Kilometer außerhalb der Stadt. Die letzte Etappe bis zum Stadtbahnhof Calais Ville wird deshalb mit einem Shuttlebus der SNCF zurückgelegt. Ich könnte auch auf den nächsten Regionalzug warten, aber das ist mir dann nach der langen Fahrt zu lange. Wir fahren also für rund 10 Minuten auf der Schnellstraße durch die weiße Wand, wobei die Sichtweite gerade so für den Bremsweg ausreichen dürfte und außer der Gegenfahrbahn nicht viel zu sehen ist. Dann erreichen wir die Stadt und der Bus biegt auf einmal nach rechts in eine kleine Wohnstraße ab, wobei rechter Hand schon die Gleisanlagen des Bahnhofs Calais Ville zu sehen sind. Kurz vor dem Busbahnhof (und noch gut 250 Meter vom Empfangsgebäude des Bahnhofs entfernt) hält der Bus dann plötzlich an und der Fahrer öffnet die Türen. Ich denke mir, er macht das, um gleich links abbiegen zu können für die Weiterfahrt oder den Feierabend. Aber nicht doch, bis der Bus 10 Minuten später außer Sichtweite gerät, blieb er an Ort und Stelle stehen. Also bitte, auf die paar Meter wäre es jetzt auch nicht mehr angekommen... Aber egal, ich bin nach 12 Stunden endlich am Zielort angekommen!

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1-22 Busbahnhof von Calais – endlich am Ziel!

Nach dem Einchecken im Hotel geht es dann, wie eingangs erwähnt, endlich zum Meer. Die Aussicht ist zwar durch den Nebel stark getrübt, aber das ist mir dann auch egal.

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1-23 Tour du Guet

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1-24 Fährhafen Calais – Verbindungen nach Brexitannien

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1-25 und 1-26 Tagesziel erreicht: Endlich am Meer!

[FR] Les Côtes de France – 2/8 (34 B. ~ 3,5 MB)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:20 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

Der zweite Tag beginnt mit dem Wetter, mit dem der erste Tag aufgehört hat: Nebel. In der Stadt und auf dem Weg zum Bahnhof ist das noch nicht so deutlich zu erkennen, auf der anschließenden Zugfahrt dann aber umso mehr.

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2-1 Guten Morgen Calais!

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2-2 Die Überführung am Bahnhof Calais Ville bietet freien Blick auf die Eisenbahn durch diese „Bullaugen“

Das erste (und einzige) Zwischenziel mit Rundgang heute ist die Stadt Boulogne sur Mer und wird schon nach rund 40 Minuten Fahrzeit erreicht sein. Mein Zug wird für Gleis 1 angekündigt. Also nichts wie runter zum Bahnsteig. Dort steige ich dann in das bereit stehende AGC (autorail à grande capacité) ein.

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2-3 Das könnte mein Zug sein…

Die AGC sind mehr oder weniger die „Alleskönner“ der SNCF im französischen Regionalverkehr und in allen Regionen auf fast allen Strecken anzutreffen. Auch wir werden diesem Fahrzeugtyp in den kommenden Tagen noch sehr häufig begegnen. Ich wundere mich zunächst noch, warum der Zug komplett leer und mit ausgeschaltetem FIS da steht, aber letzteres muss in Frankreich nichts heißen. Außerdem fährt der Zug gegen Lastrichtung aus der Stadt heraus, da ist die schlechte Auslastung kein Grund zur Verunsicherung. Also steige ich ein, obwohl die am Bahnsteig stehenden Leute auf die andere Bahnsteigkante fixiert sind. Später irritiert mich dann eine Verspätungsprognose von 5 Minuten für meinen Zug mit der Begründung „réutilisation d‘ un train“ (Verspätung aus Wende / Vorleistung). Der Zug steht doch schon da! Na, vielleicht wird es die Vorleistung des Tf und nicht des Fahrzeugs sein, das habe ich in Frankreich auch schon des Öfteren erlebt. Schließlich kommt aber am Bahnsteig gegenüber doch noch ein weiteres AGC, in das die wartenden Passagiere einsteigen. Ok, doch lieber noch mal raus und nachschauen. Der Fehler ist dann schnell gefunden – ich bin tatsächlich am falschen Bahnsteig eingestiegen! Ich bin in den Zug am Bahnsteig B eingestiegen, während die Abfahrt an Gleis 1 am selben Bahnsteig gegenüber stattfindet. Das muss man aber auch erst einmal kapieren, dass an einem Mittelbahnsteig Gleis 1 und Gleis B gegenüber liegen. Jedenfalls wäre der Zug auf Gleis B dann später in die andere Richtung nach Dunkerque gefahren. Nicht ganz meine Richtung. Der richtige Zug setzt sich indes mit ca. 7 Minuten Verspätung in Bewegung. Von den ausgiebigen Gleisanlagen am Eurotunnel kann man wegen des Nebels nichts sehen. Später, als es ein bisschen auflockert, bin ich dann aber überrascht, wie hügelig die Landschaft südlich von Calais-Fréthun wird, obwohl wir uns in Küstennähe befinden.

Mein Zug ist einer von nur zwei Zügen pro Tag und Richtung (und das auch nur Mo-Fr), der zwischen Calais und Boulogne alle Unterwegshalte bedient. Trotzdem sind an den kleinen Haltestellen mit je einer Abfahrt morgens und abends in beide Richtungen einige Fahrgäste zugestiegen. Die dürfen ihre Heimfahrt am Abend auf keinen Fall verpassen. Am Bahnhof Boulogne Tintelleries, den wir später noch besuchen werden, leert sich der Zug fast vollständig. Ich bleibe noch bis zum Stadtbahnhof Boulogne Ville drin, den wir um 8:37 mit 3 Minuten Verspätung erreichen. Die „Unschärfe“ bei der Pünktlichkeit war zwar erwartbar, aber trotzdem in Anbetracht von 6 Minuten Übergangszeit zum Bus, der erst nach 40 Minuten wieder kommen sollte, ungünstig. Mit großen Schritten stehe ich nach einer Minute draußen an der Straße – und der Bus kommt auch mit +3, sodass es sich gut ausgeht.

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2-4 Rendez-Vous-Knoten der Stadtbusse an der Station Liane

Mit dem Bus fahre ich erst einmal runter zum Meer. Im Gegensatz zu dem Nebel in Calais gibt es hier wenigstens ein bisschen Sonne. Anschließend führt mein Weg zunächst entlang der Promenade des Fluss Liane, der hier in das Meer mündet, zurück in Richtung Innenstadt. Dann beginnt der beschwerlichere Teil des Rundgangs: Der Aufstieg hoch hinauf zur befestigten Altstadt, der „Ville fortifiée“. Der Weg ist zwar lang und steil, lohnt sich allerdings, denn die historische Altstadt ist sehr sehenswert.

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2-5 Das Meer nun in der schwachen Morgensonne

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2-6 Der Fluss Liane mündet in Boulogne sur Mer in das Meer – hier blicken wir landeinwärts

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2-7 Das waren noch Zeiten…

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2-8 Nach einem langen Aufstieg steht man vor den Toren der historischen Altstadt

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2-9 Palais Impérial (mittig)

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2-10 Hôtel de Ville (rechts) mit Beffroi im Hintergrund

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2-11 Château comtal

Der Rest des Tages besteht nun aus einer einzigen langen Reisekette mit vielen Umstiegen und nur einem wesentlichen Ziel: Paris umfahren! Das auf Paris zentralisierte Bahnsystem in Frankreich ist nicht so unbedingt meins. Fernreisende werden meist zu einem Umstieg mit Bahnhofswechsel und allerlei Strapazen bei der Benutzung der Metro in Paris gezwungen (Fahrkarte kaufen, überfüllte Züge, ewige unterirdische Wege zu den Haltestellen, …). Nur in wenigen Fällen besteht das seltene Glück einer Direktverbindung in der Provinz, die aber auch länger dauern kann als der Umweg über Paris. Trotzdem habe ich für diese Tour eine komfortablere, wenn auch zeitintensive, Verbindung gefunden, die Paris nordöstlich umgeht. Der Preis dafür ist eine Reisezeit von 9 Stunden, die ich bis zu meinem Tagesziel Granville noch vor mir habe. Die lange Fahrt beginnt am Bahnhof Boulogne Tintelleries. Dieser Bahnhof liegt deutlich näher an der historischen Altstadt als der Stadtbahnhof Boulogne Ville.

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2-12 Ein TGV nach Paris fährt durch den Bahnhof Boulogne Tintelleries

Die Abfahrt des Zuges nach Amiens sollte um 9:46 sein. Um 9:43 fährt am Bahnsteig ein AGC vor, dessen FIS als Fahrtziel „Boulogne Ville“ angibt. Vom Vorab-Studium des Fahrplans wusste ich noch, dass kurz vor dem Zug nach Amiens tatsächlich ein Zug nur Calais – Boulogne fährt, wie auch immer sich das von der Nachfrage her rechnen soll. Trotzdem frage ich kurz beim Zugbegleiter nach, ob der Zug nach Amiens noch kommt. Der Zugbegleiter fordert mich in der Hektik wegen der vielen Aussteiger dazu auf, einzusteigen. Auf der kurzen Fahrt zum Stadtbahnhof erklärt er mir dann, dass ich dort zu Gleis 2 wechseln soll. Der Zug nach Amiens kommt in Kürze. Die Umsteigezeit am Bahnhof Boulogne Ville reicht für den Bahnsteigwechsel aus. Verwirrend ist allerdings die Nummerierung der Gleise: Mein Zug fährt von Gleis 2 – das ist aber nicht etwa vom Hausbahnsteig aus betrachtet das zweite Gleis im Bahnhof. Nein, das wäre ja zu einfach. Gleis 2 ist statt dessen das durchgehende Hauptgleis der Strecke Paris – Calais. Bei strikter Durchnummerierung der Gleise von vorne bis hinten wäre das Gleis 4. Insgesamt ist die Bahnsteiganordnung in Boulogne schlimmer als in Dortmund: Vom Hausbahnsteig ausgehend kommt zuerst Gleis 5, dann Gleis 3, 1, 2 und schließlich 4. Zudem gibt es aus beiden Richtungen jeweils ein kurzes Stumpfgleis mit der Nummer 7 bzw. 9. Wie erreicht man mit möglichst wenig Aufwand das Maximum an Unübersichtlichkeit?!

Der Zug nach Amiens wird, Überraschung, von einem AGC gefahren. Die Elektrifizierung der Strecke aus Richtung Calais endet am Bahnhof Rang du Fliers-Verton. Das ist der Endbahnhof der durchgehenden TGV-Verbindungen aus Paris über Lille. Dort findet für unseren Zweikraft-Triebwagen der Systemwechsel statt. Während des Zwischenhalts wird der Stromabnehmer eingefahren und der Diesel angeworfen. Wir dieseln nun weiter bis zum Ende der Fahrt in Amiens.

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2-13 Ankunft des AGC nach langer Diesel-Etappe in Amiens

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2-14 Der Bahnhof Amiens ist ein Keilbahnhof. Die Gleise im Hintergrund enden stumpf vor der Empfangshalle. Die gebogenen Gleise im Vordergrund führen daran vorbei und in Tieflage durch die Innenstadt.

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2-15 Charakteristisch ist wegen dieser Bauform auch die gebogene Überführung über die durchgehenden Gleise, die sich aus der Haupthalle heraus fortsetzt

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2-16 Innenhof des Bahnhofsvorplatz von Amiens

Die nächste Etappe führt nach einer Stunde Mittagspause nach Rouen. Hier erwartet mich zur Abwechslung ein Doppelstocktriebwagen (TER 2N NG – 2N steht für „deux niveaux“ und NG für „nouvelle génération“).

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2-17 TER 2N NG

Die Fahrt führt überwiegend durch die recht langweilige, landwirtschaftlich geprägte, endlose Weite der Picardie. Spannend wird es erst im Zulauf auf Rouen, der durch ein hügeliges, aber dennoch dicht besiedeltes Tal führt. Nach 1,5 Stunden ist der Tiefbahnhof von Rouen erreicht, der mit einem Parkdeck überbaut ist. Es gibt schönere Bahnhöfe.

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2-18 Im Tiefbahnhof von Rouen sind ein Régiolis und ein AGC abgestellt

An dieser Stelle muss ich die Eisenbahn vorerst hinter mir lassen, denn die nächste Etappe nach Caen findet nicht auf der Schiene, sondern auf der Straße statt. Zwischen Rouen und Caen besteht zwar im Fahrplan der SNCF ein durchgehender 2-Stunden-Takt, jedoch werden die Abfahrten um 10:00 und um 14:00 in beiden Richtungen nicht durch Züge, sondern durch Reisebusse gefahren. Die Busse verbinden Rouen und Caen ohne Halt über die Autobahn direkt miteinander. Mein Bus hält in Rouen direkt vor dem Bahnhofsgebäude auf einem eigens dafür ausgewiesenen Parkplatz, der bis kurz vor Ankunft des Busses noch durch den Firmenwagen eines Handwerkers zugestellt war.

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2-19 Bahnhofsvorplatz von Rouen

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2-20 Wir queren die Seine

Die Abfahrt erfolgt pünktlich und die Auslastung des Busses lässt keinen Zweifel daran, dass die Kapazität für diese Fahrt keinen Zug rechtfertigen würde. Rund 25 Fahrgäste sind an Bord. Das ist für einen Fernbus nicht schlecht, für einen Zug dann aber doch eher mau. Leider ist es im Bus recht warm, was dem Busfahrer aber erst nach einer Stunde auffällt, sodass die Klimaanlage bis kurz vor dem Ziel nicht ihrem Dienst frönen darf. Na ja, man kann nicht alles haben, es war ja wegen der wenigen Fahrgäste trotzdem erträglich. Der Busfahrer trägt übrigens während der ganzen Fahrt eine medizinische Maske und eine Sonnenbrille, ist aber trotzdem jederzeit hochkonzentriert. Respekt! Wir kommen insgesamt gut durch den stets fließenden Verkehr und selbst die obligatorischen Zwischenhalte an den gares de péage (Mautstellen) fallen dank automatischer Mauterfassung kurz aus. So erreichen wir Caen bei einer planmäßigen Fahrzeit von 100 Minuten bereits um 15:39 mit -8. Hier kehre ich zurück zur Eisenbahn, erneut in Form eines AGC.

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2-21 Busbahnhof von Caen (links befindet sich das Empfangsgebäude des „echten“ Bahnhofs)

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2-22 Abwechslungsreicher Fahrzeugeinsatz

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2-23 Hinter dem Bahnhof verstecken sich einige Doppelstockzüge für den Verkehr auf der Hauptlinie Paris – Caen – Cherbourg

Das sollte die letzte Zugfahrt des Tages werden. Das AGC bringt mich bis ca. 10 Kilometer vor der Küste nach Coutances.

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2-24 Bei der Einfahrt in den Bahnhof Coutances ist auf der rechten Seite die Cathédrale Notre-Dame zu erkennen

Damit ist die Reise um Paris herum aber noch nicht ganz vorbei. Eine Etappe fehlt noch, um mein Tagesziel Granville zu erreichen. Auch diese Etappe sollte wieder ein Car TER, also ein Reisebus der SNCF, sein. Laut Fahrplan sollte der Bus um 17:37 den Anschluss vom Zug aufnehmen und Granville um 18:18 erreichen. Im Zug wurde auch extra noch durchgesagt, dass der Bus nach Granville auf dem Bahnhofsvorplatz abfährt. Nach wenigen Minuten kommt dort auch ein Bus mit der Aufschrift Granville, jedoch zusätzlich versehen mit einer Liniennummer und ohne Hinweise darauf, dass die SNCF den Bus betriebt. Der Bus ist bereits mit einigen Fahrgästen, überwiegend Schülern, besetzt. Ich bin mir immer noch nicht schlüssig, ob das jetzt der richtige Bus ist oder ob noch ein eigener Bus für die SNCF-Kunden kommt, um den Schülerverkehr zu entlasten. Allerdings sind alle anderen Fahrgäste nach Granville dort eingestiegen. Also zeige ich dem Fahrer meinen Interrail-Pass und frage ihn, ob das der auf der Fahrkarte angegebene Bus nach Granville ist. Er bestätigte das. Sammeln wir also kurz die Fakten:
- Der Bus fährt in meine Richtung
- Der Fahrer nimmt mich mit meiner Fahrkarte mit
- Es sind noch Sitzplätze frei
--> Ich steige natürlich ein!

Der Bus fährt schließlich schon um 17:32, also 5 Minuten vor der Abfahrtszeit nach SNCF-Fahrplan, los. Tatsächlich hält er unterwegs an verschiedenen Haltestellen zum Ausstieg und fährt dafür auch in einem Ort von der direkten Straße ab. An dieser Haltestelle ist sogar jemand eingestiegen. Den Bahnhof Granville erreichen wir gegen 18:12.

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2-25 Bahnhof Granville, erneut auf der Straße erreicht

Da mein Anschluss, ein Stadtbus, erst um 18:32 kommen sollte, warte ich geduldig vor dem Bahnhof, ob nun doch noch ein Bus der SNCF aus Coutances dort aufschlagen würde. Innerhalb der nächsten 20 Minuten fahren Busse im Minutentakt am Bahnhof vorbei, aber keiner ist im Auftrag der SNCF oder aus Richtung Coutances unterwegs. Damit ist die Sache dann klar: Die SNCF betreibt hier ein Codesharing mit der Verkehrsbehörde, die den regionalen Busverkehr organisiert. Und die SNCF hat es dabei natürlich nicht hinbekommen, die Fahrplanzeiten im Buchungssystem aktuell zu halten. Aber egal, Hauptsache ich war da! Pünktlich um 18:32 kommt der Stadtbus für die letzte Meile bis zum Hotel. Der Stadtverkehr in Granville ist mit Ausnahme spezieller Schulbusse kostenlos. Leider sieht man das dem Bus im Innenraum aber auch an.

Nach der Ankunft im Hotel mache ich noch einen kleinen Rundgang durch die Haute-Ville (Oberstadt) zur Spitze der Halbinsel, auf der die Stadt Granville gebaut wurde, an der Pointe de Roc.

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2-26 Aussicht aus dem Hotelzimmer auf die Stadt

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2-27 Ganz in der Nähe des Hotels befindet sich passenderweise am Meer eine Möglichkeit, Geld zu versenken

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2-28 Von dem Hügel im Hintergrund von Bild 2-26 aus betrachtet sieht man die Beschaffenheit der Steilküste noch viel deutlicher

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2-29 Auf dem Hügel liegt die Haute-Ville

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2-30 Enge Straßen in der Haute-Ville

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2-31 und 2-32 Pointe du Roc

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2-33 Die im Vordergrund erkennbare smaragdgrüne Färbung des Wassers gibt dem Küstenabschnitt um Granville ihren Namen: Côte d’Émeraulde

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2-34 Auf dem Rückweg in die Stadt sieht man, warum die Oberstadt ihren Namen trägt. Aus dieser Perspektive sieht sie tatsächlich aus wie eine Stadt über der Stadt.

[FR] Les Côtes de France – 3/8 (39 B. ~ 4 MB)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:20 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

Der nächste Tag führt uns in Richtung der Bretagne. Ursprünglich hatte ich angedacht, den Mont-Saint-Michel zu besichtigen. Allerdings zeigt sich bei einem Blick in den Fahrplan, dass das fast nur ein Vergnügen für Pedaltreter mit Lenkrad ist. Denn der zugehörige Bahnhof Pontorson-Mont-Saint-Michel wird außerhalb der Hauptsaison im Sommer, in der es sogar zusätzliche Züge aus Paris dorthin gibt, gerade einmal von zwei Zügen pro Tag und Richtung angefahren. Busse fahren zwar auch, aber nur als Shuttle vom Bahnhof zum Mont-Saint-Michel und zurück und nur zu den Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Züge. Demnach wäre meine Aufenthaltszeit zur Besichtigung des Mont-Saint-Michel auf genau 5 Stunden fixiert gewesen. Leider kam es aber schon im Frühjahr 2021 zu einer Fahrplanreduzierung, durch die nur ein Zug pro Tag und Richtung übrig blieb. Es war daher im Vorhinein ungewiss, ob das zweite Zugpaar auch zu meinem Reisetermin fahren würde und ob ich am selben Tag wieder aus Pontorson wegkommen würde. Ein Taxi wäre keine Alternative, denn die örtlichen Unternehmen machen damit ordentlich Asche und verlangen bis zu 100 € für den Transfer zum nächsten häufiger bedienten Bahnhof. Daher entschied ich mich letztendlich für ein alternatives Reiseziel: Saint Malo.

Um 7:59 sollte die erste Etappe des Tages von Granville zum Umsteigebahnhof Dol de Bretagne planmäßig losgehen, an dem ich 15 Minuten für den Anschluss nach Saint Malo habe. Nachdem das AGC aus Richtung Caen im Bahnhof angekommen war, leerte es sich fast vollständig. Schon nach einer Minute ist mehr Bahnpersonal im und am Zug zu sehen als Fahrgäste. Kein Wunder, denn die Strecke in Richtung Rennes wird erst um 12:59 das nächste und letzte Mal für diesen Tag befahren. Ein schlechtes Angebot hat eben nach den Gesetzen des Marktes eine schlechte Nachfrage zur Folge. Allgemein ist die Relation Caen – Granville – Rennes ein Paradebeispiel für eine rückschrittliche SPNV-Angebotsentwicklung im ländlichen Raum: Der Fahrplan wurde in den letzten Jahren von den zuvor 3 – 4 mal pro Tag angebotenen Direktverbindungen Caen – Rennes ohne den Schlenker über Granville umgestellt. Seitdem fahren pro Tag einige Züge zwischen Caen und Granville, aber dafür eben nur noch zwei Züge weiter nach Rennes. In nördlicher Richtung wird die Gesamtstrecke Rennes – Caen sogar nur noch einmal am Tag direkt angeboten. Dafür hat die SNCF auch hier zusätzliche Schnellbusse über die Autobahn ins Programm genommen. Mit der Angebotsreduzierung einher gehend wurde das 2. Gleis im Abschnitt Dol de Bretagne – Avranches zurück gebaut. Braucht man ja nicht mehr. So geht vorausschauende Infrastrukturplanung heute!

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3-1 Weitere Sparmaßnahmen: Am „Knotenbahnhof“ Folligny wurde der Fahrkartenschalter wegrationalisiert. Die Fahrgäste können nun bei Unregelmäßigkeiten über ein Telefon beim Fahrdienstleiter anrufen, um sich zu erkundigen.

Jedenfalls kommen wir in Granville mit einer Verspätung von 8 Minuten los, Ursache nicht erkennbar. Durch die kurzen Haltezeiten an den Unterwegshalten (welcher normale Fahrgast sollte dieses hochattraktive Angebot auch nutzen) können wir bis kurz vor Dol de Bretagne auf 3 Minuten aufholen – und stehen die gut gemachte Zeit dann am Einfahrtsignal wieder ab. Der Umstieg ist aber zum Glück bahnsteiggleich und zwischen den korrespondierenden Zügen gibt es einen Trassenkonflikt, sodass der Anschluss gut funktioniert. Zu meiner Freude fährt ein neuer Doppelstöcker vor (Régio 2N – 2N steht für deux niveaux). Eine Viertelstunde später wird Saint Malo erreicht.

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3-2 Umstieg in Dol de Bretagne

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3-3 Kurz nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof ist rechts eine markante Erhebung zu sehen: Der Mont-Dol.

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3-4 Régio 2N in Saint Malo

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3-5 TER Bretagne nennt sich inzwischen mit Verbundenheit zur bretonischen Sprache „BreizhGo“.

Saint Malo ist, wie auch einige Städte, die wir zuvor schon gesehen haben, eine alte Festungsstadt. Das historische Zentrum der Stadt bildet der Teil, der sich innerhalb der Stadtbefestigung befindet. Er wird auch selbsterklärend intra-muros genannt. Das besondere an Saint Malo ist, dass man hier die Befestigungsanlagen direkt besichtigen und auf der historischen Stadtmauer entlang schreiten kann. Aber auch einige auf den ersten Blick etwas weniger offensichtliche Ecken wie der Plage de Bas Sablons im Jachthafen, das Fort d‘Alet oder der Tour Solidor machen die Stadt besonders sehenswert. Im Nachhinein sollte sich die Planänderung also als richtig erweisen, nach Saint Malo und nicht zum Mont-Saint-Michel zu fahren.

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3-6 Saint Malo begrüßt Reisende mit moderner Architektur – in dem Gebäude befindet sich eine Mediathek

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3-7 Château de la Duchesse Anne

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3-8 Porte Saint Vincent – der meist frequentierte Eingang zur Altstadt

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3-9 Vor der Stadt befinden sich einige Inseln, die teilweise auch Festungen beherbergen, so wie hier das Fort National. Von den Gezeiten abhängig sind diese Inseln trockenen Fußes zu erreichen.

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3-10 Historische Stadtbefestigung

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3-11 Straße innerhalb der Altstadt „intra-muros“

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3-12 Parkregelung der anderen Art: Vom 1. bis zum 15. jeden Monats darf man hier nicht parken, vom 16. bis zum 31. aber schon (ich hoffe, ich habe es richtig rum verstanden).

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3-13 Deutsche unter sich…

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3-14 Etwas versteckt liegt hinter dem Hafen der Plage des Bas Sablons. Das Fort d’Alet aus den Bildern 3-15 und 3-16 liegt auf dem Hügel rechts

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3-15 Fort d’Alet – heute ein Mahnmal für die Opfer des 2. Weltkriegs

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3-16 So sieht es von Innen aus.

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3-17 Tour Solidor

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3-18 Zurück am Bahnhof

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3-19 Links ein TGV nach Paris, rechts mein Zug

Die Weiterfahrt zu meinem Tagesziel Nantes führt nun erst einmal zurück nach Dol de Bretagne und dann direkt weiter bis nach Rennes. Dahin bringt mich erneut ein Régio 2N. In Rennes steige ich schon am Haltepunkt Pontchaillou aus, um mit der Metro für die Mittagspause ins Stadtzentrum zu fahren. Der Anschluss nach Nantes hat noch fast zwei Stunden Zeit. Also auf zur Metro.

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3-20 Ein Lost-Place: Das ehemalige Bahnhofsgebäude von Bonnemain

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3-21 Am Haltepunkt Pontchaillou im Norden der Stadt Rennes steige ich aus

Die Metro ist aber gar nicht so leicht zu finden, denn die gleichnamige Metro-Haltestelle Pontchaillou liegt nicht etwa direkt neben dem Bahnhof, sondern ein gutes Stück weit davon entfernt. Um hin zu kommen muss man zunächst den verwinkelten Campus der örtlichen Uniklinik durchqueren. Und das ist echt leichter gesagt als getan. Schließlich erreiche ich nach 10 Minuten und einigem im wahrsten Sinne des Wortes „Um-Die-Ecke-Denken“ die Metro. Interessant: Der dort aushängende Metro-Plan weist den Umstieg zum Zug nicht an der Haltestelle Pontchaillou, sondern an der nächsten Haltestelle Anatole France aus. Die ist anscheinend näher an der Eisenbahn als die gleichnamige Haltestelle. Muss man auch erstmal wissen.

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3-22 Nach langem Suchen endlich gefunden: Die Metro-Haltestelle Pontchaillou

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3-23 Höchste Sicherheitsstandards mit Bahnsteigtüren

Ich kaufe am Automaten eine Fahrkarte, gehe durch die Sperre und noch bevor ich in den Zug einsteige kommt mir etwas komisch vor. Du hast sie doch noch in der rechten Jackentasche… - oder doch in der linken Hosentasche… - irgendwo muss sie doch sein! Spätestens während der Fahrt realisiere ich dann: Wo auch immer ich sie hingetan habe, meine Fahrkarte ist weg! Leiche Panik bahnt sich an, wie ich so wieder aus dem geschlossenen Metro-System rauskommen sollte. Nachzahlen? Oder den SOS-Knopf drücken? Am Ende ist die Sorge aber unbegründet, denn beim Ausstieg an der Haltestelle République sollte sich zu meinen Gunsten eine Schwachstelle der Metro heraus stellen: Wenn man mit dem Aufzug nach oben fährt, kommt man ohne Sperre raus – und auch wieder rein! Dafür ist der Aufzug offiziell auch nur für Mobilitätseingeschränkte freigegeben. Ok, mit meinem Gepäck habe ich mich da ausnahmsweise großzügig dazu gezählt.

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3-24 Das Rathaus von Rennes

Nach der Mittagspause und der anschließenden Metro-Fahrt zum Bahnhof geht die Reise weiter. Wenn man die folgende Etappe auf einer Karte sieht, könnte man kaum glauben, dass es sich dabei um einen Direktzug und zu dieser Zeit um die schnellste Verbindung handelt: Mein Zug fährt von Rennes zunächst in östlicher Richtung bis kurz vor Le Mans, dann nach Süden bis Angers und am Ende östlich nach Nantes. 260 Strecken-Kilometer für eine Luftlinie von 100 Kilometern! Klar, es ginge auch direkt, aber selbst die Züge über die direktere Strecke vorbei an Redon benötigen eine Reisezeit von 1,25 Stunden. Dagegen können sich die 2,25 Stunden meines Zuges in Sachen Durchschnittsgeschwindigkeit sehen lassen. 115 km/h, trotz 10 Minuten Standzeit am Bahnhof Sablé-sur-Sarthe. Das liegt einerseits am Fahrzeug. Der Zug wird mit einem Z-TER gefahren. Dieser Nahverkehrstreibwagen erreicht in der Spitze 200 km/h und kann das auf weiten Teilen der Strecke auch ausfahren. Und da sind wir schon beim anderen: Zwischen Laval und Sablé-sur-Sarthe befährt der Zug die LGV Paris – Bretagne (LGV = Ligne à grande vitesse). Es handelt sich dabei, von den TERGV abgesehen, um die einzigen Regionalzüge in Frankreich, die eine Hochgeschwindigkeitstrecke mit benutzen.

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3-25 und 3-26 Der architektonisch interessante Bahnhof von Rennes

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3-27 Z-TER

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3-28 Im Tal der Loire bei 180 km/h

Nach der rasanten Fahrt erreiche ich Nantes um kurz nach 17:00. Dort unternehme ich nun noch eine kleine Stadtrundfahrt. An Bord einer AGC-Doppeltraktion in Richtung Sainte-Pazanne kurve ich über die Île des Nantes, eine früher industriell geprägte Stadtinsel, die mittlerweile einen beachtlichen Strukturwandel durchgemacht hat. Vom nächsten Halt Rezé Pont-Rousseau aus fahre ich mit der Straßenbahn zurück in die Innenstadt.

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3-29 Züge im Bahnhof Nantes: Vorne ein TGV, dahinter ein TER 2N NG und ganz hinten ein Tram-Train

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3-30 Querung des nördlichen Arms der Loire

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3-31 AGC-Doppel in Rezé Pont-Rousseau

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3-32 Weiter geht es mit der Straßenbahn…

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3-33 …hier über den südlichen Arm der Loire

Dabei zeigt sich ein Problem des ambitionierten Straßenbahnausbaus in Frankreich allgemein und in Nantes speziell: Obwohl die Tram auf der Île de Nantes im gemeinsamen Abschnitt zweier Linien im 3-Minuten-Takt fährt sind alle Züge brechend voll! Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Dimensionierung der ÖPNV-Netze in vielen Fällen nicht zu der Größe der Stadt passt und daher die Kapazitäten des ÖPNV schon jetzt stellenweise restlos erschöpft sind. Natürlich ist jeder Ausbau der Infrastruktur schön und gut, aber immer nur ein Schritt in die richtige Richtung, solange bis das Netz eine für eine so große Stadt ausreichende Leistungsfähigkeit endlich erreicht hat. An der Ausstiegshaltestelle nahe meines Hotels muss ich mich deshalb richtig aus dem Wageninneren herauskämpfen und durchquetschen, um wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Sowas habe ich seit meinen Schulzeiten nicht mehr erlebt.

Am Abend bin ich noch zu einem kleinen Rundgang unterwegs, bevor auch dieser Tag zu Ende geht.

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3-34 Auf der Île des Versailles, einer kleinen Insel im Fluss Erdre, befindet sich ein gut gepflegter japanischer Garten

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3-35 Ein fantastisches Farbenspiel im Frühjahr

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3-36 Auf der Promenade vor der Cathédrale (hinten rechts) wird eine Kirmes aufgebaut

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3-37 Château des Ducs de Bretagne

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3-38 Doppelgelenkbus

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3-39 Und zur Vollständigkeit noch eine moderne Tram

[FR] Les Côtes de France – 4/8 (21 B. ~ 2 MB)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:21 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

Der nächste Tag soll uns noch ein ganzes Stück nach Süden bis in Sichtweite der spanischen Grenze führen. Damit wäre der äußerste Punkt der Reise auch schon fast erreicht. Auch an diesem Tag gibt es am Vormittag einen längeren Zwischenhalt, heute in La Rochelle. Manchen könnte die Stadt durch den Film „Das Boot“ bekannt sein, in dem das porträtierte U-Boot dort stationiert ist und auch einige Szenen am U-Boot-Bunker im Hafen von La Rochelle gedreht wurden. Wir werden die äußeren Hafenanlagen der Stadt allerdings nicht zu Gesicht bekommen, denn sie sind nicht öffentlich zugänglich. Statt dessen widmen wir uns etwas der Küste und dem zivilen Hafen der Altstadt.

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4-1 Der Bahnhof Nantes befindet sich zur Zeit noch im Umbau und begrüßt Fahrgäste am Südeingang mit moderner Architektur

Zur Anreise nach La Rochelle nutze ich nach langer Zeit mal wieder keinen TER, sondern einen Zug auf einer der selten gewordenen Intercités-Linien. Die Zuggattung IC wurde seit 2017 weitgehend durch die Umwandlung von IC-Leistungen in TER-Leistungen aufgegeben. Der Unterschied zwischen einem „alten“ IC und einem „neuen“ TER liegt auf den betroffenen Linien, z. B. von Paris nach Amiens, nicht im Fahrzeugeinsatz. In der Anfangszeit wurden die TER mit dem alten IC-Material weiter betrieben und auch schon vor 2017 wurden einige IC durch Triebwagen gefahren. Die Unterscheidung, ob ein Zug IC oder TER ist, liegt einzig und allein an der Finanzierung und Koordinierung des Angebots. Die wird für die IC von der SNCF direkt und für die TER von den jeweiligen Regionen übernommen. Ein bisschen also wie bei uns. RE sind bestellter Nahverkehr der Länder und IC(E) eigenwirtschaftliche Fernverkehrszüge des Bundes. Mit dem Unterschied, dass in Frankreich tariflich nicht in Nah- und Fernverkehr unterschieden wird. Dafür gibt es bei uns aber auch keine Reservierungspflicht. Als Fahrzeug kommt für meinen IC ein Coradia Liner zum Einsatz. Das ist eine fernverkehrstaugliche Abwandlung des Régiolis aus der Polyvalent-Plattform der SNCF-„Hausmarke“ Alstom. Auch bei dieser Fahrt wechselt der Zweikraft-Triebwagen am Bahnhof La Roche sur Yon von elektrischer zu thermischer Traktion. Zu meiner Verwunderung wird der Diesel aber schon während der Fahrt angeworfen. Schön, dass es auch Fahrzeuge gibt, die den Systemwechsel während der Fahrt durchführen können. Die Strecke zwischen La Roche und La Rochelle (nicht verwechseln) wurde gerade frisch renoviert, sodass es sich um eine ruhige und im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, recht zügige Fahrt handelt. Den Stadtbahnhof von La Rochelle erreichen wir nach weniger als zwei Stunden drei Minuten vor Plan.

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4-2 Coradia Liner in der Bahnhofshalle von La Rochelle

In La Rochelle fahre ich zunächst mit dem Bus runter zur Küste. Beim Einstieg kaufe ich natürlich pflichtbewusst beim Fahrer eine Fahrkarte. Mir ist inzwischen auch hinlänglich bekannt, dass Fahrkarten in Frankreich immer „kompostiert“ werden müssen. Bei dem Gerät, dass da am Einstieg im Bus hängt, bin ich aber überfragt. Die anderen Fahrgäste halten ihre Abo-Karten einfach dran und es macht ein Geräusch. Die Validierung erfolgt bei denen also elektronisch. Nun kannte ich es auch schon, dass mancherorts auch Einzelfahrkarten so entwertet werden. Ich halte meine Fahrkarte also dran – und nichts passiert. Eine andere Vorrichtung zum Entwerten kann ich an dem Gerät nicht finden. Den Busfahrer scheint das aber nicht zu stören, weshalb ich einfach nach hinten durchgehe. Er wollte wahrscheinlich einfach nur schnell weiter. Nach meinem Spaziergang entlang der „Südküste“ von La Rochelle sollte ich dann lernen, wie ein natürlicher Sandstrand auf absolut natürliche Art und Weise entsteht. Ja gut, so ein Bagger besteht ja im Endeffekt auch nur aus dem, was die Natur so hergibt, nur halt irgendwie anders.

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4-3 Nordsee? Nein, davon sind wir ein gutes Stück weit weg. Aber es erinnert schon entfernt an Friesland.

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4-4 Pointe de Minimes, mittig im Hintergrund der Phare du bout du monde (Leuchtturm am Ende der Welt)

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4-5 Bei der „natürlichen“ Bildung dieses Sandstrands wird ein wenig nachgeholfen…

Auf der Rückfahrt in die Stadt sollte sich mein Problem mit dem Entwerten der Busfahrkarten dann rächen. Ich kaufe erneut eine Fahrkarte und hätte, da ich an der Endhaltestelle einsteige, noch genug Zeit, beim Fahrer nachzufragen. Aber komm, denke ich mir, da kontrolliert doch eh keiner und wenn es für den Fahrer in Ordnung geht... Ja, und wie das so ist: Immer genau dann, wenn man es nicht braucht, kommt das Problem natürlich von selbst. In diesem Fall steigt eine Staffel von Kontrolleuren zu. Ich bin dann gleich auf sie zu und frage nach, wie man denn hier Fahrkarten entwerten kann. Die Reaktion ist erwartbar: Sie halten mich für einen Schwarzfahrer! Die anschließende Belehrung wird so schnell und genuschelt ausgesprochen, dass ich davon kein Wort verstehe. Ich bin deshalb ziemlich ratlos, was ich machen soll. Zum Glück sehen sie mir meine Ratlosigkeit an, weshalb mich einer der Kontrolleure zum Entwerter mitnimmt. Dort führt er meine Fahrkarte in einen winzigen und kaum erkennbaren Schlitz ein, der sich farblich null von dem Gehäuse des Geräts abhebt. Ich bin im Nachhinein sehr froh, dass es nicht so weit gekommen ist und ich meinen Ausweis vorzeigen musste. Denn mit deutschem Ausweis dort schwarz zu fahren sieht möglicherweise gar nicht so gut aus.

Nach der ereignisreichen Fahrt gehe ich weiter zur Anlegestelle des Passuers. Der Passeur ist eine Fähre, die nach Bedarf zwischen den Haltestellen Médiathèque und Vieux-Port hin und her pendelt. Die Fahrt dauert drei Minuten und die Fähre ist in den ÖPNV integriert, also mit normalen Fahrkarten (von denen ich inzwischen genug habe) nutzbar. Beim Einstieg fordert mich der Steuermann auf, meine gerade eben kompostierte Fahrkarte erneut in den Entwerter zu schieben, obwohl die Stunde noch nicht abgelaufen ist, die man damit fahren darf. Kein Problem. Der Entwerter nimmt die Fahrkarte, leuchtet grün, druckt keinen neuen Stempel drauf und gibt die Fahrkarte zurück. Anscheinend können die Geräte also wenigstens erkennen, ob man als Umsteiger mit einer schon entwerteten Fahrkarte unterwegs ist.

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4-6 Am Ende dieses Kanals befindet sich das Musée Maritime. In der Mitte ist die Fregatte France I zu erkennen.

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4-7 Vor der Mediathek befindet sich die Anlegestelle des Passeurs (unten bei den beiden Segelbooten). Gegenüber der Tour de la Lanterne.

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4-8 Auf hoher See! Die Fähre läuft gleich zwischen beiden Türmen im Vieux-Port ein.

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4-9 Tour de la Chaîne als Nahaufnahme

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4-10 Passeur im Vieux-Port, dahinter der Tour Saint-Nicolas

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4-11 Vieux-Port

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4-12 Zurück am Bahnhof

Mit einem dreiteiligen Diesel-AGC geht es nun weiter nach Süden. Die Auslastung des Zuges ist recht hoch, wofür der Dreiteiler kaum ausreicht. So müssen zeitweise auch Leute stehen. Ein zusätzlicher Treiber der Nachfrage ist die Tatsache, dass heute Mittwoch ist und die Schule in Frankreich mittwochs traditionell schon gegen 12:00 zu Ende ist. Das bringt einige Schüler zur Benutzung der Bahn. Die Fahrt verläuft bis in etwa zum Unterwegshalt Pons so, wie auch die Fahrt bis La Rochelle gelaufen war: Ruhig und zügig. Danach offenbart sich dann aber der Zustand der Strecke vor der Modernisierung. Wir erreichen kaum mehr 60 km/h, auch auf geraden Abschnitten nicht, und es ruckelt und schaukelt ordentlich. Vermutlich könnte man die Fahrzeit von La Rochelle nach Bordeaux nochmal um 20 – 30 Minuten reduzieren, wenn man in diesen Streckenabschnitt investieren würde. Der Bahnhof Bordeaux Saint-Jean wird schließlich nach mehr als 2,5 Stunden um kurz nach 14:00 erreicht.

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4-13 Das Diesel-AGC wartet auf Fahrgäste

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4-14 heimatliche Gefühle – die Fahrt führt durch das Anbaugebiet des Bordeaux-Weins (den besten Wein gibt es natürlich aber nur in der Pfalz!)

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4-15 Bahnhof Cenon kurz vor Bordeaux – Ludwigshafen Mitte 2.0?!

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4-16 Bahnhofshalle von Bordeaux-Saint Jean mit TGV

Der Anschluss, der mich bis kurz vor die spanische Grenze bringen sollte, besteht aus einer Régiolis-Doppeltraktion, die im Bahnhof Dax geflügelt wird. Der vordere Zugteil fährt weiter nach Hendaye und der hintere Zugteil weiter nach Pau (deutsche Ohren haben an der Aussprache dieses Ortsnamens ihre helle Freude…). Die Reihenfolge der Zugteile wird schon am Bahnsteig auf dem Wagenstandanzeiger angegeben, steht natürlich auf dem Fahrzeug drauf und wird im Zug nach jedem Halt einmal durchgesagt. Zusätzlich gibt es natürlich noch eine größere Durchsage vor der Ankunft in Dax. Bei der Fahrkartenkontrolle achtet die Zugbegleiterin auch penibel genau auf die Reiseziele der Fahrgäste, um ggf. falsch sitzende Fahrgäste auf den richtigen Zugteil verweisen zu können. Durch den hohen Aufwand, der um die Zugteilung betrieben wird, funktioniert das vorbildlich reibungslos. Das kenne ich von zu Hause auch anders. Da gibt es fast täglich Fahrgäste, die die Zugteilung der RB 51 abends in Landau nicht verstehen und sich dann wundern, warum der Wagen nach Neustadt und nicht nach Annweiler fährt. Vielleicht sollte sich DB Regio Mitte an TER Nouvelle-Aquitanie ein Beispiel nehmen. Wir verlassen jedenfalls pünktlich als erstes den Bahnhof von Dax, bevor der hintere Zugteil „am Arsch“ geht (Sorry, der musste jetzt sein!). Ich steige am vorletzten Halt mit der offiziellen Bezeichnung „Les Deux-Jumeaux“ aus. Inoffiziell heißt der Bahnhof auch Hendaye-Plage. Wie der Name schon sagt befindet sich der Bahnhof näher am Strand als der eigentliche „Hauptbahnhof“ Hendaye ohne Namenszusatz.

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4-17 Schon vor der Bereitstellung zeigt der Wagenstandanzeiger, wo man für welches Ziel einsteigen muss. Passenderweise läuft der Zugteil in Richtung „Hinterteil“ hinten.

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4-18 Zugteilung in Dax

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4-19 Der vordere Zugteil in Les Deux-Jumeaux (Hendaye-Plage)

Einen kurzen Fußweg später stehe ich vor der innenliegenden Bucht Baie de Chingoudy und sehe das spanische Festland am anderen Ufer. Leider zieht von genau dort eine dicke Regenfront heran. Ich mache mich also schnell weiter in Richtung Strand und in der Hoffnung, einen Unterstand zu finden. Tatsächlich sollte die Regenfront aber zunächst noch an Hendaye vorbei ziehen. Daher erreiche ich trockenen Fußes noch den Bus, der mich zum Hotel bringt.

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4-20 Baie de Chingoudy, gegenüber liegt die spanische Stadt Hondarribia – natürlich nur original mit Regenfront

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4-21 Plage de Hendaye

Als ich später zum Einkaufen noch einmal raus gehe, werde ich dann aber doch von der Regenfront eingeholt. Das sollte aber noch nichts sein im Gegensatz zu dem, was uns am Folgetag noch erwarten wird.

[ES][FR] Les Côtes de France – 5/8 (42 B. ~ 4,25 MB)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:21 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

Die Halbzeit der Tour ist erreicht und wie angekündigt befinden wir uns nur noch wenige Meter vom weitesten Punkt der Reise entfernt. Denn wenn man sich schon so nahe an einer Grenze befindet, dann bietet es sich an, mal kurz „rüber machen“. Leider habe ich nicht viel Zeit für Spanien, daher reichte es wirklich nur für einen kurzen Abstecher in die Grenzstadt Irún. Irún ist im Vergleich zu den Städten, die wir bisher so gesehen haben, nicht gerade besonders sehenswert. Es gibt keine berühmten Sehenswürdigkeiten und auch das Meer lässt sich erst in der Nachbargemeinde Hondarribia wieder antreffen. Trotzdem wollte ich Spanien heute erstmals auf dem Landweg erreichen. Also beginnt der Tag mit einer Busfahrt zum Bahnhof, genauer gesagt zum Vorplatz. Die internationale Schienenverbindung nach Irún wird im Personenverkehr aktuell ausschließlich durch das Schnellbahnsystem EuskoTren angeboten. Die Hauptstrecke der SNCF / ADIF besteht zwar zwischen den Grenzbahnhöfen Hendaye und Irún aus einem Normalspur- und einem Breitspurgleis. Allerdings enden alle französischen Züge aktuell in Hendaye und alle spanischen Züge in Irún. Über die Brücke kommt man im Fernzug also aktuell nicht. Dafür bietet EuskoTren mit der Linie E2 einen 30-Minuten-Takt über die Grenze an. Der Ausbaustandard der meterspurigen EuskoTren-Strecke entspricht inzwischen in weiten Teilen dem Standard einer U-Bahn, weshalb die Linie E2 auch inoffiziell als „Metro Donostialdea“ bezeichnet wird. In der Innenstadt von Donostia-San Sebastián wird durch die Überlagerung verschiedener Relationen eine Taktdichte von unter 10 Minuten erreicht. Meine Ausstiegshaltestelle Irún-Colón nahe des RENFE-Bahnhofs erreiche ich nach ca. 5 Minuten Fahrzeit.

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5-1 EuskoTren-Bahnhof auf dem Vorplatz des SNCF-Bahnhofs Hendaye

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5-2 EuskoTren-Zug nach Spanien

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5-3 Hier kommt man nach der kurzen Fahrt heraus

In Irún angekommen mache ich nur einen kurzen Rundgang zum Bahnhof und zu einem nahegelegenen Platz, an dem ich auf die Rückfahrt nach Hendaye warte. Dabei bin ich schon am Überlegen, wie ich der Grenzpolizei in Frankreich wohl erklären könnte, warum ich nach einer Stunde schon wieder aus Spanien zurück komme. Aber sie interessieren sich zum Glück nicht für mich, sodass ich einfach zum SNCF-Bahnhof durchgehen kann.

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5-4 Grenzbahnhof Irún – viele Gleise und gähnende Leere

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5-5 Plaza Ensanche – mehr hat Irun leider nicht zu bieten…

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5-6 Am Bahnhof Irún-Colón wird der Takt der Linie E2 verdichtet. Im Bild wartet einer der hier einsetzenden Züge auf Fahrgäste

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5-7 Wiedereinreise nach Frankreich – die Brücke im Bild wird aktuell im Personenverkehr nicht befahren

Zurück in Hendaye wartete ich dann auf den TGV in Richtung Paris. Denn nun wechseln wir die Richtung und fahren weiter nach Osten. Dort wartet ein bekannter Wallfahrtsort auf uns. Eigentlich gäbe es nach Lourdes um kurz nach 10:00 einen direkten IC. Der Zug fährt aber wegen einer Baustelle nicht. Die letzte Abfahrt ab Hendaye sollte der TGV gegen 9:30 darstellen – danach geht für 4 Stunden erst einmal gar nichts. Deshalb bleibt mir nichts anderes übrig, als mit dem TGV nach Bayonne zu fahren und dort in den IC umzusteigen, der an diesem Tag auf den Abschnitt Bayonne – Toulouse eingekürzt wird. Zum Einsatz kommt ein TGV Duplex. Auf dem Weg nach Bayonne verabschieden wir uns vorerst vom Meer. Aber keine Sorge, schon am nächsten Tag werden wir auf das andere Meer treffen. Bis dorthin geht es aber erstmal in die Berge. Am Bahnhof Bayonne, der ebenfalls durch eine Baustelle nur eingeschränkt nutzbar ist, steige ich um in den IC, der aus einem vierteiligen Coradia Liner gebildet wird. Komischerweise kennt der Anzeiger am Bahnsteig noch vier weitere Wagen, die aber bis zur Abfahrt nicht mehr dazu kommen sollten.

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5-8 Abfahrtstafel von Hendaye – viel geht am Vormittag nicht mehr. Im Hintergrund mein Zug.

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5-9 Der Hausbahnsteig am Bahnhof Biarritz – sicherheitstechnisch sehr bedenklich. Ohne Witz, der Bahnsteig setzt sich in beide Richtungen ca. 200 Meter fort und es kann gut vorkommen, dass Fahrgäste im Bereich der Weichenverbindung ein- und aussteigen müssen.

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5-10 TGV nach Paris im Bahnhof Bayonne

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5-11 Der Bahnhof von Bayonne – man beachte die Beschriftung der Fahrtrichtungen über den Torbögen

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5-12 Ein kurzer Blick über den Fluss Adour hinüber zur Altstadt

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5-13 Intercités nach Toulouse

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5-14 Wo auch immer die Wagen 11 – 14 sein sollen, am Zug jedenfalls nicht

Im Laufe der Fahrt nach Lourdes wird die Landschaft auf der südlichen Seite immer bergiger und das Wetter immer schlechter. Wir fahren mal durch strahlende Sonne und mal durch heftige Regenschauer. Ich hoffe natürlich, dass es mich in Lourdes nicht allzu schlimm erwischen würde, habe ich dort doch 4 Stunden (Zwangs-)Aufenthalt. An der langen Aufenthaltszeit ist übrigens, guess what, natürlich eine Baustelle schuld. Eigentlich gäbe es gegen 15:00 einen TGV nach Tarbes, der dort Anschluss an einen TER nach Toulouse bietet. Wegen der Baumaßnahme fährt der TGV aber nicht und an sowas wie einen SEV denkt die SNCF natürlich schon gar nicht. Deshalb ergibt sich zwischen 13:30 und 16:30 eine dreistündige Angebotslücke, in der ich nicht aus Lourdes wegkommen sollte. Bei Ankunft in Lourdes zeigt sich eine weitere Baustelle, denn der Bahnhof wird aktuell umgebaut. Der Zug hält deshalb außerhalb der Bahnhofshalle recht weit vorne am Bahnsteig. Aber gut, wenn manche Pilger unermüdlich hunderte Kilometer zum Wallfahrtsort wandern können, dann werde ich die 100 Meter zum Ausgang auch noch schaffen. Noch ist das Wetter zwar trüb, aber stabil. Ich mache mich also auf hinunter zum heiligen Bezirk, der der Stadt ihren heftigen Pilgerzustrom beschert. Dabei bemerke ich, dass die ganze Stadt gefühlt ausschließlich aus Hotels und Souvenirgeschäften besteht.

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5-15 Die Bahnhofshalle von Lourdes – wegen einer Baustelle hinter dem Fotostandpunkt leider nicht von Personenzügen bedient

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5-16 Wetter

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5-17 Die ganze Stadt ist auf den Pilger-Tourismus ausgelegt. Fast jedes Haus beherbergt ein Hotel. Und wäre schon Saison, dann wären auch die vielen Rollläden nicht geschlossen.

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5-18 Kurz vor dem heiligen Bezirk wird der Bergfluss Gave de Pau überquert

Nun in aller Kürze ein kleiner Exkurs zu den religiösen Hintergründen der Marienwallfahrt in Lourdes. Ob man daran glauben mag oder nicht sei jedem selbst überlassen. Ich persönlich stehe dieser Art des religiösen Kults skeptisch gegenüber, möchte aber ausdrücklich niemanden in seinen religiösen Überzeugungen verletzen: Im Jahr 1858 soll einem Mädchen namens Bernadette nahe der Grotte, auf der heute eine Kathedrale steht, mehrmals die Jungfrau Maria erschienen sein. Die hohen Geistlichen, die das natürlich nicht ohne weiteres glauben wollten, haben ihr aufgetragen, die Erscheinung nach ihrem Namen zu fragen. Das Mädchen kam mit der Antwort zurück: „Die unbefleckte Empfängnis!“. Weil Bauernkinder mit ihrem kaum vorhandenen Bildungsstandard nach Ansicht der hohen Geistlichen nicht dazu in der Lage waren, diese Worte aus der Bibel zu kennen, erkannten sie die Echtheit der Erscheinung an. Außerdem soll Bernadette in der Grotte eine Quelle freigelegt haben, dessen Quellwasser heute heilende Kräfte und mehrere Wunderheilungen nachgesagt werden. Auch dazu: Es steht jedem frei, daran zu glauben, aber ich bezweifle das aus wissenschaftlicher Sicht. Man kann das Wasser aus der Grotte jedenfalls im heiligen Bezirk aus mehreren Wasserhähnen zapfen, um es sich mit nach Hause zu nehmen. Wie auch immer: Auf der Grotte wurde eine Basilika, gewidmet der Mariä Empfängnis, errichtet. Seitdem ist Lourdes einer der Standorte der europäischen Marienwallfahrt und zieht jährlich Millionen Pilger an. Nur an diesem Tag ist davon nichts zu sehen, denn die Stadt und der heilige Bezirk wirken Ende März noch fast ausgestorben. Der heilige Bezirk besteht inzwischen auch aus weiteren Sakralbauten, teilweise sogar unterirdisch, um dem großen Ansturm an Pilgern die Teilnahme an heiligen Messen zu ermöglichen.

Ich bin zwar sonst kein fanatischer Verehrer der Architektur von Kirchen, aber die Bauwerke in Lourdes finde ich schon beeindruckend. Die heilige Grotte besuche ich aus Respekt vor denjenigen, die wirklich einen tiefen Glauben damit verbinden, natürlich nicht. Statt dessen möchte ich mir die Zeit noch mit einer kleinen Wanderung vertreiben. Aber zunächst werde ich noch an der Basilika von einem windigen Regenschauer überrascht. Spätestens jetzt kommen Zweifel auf, ob das graue Wetter wirklich durchhalten würde.

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5-19 Im Vordergrund die Basilique Notre Dame du Rosaire (Rosenkranz-Basilika), im Hintergrund die Basilique de l‘Immaculée-Conception (Mariä-Empfängnis-Basilika)

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5-20 Am Ufer der Gave de Pau befinden sich Zapfhähne, über die das heilige Wasser aus der Grotte abgefüllt werden kann. Im Hintergrund die Église de Sainte-Bernadette

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5-21 Die Basilique de l‘Immaculée-Conception aus seitlicher Perspektive

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5-22 Blick entlang der Gave de Pau in Richtung der heiligen Grotte (vorne links, in etwa da, wo sich die andere Brücke befindet)

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5-23 Zierfassade der Basilique Notre Dame du Rosaire

Beim Verlassen des heiligen Bezirks sieht man dann sehr gut, wo der Glaube aufhört und wo das Geschäft damit anfängt. Mein Favorit ist ein Laden, in dem Kirchenmusik aus einem Lautsprecher dröhnt, um „festliche“ Stimmung beim Einkaufen aufkommen zu lassen. Nun, wenn es gut für das Geschäft ist, warum nicht? Solange ich nicht in der Nachbarschaft wohnen muss…

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5-24 Aus dem Glauben wird ein Geschäft…

Mein Weg führt nun einmal quer durch die Stadt, wobei es sich dann tatsächlich einregnet. Angekündigt waren Regenschauer. Dieser „Regenschauer“ aber sollte sich aber als mehr als eine Stunde andauernder Dauerregen erweisen. Davon unerschüttert mache ich mich trotzdem auf zu einer kleinen Wanderung auf dem Voie Verte des Gaves. Voies vertes („grüne Wege“) bezeichnen in Frankreich Bahntrassenradwege, die in der Regel auch durch Fußgänger genutzt werden können. Der Voie Verte des Gaves entstand auf der Trasse der ehemaligen Bahnstrecke Lourdes - Pierrefitte-Nestalas im Pyrenäen-Tal des Flusses Gave de Pau. Insgesamt steht Fußgängern und Radfahrern eine 19 Kilometer lange Trasse zur Verfügung – ich wollte allerdings nur bis zum Nachbarort Lugagnan wandern, um dann mit dem Bus wieder zurück in die Stadt zu fahren. Das sorgt natürlich für einen gewissen Zeitdruck, denn der Bus fährt um 14:58 und danach erst wieder so spät, dass es nicht mehr für meinen Zug reicht. Nüchtern betrachtet könnte man darüber lachen, denn ich habe noch 1,5 Stunden für 3 Kilometer. Allerdings schüttet es weiterhin wie aus Eimern. Nach 10 Minuten, die ich mich unter dem Dach einer Schule unterstelle, geht es los. Und eine halbe Stunde später stehe ich völlig durchnässt unter einer Straßenbrücke in Lugagnan. Unterwegs kann man die beeindruckende Berglandschaft der Pyrenäen leider nur erahnen. Nicht mal die Bergstation der Standseilbahn am Pic du Jer, die vor der Hauptsaison natürlich nicht fährt, ist sichtbar. Trotzdem wäre es bei gutem Wetter eine schöne Wanderung am Ufer der Gave de Pau geworden. Nachdem ich mich eine Viertelstunde lang untergestellt habe und nichts an meiner Kleidung bei regem Wind und gefühlt 100% Luftfeuchtigkeit auch nur annähernd trocknen will, suche ich einen Weg zur Bushaltestelle. Die liegt nur 10 Meter Luftlinie von mir entfernt an der Straße, die mich auf der Brücke überquert. Es gibt aber keinen direkten Weg vom Radweg unten zur Straße oben. Ich habe deshalb nur zwei Möglichkeiten: Die lange Variante führt noch einmal 500 Meter weiter den Radweg entlang zum ehemaligen Bahnhof Lugagnan und dann über die Straße noch mal so weit zurück, dafür durchgehend asphaltiert und fußgängerfreundlich. Die kurze Variante nutzt einen kleinen Trampelpfad zwischen dem Radweg und der etwas höher gelegenen Straße, auf der ich dann 250 Meter auf der Fahrbahn zurück laufen müsste. Ich entschiede mich für letzteres und bin ziemlich am Rennen, um nicht noch nasser zu werden. Das hoch gewachsene Gras auf dem Trampelpfad macht das noch eine Stufe schwerer. Und so komme ich noch durchnässter schließlich am Wartehäuschen an. Das ist idealerweise auch nicht von allen Seiten windgeschützt, sodass weiterhin keine Chance auf ein schnelles Trocknen besteht. Immerhin hört der Regen kurz vor der Ankunft des Busses auf und während der Fahrt in die Stadt kommt sogar die Sonne wieder raus.

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5-25 Voie Verte de Gaves

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5-26 Links oben ist die Standseilbahn zum Pic du Jer erkennbar

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5-27 Stellenweise verläuft der Radweg direkt am Ufer des Fluss entlang

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5-28 Unterstand in Sicht…

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5-29 Nach einem ordentlichen Sprint durch das Gelände und auf der Straße bin ich endlich oben

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5-30 Von der beeindruckenden Berglandschaft der Pyrenäen ist leider nicht viel zu sehen.

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5-31 Nach der Ankunft am Bahnhof klart es langsam wieder auf

Im Nachhinein betrachtet war es ja zu erwarten, dass ich während einer 8-tägigen Reise im Frühjahr nicht mit heiterer Dauersonne durchkommen würde, aber das war schon heftig. Glücklicherweise habe ich mir damit aber keinen Schnupfen eingehandelt. Die gute Stunde Wartezeit auf den Zug verbringe ich nun damit, die Kraft der wieder strahlenden Sonne zum Trocknen auszunutzen. Das gelingt auch einigermaßen. Bis zur Zugfahrt sind die Klamotten wieder angenehm trocken und nur in den Schuhen steht es sich noch etwas unangenehm. Während der Wartezeit am Bahnhof sehe ich im Übrigen einen TGV leer durch den Bahnhof durchfahren. Ich vermute, dass das die Zuführung für die Folgeleistung des planmäßigen 15:03-TGV ist, mit dem ich fahren wollte. Warum nimmt man dann keine Fahrgäste mit, die eine Stunde schneller am Ziel sein könnten? Ich hätte immerhin bereitwillig dafür bezahlt!

Mit dem nächsten IC, erneut einem vierteiligen Coradia Liner, geht es nun weiter zum Tagesziel Toulouse. Unterwegs kommen wir am Flughafen Tarbes-Lourdes-Pyrénées vorbei, der eher wie ein Flugzeugfriedhof aussieht. Hier stehen auch einige A380, die den Boden wohl nicht mehr verlassen werden. Außerdem bietet sich trotz des wechselhaften Wetters teilweise ein guter Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen. Toulouse erreichen wir gegen 18:30 planmäßig. Ich beziehe Quartier im 8. Stock eines Hotels am Canal du Midi.

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5-32 Flugzeugfriedhof

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5-33 Berge

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5-34 Ankunft in Toulouse

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5-35 Die äußeren Punkte dieser Bahnhofsuhr geben die Sekunden an – mit jeder neuen Sekunde leuchtet ein weiterer Punkt auf

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5-36 Das Empfangsgebäude des Bahnhofs Toulouse-Matabiau

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5-37 Canal du Midi

Am Abend gehe ich noch einmal für einen kurzen Rundgang durch die rosarote Stadt. Der Name „ville rose“ rührt von den vielen Backsteingebäuden. Besonders in der Abendsonne kommt die namensgebende Färbung zur Geltung.

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5-38 Place du Capitole

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5-39 Le Capitole

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5-40 Basilique Notre Dame la Daurade

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5-41 Dôme de la Grave

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5-42 Garonne

Wo ich mich abends noch über die gute Aussicht aus meinem Hotelzimmer freue, sollte sich die Lage nachts noch als suboptimal heraus stellen. Denn die ganze Nacht dröhnt ein unregelmäßiges Pfeifen an meinem Fenster. Ich dachte zunächst, das käme von innen, vielleicht eine Lüftungsanlage oder etwas in der Art. Aber am nächsten Tag sollte sich dafür eine ganz andere und sehr nahe liegende Ursache zeigen.

[FR] Les Côtes de France – 6/8 (40 B. ~ 4 MB)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:22 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

Als ich das Hotel am Morgen verlasse, ist von rauem Wind auf der Straße kaum etwas zu spüren. Auch am Bahnhof lässt es sich ganz gut aushalten, zumindest so, wie man das Anfang April auch erwarten könnte. Es muss sich auch aushalten lassen, denn mein erster Zug heute wird mit Verspätung angekündigt. Der Grund dafür ist eine Verspätung aus Vorleistung. Genau genommen handelt es sich dabei sogar um eine nicht im Fahrplan aufgezeigte Durchbindung. Mein Zug, ein Régiolis, kommt mit einer Horde von Fahrgästen ca. 5 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtszeit aus Richtung Nordwesten in den Bahnhof eingefahren. Wo er genau herkommt habe ich mir leider nicht notiert. Die Weiterfahrt erfolgt jedenfalls erst, nachdem alle eingestiegen sind und ein Güterzug noch durchgelassen wurde. Mit +10 verlassen wir Toulouse in Richtung Südosten. Soweit ich das beobachten kann ist keiner der Fahrgäste aus der Vorleistung im Zug sitzen geblieben. In dem Fall ist es zur flexibleren Betriebsführung schon sinnvoll, solche „zufälligen“ Durchbindungen nicht zu beauskunften.

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6-1 Morgendliche Stimmung in Toulouse – der Zug lässt indes auf sich warten…

Heute stehen einige Halte im Süden des Landes auf dem Plan. Wir sind schon auf dem Weg zur ersten Station, der Stadt Carcassonne. Viele kennen möglicherweise das bekannte Brettspiel, bei dem man sich aus verschiedenen Modulen eine möglichst stabile Festung zusammen bauen soll. Diese Festung hat ein reales Vorbild und das thront hoch über der gleichnamigen Stadt im Tal der Aude. Trotz der anfänglichen Verspätung erreichen wir Carcassonne mit nur 2 Minuten Verspätung. Das beweist einmal mehr, dass die französischen Fahrpläne allgemein und dabei besonders die Haltezeiten sehr großzügig ausgelegt sind.

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6-2 Régiolis in Carcassonne – mir gefällt ja die rote liO-Farbgebung der Region Occitanie von allen TER-Designs am besten

Die Burg erreicht man von der darunter liegenden Stadt aus über die Pont Vieux („alte Brücke“), die den Fluss Aude quert. Auf der Brücke besteht ein sehr schöner Ausblick auf die Burg im Ganzen. Es folgt am anderen Ufer ein steiler Aufstieg entlang der Außenanlagen der Festung, die ich durch die passend benannte Porte de l’Aude betrete. Schon während des Aufstiegs wird mir dann klar: Es herrscht nicht nur ein starker Wind, sondern Sturm! Damit ist nun endgültig geklärt, was in der Nacht die Geräusche vor meinem Zimmer im 8. Stock ausgelöst hatte. In der mittelalterlichen Burg selbst ist es dann windstill. Die Burg versprüht einen ursprünglichen und historischen Charme, wahrscheinlich auch, weil ich in der Nebensaison und am frühen Vormittag hier vorbei schaue. Die Burg wird zu dieser Zeit nicht von Touristen überrannt und das historische Flair ist damit auch nicht durch Souvenirgeschäfte etc. getrübt. Die Burg verlasse ich anschließend durch das gegenüberliegende Tor, die Porte Narbonnaise. Das passt auch gut, denn die Pforte gibt schon gleich die weitere Reiserichtung an. Für die Rückfahrt zum Bahnhof nutze ich einen Stadtbus, dessen nächste Haltestelle ausgerechnet vor dem örtlichen Knast liegt. Das stelle ich mir irgendwie zynisch vor: Da haben die Knackies den ganzen Tag Ausblick auf eine Festung, in der ihresgleichen im Mittelalter im Kerker elendig verhungert sind. Hoffentlich lernen sie wenigstens draus. Beim Warten auf den Bus überprüfe ich online noch kurz, wie viel die Fahrkarte nun kostet, um mein Bargeld zu richten. Haltestellenaushänge sind nämlich auch in Frankreich längst überbewertet! Dabei finde ich zufällig auf der Webseite des Betreibers einen Hinweis, dass mehrere Départements im Süden zu einer Sturmwarnzone gehören und daher Beeinträchtigungen im Linienverkehr möglich wären. Gut, dass das mit dem Sturm nun auch offiziell ist. Der Bus kommt aber trotzdem, sodass ich noch pünktlich zur Weiterfahrt am Bahnhof ankomme.

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6-3 Der Bahnhof von Carcassonne wird durch den Canal du Midi von der Stadt getrennt. Die Brücke über den Kanal führt über diese Schleuse.

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6-4 Zugang zur Pont Vieux

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6-5 Die Burg von Carcassonne – sieht echt aus wie auf der Spieleverpackung

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6-6 Der lange beschwerliche Aufstieg führt zur Porte de l‘Aude

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6-7 Mittelalterliches Flair im Inneren der Burg

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6-8 Château Comtal

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6-9 Porte Narbonnaise mit Zugbrücke

Pünktlich kommt ein Régiolis in Richtung Perpignan angefahren. Der Zug fährt bis Narbonne über die Hauptstrecke Bordeaux – Marseille und hat dort einen längeren Aufenthalt zum Fahrtrichtungswechsel, bevor er in Richtung der spanischen Grenze von der Hauptstrecke abzweigt. Ich stieg in Narbonne um in einen Zug, der die Fahrt auf der Hauptstrecke in Richtung Avignon fortsetzt. Der Knotenanschluss um 11:00 in Narbonne wird durch zwei entsprechende Gegenzüge, einmal Perpignan – Narbonne – Toulouse und einmal Avignon – Narbonne, zu einem vollwertigen Rendez-Vous-Knoten komplettiert. Ja, auch sowas gibt es in Frankreich! Die Korrespondenzen werden auch von vielen Fahrgästen genutzt. Das Gedränge in der Unterführung erinnerte etwas an Mannheim Hbf zur halben Stunde. Als Anschlusszug wartet eine AGC-Doppeltraktion. Da sich die Treppen komplett im Haltebereich des hinteren Wagens befinden, steige ich natürlich vorne ein. Dort habe ich fast den gesamten Wagen für mich allein. Umso überraschter bin ich, als kurz nach der Abfahrt der Zugbegleiter zur Fahrkartenkontrolle vorbei kommt. Vielleicht hat er einfach keine Lust auf zu viel Arbeit und wählt deshalb den vorderen Zugteil, in dem nur maximal 10% der gesamten Fahrgäste sitzen. Ich hätte mit diesem Zug nun bis Avignon, einem weiteren Zwischenziel der Tagesetappe, durchfahren können. Allerdings wollte ich unterwegs noch einen kleinen Aufenthalt, auch für das Mittagessen, einlegen. Von den Städten, an denen die Strecke vorbei führt, habe ich mir schließlich Sète für eine kurze Besichtigung ausgesucht.

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6-10 Weiter geht es mit einem nicht ganz roten Régiolis nach Narbonne

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6-11 Am Bahnsteig gegenüber fährt zur selben Zeit ein TGV der Relation Lyon – Toulouse ein

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6-12 Korrespondenzanschluss in Narbonne – das rote AGC kommt gerade aus Avignon und übergibt Fahrgäste an die Anschlüsse nach Toulouse und Perpignan

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6-13 Unterwegs fährt der Zug an der Cathédrale Saint-Nazaire über Béziers vorbei

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6-14 Ankunft in Sète – der vordere Wagen ist leider noch nicht modernisiert und deshalb auch innen etwas muffig, dafür aber leer

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6-15 Hinten sieht der Zug schon schöner aus

Sète liegt auf einer Landzunge, die einerseits durch das Mittelmeer und andererseits durch den Étang de Thau begrenzt ist. Die Altstadt wird von zwei langen Kanälen und zwei Querkanälen durchzogen, wodurch Sète zu seinem Beinamen „Klein-Venedig Frankreichs“ kommt. Die Stadt erinnert tatsächlich an Venedig, ist aber wegen des Autoverkehrs nicht direkt damit vergleichbar. Während meines Aufenthalts in Klein-Venedig dreht der Sturm dann richtig auf. So kommt mediterranes Flair mit friesischem Wetter zusammen, denn das Thermometer bleibt im einstelligen Bereich.

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6-16 – 6-18 Klein-Venedig

Nach einer Stunde komme ich ordentlich durchgepustet zurück zum Bahnhof und stelle mich windgeschützt in der Bahnhofshalle unter. Als nächstes will ich mit dem Folgetakt der letzten Fahrt nach Avignon weiterfahren. 10 Minuten vorher sollte planmäßig noch ein IC nach Marseille vorbei kommen. Der steht aber schon mit einer Verspätung von 10 Minuten auf dem Anzeiger, sodass ich mir um meinen Zug langsam Sorgen machen muss. In den nächsten Minuten wächst die Verspätungsprognose des IC dann aber kontinuierlich bis auf +30 an, während mein TER angeblich pünktlich kommen sollte. Ein Blick ins Smartphone verrät: Der IC war mit einer Fahrzeugstörung zwischen Narbonne und Béziers liegen geblieben! Na toll, da kann ich ja lange warten… An dieser Stelle habe ich, den Zustand bei DB Netz kennend, die Flexibilität der französischen Infrastruktur deutlich unterschätzt. Mein TER wurde offenbar über das Gegengleis umgeleitet und kommt am Ende mit nur +8 in Sète an, während dem IC inzwischen +45 vorausgesagt werden. So viel zur Begeisterung einiger Pufferküsser für lokbespannte Züge. Dieser alte Schrott ist in Sachen Komfort und Zuverlässigkeit einfach nicht mehr zeitgemäß! Ich bin übrigens sehr erleichtert, dass mein Zug dann endlich angekommen ist, denn das Warten am Bahnsteig bei teilweise Windstärke 10 ist nicht besonders angenehm.

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6-19 Während der Wartezeit am Bahnhof in Sète saust ein TGV im alten Design (noch nicht inOui) durch

Bis Montpellier können wir die Verspätung etwas reduzieren, sodass wir den Bahnhof Saint-Roch mit +5 um 13:12 wieder verlassen. Die Freude über die gut gemachte Zeit währt aber nicht lange, denn nach zwei Halten werden wir in Lunel auf die Seite genommen. Der Grund dafür ist ein TGV nach Paris, der in Montpellier planmäßig um 13:18 abgefahren war und uns nun überholen sollte. Das wirft uns wieder zurück auf eine Verspätung von 8 Minuten. Unser Tf gibt nach der Durchfahrt des TGV wieder ordentlich Gas, sodass wir dem TGV in Nîmes über eine Minute lang am Bahnsteig gegenüber stehen. Das zeigt, wie unnötig die Überholung gewesen ist: Wären wir durchgehend voraus gefahren, dann hätte sich der TGV dadurch zwei Minuten Verspätung eingehandelt, die er bei der viel zu hohen Haltezeit von 4 Minuten in Nîmes wieder wett machen könnte. Wir wären bis dahin über alle Berge gewesen. Aber nein, auch in Frankreich gilt: Fernverkehr hat Vorrang – egal, wie sinnvoll das im Einzelfall ist! So fallen wir in Nîmes wieder auf +8 zurück, von denen der Tf trotz ambitionierter Fahrweise bis Avignon nichts mehr gut machen kann. Auf diesem Streckenabschnitt sind die Fahrzeiten deutlich straffer geplant.

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6-20 Die Bahnhöfe Beaucaire und Tarascon sur Rhône liegen gerade einmal 800 Meter auseinander und werden nur durch eines getrennt: Die Brücke über die Rhône.

In Avignon muss ich wieder durch den Bahnhof hasten, um meinen Bus zu erwischen. Draußen bleibt aber noch genug Zeit, um eine Fahrkarte am Automaten zu kaufen. Mit dem Bus fahre ich zum Busbahnhof Porte de l’Oulle am gleichnamigen Stadttor. Die Stadt Avignon plant auf dieser Strecke den Bau einer Straßenbahn, die dann auf einer Brücke über die Rhône weiter geführt werden soll. Der bisherige Planungs- und Baufortschritt hält sich aber noch in Grenzen. Durch das Stadttor betrete ich die Altstadt und mache mich auf zum Papstpalast. Ja, ihr habt richtig gelesen! Und nein, ich habe hier keinen Sprung runter nach Rom unterschlagen! In der Tat gab es im 14. Jahrhundert mehrere Päpste in Avignon. Das geht zurück auf den Einfluss des französischen Königs im Konklave der Kardinäle und auf die Kooperation der so gewählten Päpste, die sich nach ihrer Ernennung in Frankreich statt in Rom niedergelassen haben. Den Ansprüchen des Heiligen Stuhls entsprechend wurden die Stadtbefestigung und der Palast im 14. Jahrhundert ausgebaut und sind zum Großteil noch heute erhalten. Daneben gibt es noch eine andere Sehenswürdigkeit in Avignon mit einer interessanten Geschichte: Die Pont Saint Benezet. Die Steinbrücke wurde zur Zeit der Päpste als Verbindung zwischen der Innenstadt und der Vorstadt Villeneuve-lès-Avignon errichtet, hielt aber in den folgenden Jahren den Hochwassern der Rhône nicht stand. Heute stehen von der Brücke nur noch 4 Pfeiler und sie endet an einer Abbruchkante mitten auf dem Fluss. Die Besichtigung der Brücke von oben spare ich mir, da das mit Gepäck sicherheitstechnisch nicht einfach ist und zudem ein ziemlicher Obolus verlangt wird. Ich begnügte mich mit dem Blick von weiter oben.

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6-21 Altstadt von Avignon

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6-22 Palais des Papes

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6-23 Place du Palais

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6-24 Notre Dame des Doms d‘Avignon

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6-25 Pont Saint Benezet – als die Brücke noch stand, befand sich das Ende am anderen Ufer in Villeneuve in etwa auf Höhe des markanten Turms am rechten Bildrand

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6-26 Stadtbefestigung, davor der erste Bauabschnitt der Straßenbahn

Zurück am Bahnhof wartet bereits ein AGC im Design der Region Sud für die Weiterfahrt. Dieser Zug hätte mich direkt nach Marseille gebracht, wo ich mich heute Abend einquartieren wollte. Allerdings fahre ich nur bis nach Miramas mit, denn von dort nach Marseille gibt es noch eine deutlich schönere Strecke. Ich steige also um in einen X-TER. Der X-TER ist die Diesel-Variante des Z-TER, dem wir am 3. Tag zwischen Rennes und Nantes begegnet waren. Zum Einsatz kommt ein zweiteiliger Dieseltriebwagen, der entgegen der Lastrichtung über die gesamte Strecke mehr als ausreichende Kapazitäten bietet. Die dann folgende Fahrt empfand ich später als die schönste der gesamten Reise. Die Strecke führt erst an verschiedenen kleineren Seen wie dem Étang de Lavalduc und dem Étang d’Engrenier vorbei. Zwischen dem Haltepunkt Croix-Sainte und dem Bahnhof Martigues quert die Strecke auf einer Hochbrücke den Canal de Caronte, der für Seefahrer vom Meer die Einfahrt in den innenliegenden großen Étang de Berre ermöglicht. Der schönste Abschnitt der Strecke liegt aber zwischen Carry le Rout und L’Estaque, denn hier führt die Strecke malerisch direkt am Meer an der Côte bleue entlang. Wie der Name schon sagt ist das Wasser dort tiefblau. Insgesamt zeigt die Strecke trotz vieler Tunnel durchgehend mediterranes Nebenbahn-Flair vom Feinsten. Auch wenn die Fahrt eine gute Stunde länger dauert als direkt über den Flughafen Marseille, so ist die Strecke an der Côte bleue absolut sehens- und empfehlenswert. Schließlich fahren wir durch die Gleisanlagen des Frachthafens Euroméditerranée ein in die Stadt Marseille. Nach einer langen Kurve erreicht der Triebwagen den Großbahnhof Saint-Charles an den äußeren Bahnsteigen der nördlichen Nebenhalle.

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6-27 AGC im ZOU!-Design der Region Sud

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6-28 X-TER in Miramas

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6-29 Étang de Lavalduc

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6-30 Querung des Canal du Caronte

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6-31 Malerische Streckenführung direkt an der Küste

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6-32 Auf der anderen Seite der Bucht nähert sich langsam die Metropole Marseille

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6-33 Dreckschleudern in Sicht

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6-34 Aussicht vom Bahnhofsplatz auf die Stadt Marseille

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6-35 Och nö, am nächsten Morgen muss ich da wieder rauf…

6 Tage bin ich jetzt schon unterwegs und bis jetzt ist alles absolut planmäßig verlaufen (Ok, die Baustelle in Belgien einmal ausgenommen, aber das war wenigstens eine planmäßige Fahrplanänderung). Alle Anschlüsse wurden erreicht und keine Fahrt, nichtmal im Stadtverkehr, war mehr als 10 Minuten verspätet. Selbstredend sollte ich nicht immer so viel Glück haben und so würde das Wochenende am nächsten Tag mit viel Ärger beginnen. Am Abend ahne ich davon aber noch nichts und mache noch einen kleinen Ausflug zum Vieux-Port. Ach ja: In einem gar nicht so alten Hit interpretiert Mark Ćwiertnia, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Mark Forster, folgende Textzeile: „Ich war am Hafen Marseilles - aß den Fisch dort direkt aus der See“. Davon würde ich nun wirklich abraten! So schön tiefblau das Wasser an der Côte bleue auch ist, so dreckig sieht die Brühe im Hafenbecken aus, der man die Abgasen der Motorboote und den dort versenkten Müll förmlich ansieht. Da ist der Fisch aus hoher See dann doch eher zu empfehlen.

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6-36 Cathédrale La Major

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6-37 Wofür Marseille eigentlich bekannt ist…

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6-38 Abendliche Stimmung am Wasser – links das Fort Saint-Jean, rechts ein Museum

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6-39 Boote im Vieux-Port, im Hintergrund überragt die Basilique Notre-Dame de la Garde

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6-40 Vieux-Port

[FR][MC][IT] Les Côtes de France – 7a/8 (35 B. ~ 3,5 MB)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:22 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

So problemlos wie es bisher war könnte es doch eigentlich auch weitergehen. Eigentlich! Am vorletzten Tag der Reise sollte eine entspannte Fahrt entlang der Riviera in mehreren Etappen anstehen. Doch als ich um 7:30 am Samstagmorgen in der Bahnhofshalle ankomme hat sich dort schon ein Haufen ratloser Reisender gebildet. Ich kann zunächst noch nicht erkennen, was los ist, aber mein Zug um 7:57 wird aktuell mit einer Verspätung von 5 Minuten angezeigt. Das wäre ja noch hinnehmbar. Aus den 5 Minuten werden aber schnell 10 Minuten. Und aus den 10 Minuten dann 20 Minuten. Spätestens jetzt kommt die Einsicht: Das ist was größeres! Ich schaue kurz auf mein Smartphone und finde heraus, dass heute wohl noch kein Zug in Richtung Côte d’Azur abgefahren oder von dort angekommen war. Die Züge um 5:57 nach Nice und um 6:32 nach Hyères waren ausgefallen und der Zug um 7:32 nach Hyères hatte schon eine Prognose von +60. In der Gegenrichtung sollte der Zug aus Toulon um 6:57 mit einer Verspätung von mindestens 90 Minuten in Marseille ankommen. Als Grund wird eine „panne de signalisation“ angegeben. Na immerhin ist die SNCF da ehrlich und schreibt nicht in DB-Manier „réparation de signalisation“. Mehr Informationen gibt es auf den Info-Bildschirmen im Bahnhof: Die Störung sollte wohl noch bis 8:30 andauern, dann wolle man den Zugverkehr langsam wieder aufnehmen. Mit fortschreitender Zeit ändert sich an dieser Prognose nichts mehr. Nur mein Zug legt immer mehr an Verspätung zu, bis sich die SNCF um 8:20 dazu entscheidet, es gleich ganz bleiben zu lassen. Nun stellte sich für mich die Frage, wie es weiter gehen sollte. Der Folgetakt meiner geplanten Verbindung fährt um 9:57 und brächte meinen ganzen Zeitplan ziemlich durcheinander. Deshalb habe ich mich schon nach gummibereiften Alternativen umgesehen, aber der letzte Bus war zufälligerweise vor 10 Minuten losgefahren und der nächste kommt erst wieder in zwei Stunden. Um 8:27 sollte ein TGV nach Nice fahren, der gerade aus Lyon angekommen war und für den noch keine Abfahrtsverspätung angegeben ist. Kurz entschlossen entscheide ich mich also dazu, diesen Zug zu nehmen. Leider besteht 7 Minuten vor der Abfahrt keine realistische Chance mehr darauf, über den Interrail-Reservierungsservice noch eine Reservierung für den Zug zu bekommen. Und die Schlange am Schalter reicht gefühlt schon bis nach Nice, da ich ja nicht der einzige bin, der von der Störung betroffen ist. Es hilft alles nichts: Eine neue Fahrkarte muss her! Ich gehe zum Automaten, gebe meine Daten ein und habe nach 3 Minuten eine TGV-Einzelfahrkarte für rund 50 Euro in der Hand. Rückblickend betrachtet waren es mir die 50 Euro Wert, denn an die werde ich mich irgendwann nicht mehr erinnern. Über die entgangene Reisefreude würde ich mich aber vermutlich noch eine ganze Zeit lang ärgern. Also hechte ich durch den Bahnhof rüber zum Zug und komme gerade noch vor den obligatorischen 2 Minuten, die man vor Abfahrt in Frankreich erscheinen muss, am Bahnsteig an. Dort schaffe ich es nicht einmal mehr vor bis zu meinem Wagen, bevor der Pfiff kommt. Die Wanderung am Zug entlang in den Zug zu verlagern ist nun aber wirklich das geringste Problem. Der TGV Duplex ist überraschenderweise ziemlich leer, obwohl es der erste Zug sein sollte, der heute von Marseille-Saint Charles aus an die Côte d’Azur durchkommen sollte. Umso besser für mich, denn dann kann ich mir einen freien Platz auf der Südseite mit Blick zum Meer suchen.

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7-1 So schnell wird das mit dem Meer aber noch nichts…

Wir kommen vorerst nur bis zum Beginn der Störung an das Einfahrtssignal des Bahnhofs Aubagne. Dort stehen wir gut 15 Minuten, bis wir mit Schrittgeschwindigkeit zum Bahnsteig vorziehen dürfen. Im Bahnhof angekommen werden die Türen freigegeben und der Zugchef teilt folgendes mit: Vor uns befindet sich noch ein Zug, der auf Sicht mit reduzierter Geschwindigkeit durch den gestörten Abschnitt fährt. Das Ende der Störung liegt im Bahnhof Cassis ca. 10 Kilometer entfernt. Wir würden unsere Fahrt dann ebenfalls auf Sicht und mit verminderter Geschwindigkeit fortsetzen, sobald der vorausfahrende Zug Cassis erreicht und Rückmeldung gegeben hat. Bei diesem Zug handelt es sich wohl um den Nachtzug Paris – Nice, der durch die Störung schon über 2 Stunden Verspätung angesammelt hat. Gegen 9:30 setzen wir uns wieder in Bewegung und fahren auf dem folgenden Streckenabschnitt teilweise als Schleichfahrt, teilweise aber auch auf geraden Abschnitten mit 60 – 70 km/h, dem Ende der Störung entgegen. Nach einer Viertelstunde ist der Bahnhof Cassis erreicht und wir setzen unsere Fahrt normal mit einer Verspätung von rund 60 Minuten fort. Uns kommen in den nächsten Kilometern zahlreiche Züge entgegen, die sich hinter der Störung zurück gestaut haben: Ouigo, TGV, TER und Güterzüge. Alles wartet gespannt auf das Ende der Störung. Zum Glück wird die Signalstörung schon kurz nach unserer Durchfahrt behoben, sodass sich alles wieder langsam aber sicher bewegt. Den nächsten Halt Toulon erreichen wir rund eine Stunde später als geplant. Gegenüber meiner ursprünglichen Verbindung habe ich schon +90. Daher bin ich am Überlegen, wie man das wieder ausgleichen könnte. Die einfachste Lösung ist, den geplanten Aufenthalt in Cannes zu streichen. Damit würde ich in Nice nur rund eine halbe Stunde zu spät ankommen, was ich noch irgendwie rausbügeln könnte, wenn ich mich in der Stadt beeile. Während der Fahrt an der Côte d’Azur reduziert unser TGV jedoch zunehmend die Verspätung. Wieder sind es die Haltezeiten, die mit 3 – 4 Minuten viel zu hoch angesetzt sind, durch die wir maßgeblich die Verspätung abbauen können. Aber auch der Tf gibt sich engagiert, die Verspätung wieder soweit wie möglich rauszufahren. Bis Cannes können wir auf 45 Minuten aufholen, sodass ich nur noch eine halbe Stunde zu spät dran bin. Am Endbahnhof Nice liegt die Verspätung des TGV dann nur noch bei 35 Minuten. Dadurch komme ich insgesamt gerade einmal noch 10 Minuten später als geplant in Nice an. Wie der Zugchef schon verlauten ließ: Chapeau au Conducteur!

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7-2 Während der Fahrt durch den gestörten Abschnitt und auch danach kommen uns zahlreiche aufgestaute Züge entgegen

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7-3 Die Landschaft zwischen Aubange und Cassis erinnert fast an eine Hochebene

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7-4 Zwar 90 Minuten später als geplant, aber besser als nie: Das Meer rückt wieder in Sichtweite!

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7-5 Die Strecke führt ab Saint-Raphaël Valesucre entlang der Küstenlinie der Côte d’Azur. Hier sind wir kurz vor dem Bahnhof Agay…

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7-6 …hier auf dem Viaduc d‘Anthèor

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7-7 …hier bei Théoule sur Mer…

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7-8 …am Plage de la Bocca in Cannes…

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7-9 …und kurz nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof Antibes.

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7-10 Ankunft in Nice Ville mit +35

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7-11 Einen Bahnsteig weiter steht noch der Nachtzug aus Paris, der uns vorausgefahren war

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7-12 An Gleis A wartet eine Duplex-Doppeltraktion nach Paris

An dieser Stelle möchte ich besonders die Leistung des engagierten Zugpersonals hervorheben. Der Zugchef und seine Kollegen waren stets bemüht, die Fahrgäste informiert zu halten. Fast vom Hocker gehauen hat mich allerdings das: Im Zug hatte der Zugchef mehrfach von sich aus durchgesagt, dass wir eine Verspätung größer als 30 Minuten erreicht haben und damit der Anspruch auf eine Fahrpreiserstattung von 25% besteht. Das wird in Frankreich als Garantie G30 bezeichnet. Er weist auch explizit und fast schon auffordernd darauf hin, wie und wo man das beantragen kann. Das nenne ich mal Service. In Deutschland kenne ich es eher, dass man zunächst mühsam nach dem Zugpersonal suchen muss, dann mit viel Glück ein Fahrgastrechte-Formular zugeschoben bekommt und vielleicht nach 2 – 3 Monaten eine Antwort darauf hat. In Frankreich kann ich die Erstattung bequem online beantragen und erhalte die Bestätigung schon am nächsten Tag. Einziger Wehrmutstropfen: Es gibt bei der Garantie G30 einen Gutschein. Erst ab +60 wäre eine Rückzahlung möglich. Aber da will ich mich nicht beschweren, denn hierzulande gibt es bei 30 Minuten gar nichts und bei dem freundlichen Service unserer französischen Nachbarn komme ich gerne wieder.

Nach dem stressigen kommt nun aber der schöne Teil des Tages: Willkommen an der Côte d’Azur! Einfach traumhaft diese Aussicht!

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7-13 Place Massena in Nice

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7-14 Die Strandpromenade von Nice

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7-15 Meer!

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7-16 Das azurblaue Wasser gibt der französischen Riviera ihren Namen

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7-17 Einfach nur schön…

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7-18 Die Rückfahrt zum Bahnhof erfolgt mit der Straßenbahn – man beachte die Oberleitung, die in der Bildmitte endet. Die Straßenbahn fährt danach über den anschließenden Place Garibaldi im Akku-Betrieb, damit die sonst notwendige Oberleitung das Stadtbild im Bereich des Platzes nicht „verschandelt“

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7-19 Straßenbahn Nice

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7-20 Der Bahnhof liegt rund 5 Minuten Fußweg von der Straßenbahnhaltestelle entfernt

Nach der Rückkehr zum Bahnhof kommt für einen kurzen Moment die Eile zurück. Grund 1: Der Zug fährt planmäßig drei Minuten früher, als das in den Fahrplanmedien der DB beauskunftet wird. Grund 2: Der Endgegner – eine Bahnsteigsperre! Was bei der mobilen Kontrolle im Zug schon nicht klappt, sollte natürlich kaum mit so einer stationären Sperre funktionieren. Der Versuch, den QR-Code meiner Interrail-Fahrkarte darüber zu halten, führt nichtmal dazu, dass die Sperre den Code überhaupt als solchen erkennt. Eigentlich wäre der übliche Workaround nun, am Automaten eine Fahrkarte für eine Station zu Kaufen und sich so in den Zug zu mogeln. Neben mir ist auch gerade ein Automat frei – anscheinend aber nur, weil der Touchscreen defekt ist. Hinter allen anderen Automaten steht eine Schlange von Leuten. Dabei habe ich doch so wenig Zeit! Also frage ich bei einem Mitarbeiter des Bahnhofspersonals nach. Der erklärt mir nochmal, ich solle den Code über den Leser halten. Toll, darauf wäre ich nicht gekommen. Nachdem er verstanden hat, dass das nicht geht, sollte ich mich mit der „assistance voyageurs“ auseinander setzen. Selbstredend sind die eigentlich eher für mobilitätseingeschränkte Reisende zuständig. Ich drücke trotzdem auf den „Hilfe“-Knopf und aus der Gegensprechanlage kommt ein unverständliches Genuschel, dass man bei dem Lärmpegel im Bahnhof bestenfalls zur Hälfte verstehen könnte. Ich brülle mein Anliegen in die Sprechanlage: „Ich reise mit einer Interrail-Fahrkarte und die Sperre geht nicht auf!“. Die Antwort kann ich wegen dem Lärmpegel nicht verstehen, weshalb ich mit dem obligatorischen „Comment?“ noch einmal nachfrage. Daraufhin kommt überraschenderweise eine laute und deutlich verständliche, aber auch hörbar entnervte Antwort: „I open gate 13 for you!“. Dankeschön! Warum nicht gleich so! Schließlich bin ich genau zur (tatsächlichen) planmäßigen Abfahrtszeit am Bahnsteig und kann noch etwas durchschnaufen, da der Zug drei Minuten Verspätung hat. Der eingesetzte Régio2N wird von Zusteigern überrannt und ist so voll, dass einige Leute stehen müssen.

Nach zum Glück nur 20 Minuten Fahrzeit erreichen wir das Land mit der höchsten Lebenserwartung der Welt und dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen Europas. Zu Besuch bei den Reichen und Schönen in Monaco! Monaco hält auch in Bezug auf unser Kernthema einen Rekord: Es gibt meines Wissens nach kein anderes Land auf der Welt, in dem der Tunnelanteil des Eisenbahnnetzes 100 % beträgt. Die Hauptstrecke entlang der Côte d’Azur unterquert das monegassische Staatsgebiet ausschließlich durch einen langen Tunnel, in den der Tunnelbahnhof Monaco-Monte Carlo integriert ist. Die Infrastruktur wird von der SNCF betrieben, da Monaco eine Enklave Frankreichs bildet und die Strecke beidseitig auf französischem Staatsgebiet fortgeführt wird. Achtung: Monaco gehört nicht zur EU und damit auch nicht zum innereuropäischen Roaming-Abkommen! Mobile Daten können in Monaco also schnell teuer werden und mit dem französischen Netz kann man vergeblich versuchen, sich zu verbinden. Daher am besten den Datenverkehr vor dem Grenzübertritt einstellen. Monaco sieht man eindeutig den Prunk und Protz an, den die reichen Steuerflüchtlinge dort rein getragen haben. Zudem sieht man in der ganzen Stadt die baulichen Vorrichtungen zur Durchführung verschiedener Motorsportwettbewerbe, am bekanntesten natürlich der Grand Prix de Monaco in der Formel 1. Die Promenade am Port Hercule wird von mehrstöckigen Tribünen gesäumt und die Straße ist als mehrspurige Einbahnstraße ohne markierte Fahrstreifen angelegt. Ich finde es ein wenig beängstigend, die Straße über den Zebra-Streifen zu queren. Die Autos halten nämlich nicht an, sondern wechseln so die Spur, dass sie mit ausreichendem Abstand an einem Fußgänger vorbei fahren können. Passend zur Bestimmung der Straße sieht man im Sekundentakt Sportwagen aus der oberen Preisklasse mit lauten Motorengeräuschen vorbeiziehen, aber trotzdem nie schneller als 50. (Abschreckend wirkt wahrscheinlich eher die Gefahr, dass das Auto bei Verkehrsvergehen beschlagnahmt wird, als die hohen Bußgelder.)

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7-21 Der Régio2N hält im Land der Schönen und Reichen

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7-22 Tunnelbahnhof von Monaco-Monte Carlo

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7-23 Dem Boulevard von Fürst Albert dem Ersten sieht man seine Bestimmung als Rennpiste deutlich an

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7-24 Port Hercule

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7-25 Gibt es hier an jeder Ecke…

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7-26 Hier kann man arm werden – links das Casino Café de Paris, rechts das Casino de Monte-Carlo

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7-27 Palais des Princes de Monaco

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7-28 Panorama vom fürstlichen Palast auf die Stadt und den Port Hercule – unten sind die großen Tribünen für Motorsport-Fans zu erkennen

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7-29 Aber auch die andere Seite sieht nicht schlecht aus – Port de Fontvieille

Nach dem Aufstieg zum Fürstenpalast geht es für mich zurück zum Bahnhof. Mit Hilfe der durchgängigen Beschilderung erreiche ich den Eingang schneller als gedacht. Ich wundere mich noch, dass ich die Stadt bei der Ankunft viel weiter nördlich erreicht hatte. Mit dem Betreten des Eingangs wird die Sache dann klarer. Ich bin nämlich noch gar nicht am Bahnhof angekommen, sondern finde mich in einem unterirdischen Gang wieder, der mindestens einen Kilometer lang ist. Dort sieht es aus wie am Flughafen. Rechts und links gibt es „horizontale Rolltreppen“, durch die man den Gang schneller entlang gehen kann. Das erleichtert den langen Weg bis zum Ende des Tunnels zumindest ein wenig. Das Ende des Tunnels geht in den Zugang zu den Bahnsteigen über – am südlichen Ende der Bahnsteigkanten. Die Bahnsteige haben aber auch noch mal eine Länge von rund 600 Metern und nach den Erfahrungen von der Hinfahrt halten die Züge in der Regel ganz vorne. Sehr schön, als wäre der Weg nicht schon lang genug gewesen. Wenigstens zeigt der Wagenstandanzeiger, dass mein Zug in etwa mittig halten sollte, weshalb ich den Weg etwas abkürzen kann. Der nächste Zug ist wieder ein Régio2N, der aus Ventimiglia kommt und in Monaco wendet. Daher ist der Zug jetzt auch nicht so voll.

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7-30 Eingang zum Bahnhof…

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7-31 …zu früh gefreut!

Nun heißt es endgültig Abschied nehmen von Frankreich. Wir fahren noch kurz durch die französische Stadt Menton, bevor der Zug direkt am Meer die italienische Grenze quert und in den Grenzbahnhof Ventimiglia einfährt.

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7-32 Wir verlassen das Fürstentum Monaco…

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7-33 …und queren wenig später die französisch-italienische Grenze

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7-34 Internationaler Anschluss am Bahnhof Ventimiglia

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7-35 Im Bahnhof wartet ein Intercity der Trenitalia auf seinen nächsten Einsatz

Wegen der Zeichenbegrenzung wird dieser Reisetag hier in zwei Einträge gebrochen. Die Fortsetzung von Tag 7 erfolgt im nächsten Beitrag.

[IT] Les Côtes de France – 7b/8 (14 B. ~ 1,5 MB)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:23 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

Am Grenzbahnhof Ventimiglia wartet schon der Anschluss zur Weiterfahrt an die italienischen Riviera. Der Regionale Veloce von Trenitalia wird durch einen lokbespannten Zug gefahren, der aus 6 Flachwagen mit abgesenktem Mittelteil besteht. Ich wundere mich im ersten Moment über diese Zugbildung, denn eigentlich hätte ich einen höheren Standard erwartet. Interrail verkauft die Züge der Gattung Regionale Veloce nämlich als reservierungspflichtig und auch im Kursbuch von Trenitalia steht für diese Züge teilweise eine Bemerkung „prenotazione obbligatoria“. Weder Interrail noch Trenitalia verkaufen aber Reservierungen für diese Zuggattung. Der Wagenpark verfügt weder über Reservierungsanzeigen, noch übertrifft der Komfort das urzeitliche Reiseerlebnis der deutschen n-Wagen. Ungünstigerweise ist im gesamten Zug nur eine Tür am letzten Wagen zum Einstieg geöffnet, an der die Zugbegleiterin wartet und die Fahrkarten kontrolliert. Ich gehe also zu ihr hin und frage nach, ob ich für den Zug nun eine Reservierung brauche oder nicht. Sie erklärt dann, dass es in diesem Zug keine Reservierung gibt und ich mich hinhocken solle, wo ich wolle. Gut, wäre das auch mal geklärt. Danke für die unnötige Verunsicherung, Interrail! Da die Umsteiger sich alle im hintersten Wagen breit machen, wollte ich noch einige Wagen vor, wo zu der Zeit noch Ruhe herrscht. Das ist aber leichter gesagt als getan, denn die Abteiltüren an den Einstiegsbereichen und die Wagenübergangstüren lassen sich nicht elektronisch oder pneumatisch öffnen. Nein, da ist im dem rustikalen Wagenpark noch echte Handarbeit gefragt. Es dauerte rund 10 Minuten, bis ich mich in den vierten Wagen vorgekämpft habe und dort sesshaft werde. Vor der Abfahrt kommt dann noch ein älterer Herr an den Zug heran getreten und will in meinen Wagen einsteigen. Wir beide versuchen, die Tür von der jeweiligen Seite zu öffnen – vergeblich. Er flucht (das können Italiener meiner Auffassung nach besonders gut) und geht mürrisch weiter zum letzten Wagen.

Die Fahrt in dem urzeitlichen Vehikel ist ein Erlebnis von der ganz besonderen Art. Die Strecke an der italienischen Riviera wurde in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut und führt heute größtenteils als Ausbaustrecke durch viele lange gerade Tunnel, in denen der Zug seine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h ausfährt. Nur wenige Streckenabschnitte, z. B. zwischen Alassio und Finale Ligure, sind noch in ihrer originalen Trassierung an der Küstenlinie erhalten. Die übrigen Abschnitte sind durch die Röhrenraserei ersetzt worden und dienen heute stellenweise als Bahntrassenradweg. Dabei wurden auch die Bahnhöfe an der historischen Trasse durch neue Bahnhöfe an der Ausbaustrecke ersetzt. Der Bahnhof von Sanremo z. B. liegt heute komplett im Tunnel. Nachdem der Wagenpark schon äußerlich und innerlich nicht sehr vertrauenserweckend wirkt, verstärkt sich dieser Eindruck bei 140 km/h im Tunnel noch einmal deutlich. Ein ziemlich mulmiges Gefühl fährt mit. Nach rund 2 Stunden bin ich endlich erlöst und an meinem Tagesziel in Genova angekommen, wo ich nun letztmalig für diese Reise eine Übernachtung gebucht habe.

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7-36 Der Regionale Veloce wird allerdings aus diesem vorsintflutlichen Wagenpark gebildet

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7-37 Italienische Riviera

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7-38 Alles neu – so auch der Bahnhof Diano Marina an der Ausbaustrecke. Früher befand sich der Bahnhof noch 2 Kilometer näher am Meer.

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7-39 Wir laufen in Genova ein.

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7-40 Genova hat zwei „Hauptbahnhöfe“. Ich steige am Bahnhof Piazza Principe aus. Der Zug fährt noch weiter bis zum zweiten großen Bahnhof Brignole.

Auch der letzte Abend endet mit einem kurzen Rundgang.

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7-41 Hier nun der zweite „Hauptbahnhof“ – Genova Brignole

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7-42 Piazza della Vittoria

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7-43 Piazza Raffaele de Ferrari

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7-44 Palazzo San Giorgio

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7-45 Die Aussicht von der Hafenpromenade auf die Stadt wird leider durch eine Hochstraße getrübt (Grüße nach Ludwigshafen!)

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7-46 Am Hafen – die Kugel beheimatet einen kleinen privaten Zoo

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7-47 Metro

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7-48 Die Verbindung vom Bahnhof Piazza Principe zum höher gelegenen Stadtteil Granarolo stellt eine Standseilbahn sicher

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7-49 Zum Abschluss noch ein Blick auf den Bahnhof Piazza Principe von der Ponte Umberto Pini aus betrachtet

[IT][CH][DE] Les Côtes de France – 8/8 (25 B. ~ 2,5 MB)

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:23 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

Am letzten Tag steht die Heimreise durch die (oder besser gesagt: unter den) Alpen an. Dafür bietet sich natürlich der direkte ECE Milano – Frankfurt an. Einfach in Milano einsteigen, 6 Stunden später in Karlsruhe aussteigen und schon bin ich fast zu Hause. Direkte Verbindungen sind nun einmal, aller Kritik zur Verspätungsanfälligkeit zum Trotz, ein besonderer Komfort. Also vorausgesetzt, der Zug endet nicht wegen irgendeiner Störung vorzeitig irgendwo.
Zuerst muss ich aber noch nach Milano kommen, wofür wieder ein Regionale Veloce herhalten sollte. Der Zug, der bereits um kurz nach 5:00 in Ventimiglia losgefahren ist, sollte den Bahnhof Piazza Principe um 7:38 erreichen und nach dem Fahrtrichtungswechsel um 7:50 nach Milano weiterfahren. Bei der ersten Überprüfung des Zuglaufs nach dem Aufstehen im Hotel wird die Ankunft noch mit +12 prognostiziert. Bis ich am Bahnhof bin ist diese Prognose auf +1 geschrumpft. Erneut sind es die heftigen Fahrzeitreserven, die das Aufholen von Verspätungen ermöglichen. Am Vorabend mussten wir mit unserem pünktlichen Zug nämlich auch rund 3 Minuten an allen Bahnhöfen im Stadtgebiet von Genova abstehen, um nicht vor Plan weiter zu fahren. Der Zug besteht aus 7 Reisezugwagen, die wenigstens ein bisschen mehr Komfort bieten als das Gerümpel gestern. In meinem Wagen macht sich weiter vorne ein Jugendlicher breit, der offenbar seinen Rausch ausschlafen möchte. Er legt sich quer über zwei Sitzbänke und streck die Beine über den Mittelgang, was der Zugbegleiterin gar nicht gefällt. Prompt muss er sich eine Standpauke anhören, die aber nur so lange gewirkt hat, bis die Zugbegleiterin im nächsten Wagen verschwunden ist. Selbstverständlich kommt sie nach dem nächsten Halt wieder und findet den Jugendlichen in der gleichen Position vor. Jetzt wird der Ton schon rauer. Immerhin scheint er ihre Erklärungen nun endlich verstanden zu haben und setzt sich aufrecht auf seinen Platz. Davon abgesehen ist die Zugbegleiterin permanent damit beschäftigt, die Maskenverweigerer auf die Maskenpflicht im Zug hinzuweisen. Im fast schon militärischem Ton wird regelmäßig „Signore, il mascherina!“ zu Protokoll gegeben. Aber auch das hält nur so lange an, wie sie sich im Sichtbereich der Fahrgäste aufhält. Gegen 9:30 erreichen wir dann den Bahnhof von Milano Centrale.

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8-1 Ich erreiche den Bahnhof Piazza Principe über den Seiteneingang am frühen Sonntagmorgen

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8-2 Am Gleis gegenüber steht wartet ein Regionalzug auf Fahrgäste

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8-3 Mein Zug besteht zur Abwechslung aus Reisezugwagen

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8-4 In Milano bedienen wir drei Fernbahnhöfe: Lambrate, Rogoredo und Centrale. Am Bahnhof Rogoredo kommt uns ein Frecciarossa nach Rom entgegen.

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8-5 In der Einfahrt des Bahnhofs Centrale kommen wir natürlich an dem markanten Reiterstellwerk vorbei

Vor der Weiterfahrt ins Heimatland mache ich einen kurzen Abstecher mit der U-Bahn in die Stadt. Nachdem ich am vergangenen Sonntag den Weg zwischen Eisenbahn und U-Bahn in Bruxelles schon nicht ganz ohne fand, legt Milano noch eine Schippe oben drauf. Fast 15 Minuten brauche ich vom Ausstieg aus dem Regionalzug bis zum Einstieg in die Metro. Und das obwohl der Fahrkartenkauf angenehm schnell erledigt ist. Trotzdem reicht die Aufenthaltszeit für die Fahrt zum Domplatz und dem anschließenden Fußweg in Richtung Nordwesten zum Parco Sempione. Eigentlich! Denn auch heute kommt natürlich etwas dazwischen: Ein Marathon! Die Via Dante komme ich bis zum „Kreisverkehr“ Largo Cairoli noch problemlos durch. Der Kreisverkehr ist aber Bestandteil der Marathon-Strecke und deshalb abgesperrt. Zum Glück habe ich eine Idee: Unter dem Kreisverkehr befindet sich eine Metro-Haltestelle. Ich gehe auf meiner Seite des Kreisverkehrs hinein in der Hoffnung, auf der anderen Seite einen Ausgang zu finden. Bingo – den gibt es tatsächlich! So ist dieses Hindernis überwunden und der Weg in Richtung Castello Sforzesco ist frei. Damit endet es dann aber auch, denn hinter dem Schloss führt erneut die Marathon-Strecke vorbei und an dieser Stelle gibt es keine Möglichkeit mehr, daran vorbei zu kommen. Schade, dann wird aus dem Besuch im Park leider nichts. Folglich gehe ich zur nächstgelegenen Metro-Haltestelle und fahre zurück zum Bahnhof. Wie es so schön heißt: Sport ist Mord – und wenn es auch nur das touristische Interesse sein mag, das dadurch ein Ende findet.

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8-6 Duomo

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8-7 Galleria Vittorio Emanuele II – eine überdachte Flaniermeile

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8-8 Castello Sforzesco

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8-9 Im Hintergrund der Arco della Pace hinter dem Parco Sempione – leider wegen der Marathon-Strecke an diesem Morgen unerreichbar

Am Bahnhof erwartet mich, nachdem ich den richtigen Zugang zu meinem Bahnsteig endlich gefunden hatte (der Bahnhof Milano Centrale ist echt riesig!), eine Astoro-Doppeltraktion. Der hintere Wagen ist ein RABe 503 der SBB, der vordere Wagen dagegen ein ETR 610 der Trenitalia. Vermutlich wegen der kurzen Bahnsteiglänge in Stresa ist der hintere Wagen in Milano aber noch abgesperrt. Der ETR 610 an der Spitze des Zuges sollte später nach Frankfurt durchfahren, während der hintere Zugteil in Basel abgehängt wird. Der Zug verlässt den Bahnhof Milano Centrale pünktlich und erreicht den nächsten Halt Stresa am Lago Maggiore nach rund einer Stunde mit +5. Die Fahrt durch die Vororte von Milano verläuft stellenweise sehr langsam und über eine recht indirekte Streckenführung. Gegen 12:45 erreichen wir den Grenzbahnhof Domodossola. Da ich dem ECE 52 in Karlsruhe bei meiner täglichen Pendlerheimfahrt planmäßig begegnen sollte und deshalb mit den recht schlechten Pünktlichkeitswerten des Zuges vertraut bin, befürchte ich in diesem Moment schon, dass das jetzt dauern wird. Das Gegenteil sollte sich aber unter Beweis stellen. Soweit ich es noch recht in Erinnerung habe verläuft die Grenzkontrolle so: Zunächst kommt eine Polizeistaffel durch, schaut sich nach verdächtigen Gegenständen um, findet nichts und rückt ab. Dann kommt eine Hundestaffel, schnüffelt kurz an den größeren Gepäckstücken nach auffälligen Substanzen, findet nichts und rückt ab. Zeitgleich steigen Beamte in grüner Kleidung (vermutlich vom Zoll) ein, bauen sich vor den Fahrgästen auf und erwarten wie selbstverständlich eine Reaktion. Als aber weder ich, noch die Reisenden gegenüber verstehen, was genau zu tun ist, kommt von dem Beamten ein genervtes „Signore, i documenti!“. Ich zeige meinen Ausweis, der Beamte entgegnet „Va bene, grazie!“ und geht weiter, nachdem auch am Vierer gegenüber die Ausweise auf dem Tisch liegen. Zuletzt kommt die Schweizer Grenzpolizei durch und geht sichtlich desinteressiert einmal auf und ab durch den Wagen. Sie haben sich anscheinend zuvor bei den italienischen Kollegen erkundet, dass alles in Ordnung ist, und scheinen eher der Form wegen noch einmal durch den Zug zu gehen. Jedenfalls ist nach 5 Minuten alles gut und der Zug setzt seine Fahrt mit der bisherigen Verspätung von +5 fort. Es folgt die Durchfahrt durch den Simplontunnel, nachdem wir uns kurz im Rhône-Tal wieder finden. Bei Brig liegt in den etwas höheren Lagen bereits eine lockere Schneedecke. Danach durchqueren wir den Lötschberg-Basistunnel. Zum Glück ist die Verspätung bei der Einfahrt in den Tunnel noch knapp unter 5 Minuten geblieben, sodass wir unseren Slot im eingleisigen Tunnelabschnitt noch nutzen können und nicht zurückgestellt werden. Die Ausfahrt aus dem Tunnel fühlt sich dann an wie die Ankunft in einer neuen Welt, denn draußen ist auf einmal Winterwunderland! Schnee, soweit das Auge reicht! Und das Anfang April und obwohl am Vortag an der Riviera noch knapp 20 Grad herrschten. Sichtlich davon beeindruckt geht die Fahrt weiter durch die Schweitzer Schneelandschaft in die Hauptstadt Bern. Dort steht ein Fahrtrichtungswechsel an.

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8-10 Das beeindruckende Empfangsgebäude des Bahnhofs Milano Centrale

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8-11 Im Bahnhof warten erneut einige Hochgeschwindigkeitszüge in Richtung Süden

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8-12 ECE Milano – Frankfurt. Der hintere Zugteil, ein SBB RABe 503, ist in Milano noch verschlossen…

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8-13 …und der vordere Zugteil, ein Trenitalia ETR 610, fährt nach Frankfurt.

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8-14 Abfahrt aus Milano

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8-15 Lago Maggiore

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8-16 Langsam kommen die Alpen näher

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8-17 Grenzbahnhof Domodossola

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8-18 Im Rhônetal bei Brig liegt schon etwas Schnee in den leicht erhöhten Lagen

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8-19 Blick in das Vispertal in Richtung Matterhorn – hier zweigt die Meterspurstrecke der Matterhorn-Gotthard-Bahn nach Zermatt aus dem Rhônetal ab

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8-20 Am Nordportal des Lötschberg-Basistunnels: Winterwunderland!

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8-21 Thunersee

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8-22 Fahrtrichtungswechsel in Bern

Normalerweise hätte der Zug nun über die autobahnnahe direkte Strecke nach Olten fahren sollen. Allerdings hält sich die Beschleunigung nach der Ausfahrt aus Bern noch in Grenzen. Nach wenigen Minuten kommt eine Durchsage: Wegen einem PU auf der direkten Strecke werden wir über die „Altstrecke“ über Burgdorf und Langenthal umgeleitet und erreichen Olten mit ca. 7 – 8 Minuten Verspätung. Eine Verspätung in der Schweiz – Sachen gibt es! Aber man muss fairerweise sagen: Für die Umstände kann die SBB nichts. Dafür verläuft die Umleitung dann zügig und reibungslos. Obwohl uns im Blockabstand Züge entgegen kommen fahren wir durchgehend mit ca. 100 km/h, ohne einmal anhalten zu müssen. Olten haben wir dennoch, entgegen der Prognose, mit +12 erreicht. Bis nach Basel erhöht sich die Verspätung wegen der dichten Streckenbelegung im Zulauf auf die Stadt auf +15. Die Weiterfahrt nach Deutschland erzeugt dann abermals weitere Verzögerungen, sodass wir Basel SBB mit +20 und Basel Bad Bf mit +25 verlassen. Aber egal: Da die Verspätung in der Schweiz ihren Ursprung genommen hat, kann die DB wieder freudestrahlend die Schuld auf andere abwälzen und die Verspätung mit dem Text „Verspätung im Ausland“ begründen. Weil auch der nachfolgende ICE verspätet ist nehmen wir in Freiburg eine ziemliche Menge an Fahrgästen mit. Damit ist der Zug zwischen Freiburg und Karlsruhe fast voll. Unterwegs folgt dann noch der absolut und überhaupt wichtigste Zwischenhalt der ganzen Strecke in, nun ja, Ringsheim. Das muss man sich vorstellen: Der Direktzug nach Milano hält nicht in Offenburg, nicht in Baden-Baden, nicht in Rastatt, dafür aber im 2.000-Einwohner-Kaff Ringsheim. Und das nur, damit man jubelnd verkünden kann, man hat den Europa-Park an den Fernverkehr angebunden. Der einzige Grund, warum ausgerechnet dieser Zug dort hält, ist die kastrierte Bahnsteiglänge. Die lässt nämlich keinen ICE-Halt für eine ICE 3-Doppeltraktion oder einen ICE 4 zu. Der achtteilige ETR 610 passt aber an den Bahnsteig. Deshalb hat man diesem Zug seinen Halt in Baden-Baden genommen, damit er dem Europa-Park einen prestigeträchtigen Fernverkehrsanschluss bieten kann. Soweit ich es korrekt gesehen habe ist in Ringsheim niemand ein- oder ausgestiegen. Kleiner Fun Fact am Rande: Der Halt in Ringsheim ist sogar so unbedeutend, dass der nächste RE 7 nach Karlsruhe dort durchfährt. Soviel zum Thema. Meinen 6-Minuten-Anschluss zur RB 51 in Karlsruhe habe ich wegen der Verspätung schon längst abgeschrieben. Unterwegs fällt mir dann aber auf, dass auch die RB 51 mit rund 20 Minuten Verspätung aus Vorleistung ab Karlsruhe angekündigt wird. Die Hoffnung, den Anschluss doch noch zu erreichen, macht die Baustelle bei Rastatt dann aber zunichte. Nach der Schleichfahrt über die Murgbrücke sollten laut Prognose noch maximal 2 Minuten Umsteigezeit übrig bleiben. Normalerweise würde das reichen, denn der ECE kommt auf Gleis 3 an und die RB fährt auf Gleis 1 ab. Wegen der Verspätung wird die RB aber auf Gleis 101 verlegt und ich bin im ECE ganz vorne, sodass der Anschluss aussichtslos wird. Durch den Zug zur letzten Tür zurück gehen funktioniert nicht, da der Gang mit den Zusteigern aus Freiburg zugestellt ist. Und bis ich am Bahnsteig zur Unterführung zurück gerannt bin, hat sich an der Rolltreppe, wie in Karlsruhe üblich, ein Rückstau gebildet. Mein letzter Versuch wäre also die Unterführung Poststraße und dann ein Sprint über Gleis 1 vor zur Hauptunterführung. Bei der Einfahrt in den Bahnhof fahren wir noch an dem auf Gleis 101 wartenden Talent vorbei. Bis ich aber die Treppe zum Pfälzer Bahnhof erreicht habe, dröhnt der Sichtanschluss von dannen.

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8-23 Der wichtigste Unterwegshalt der ganzen Strecke

Nun gut, nutze ich die Viertelstunde Wartezeit eben zur Verpflegung. Karlsruhe verlasse ich pünktlich um 18:06 mit dem nächsten RE 6, einer Talent-Doppeltraktion nach Kaiserslautern. Vorteil der Situation: Da der RE auf die RB aufläuft kommen wir später in Winden an, sodass sich die Wartezeit auf den Anschluss verkürzt. Gut für mich, schlecht für die anderen Mitreisenden. Ein Anzugträger im Vierer gegenüber regt sich am Telefon lautstark bei seinem Gesprächspartner darüber auf, was für einen schlechten Service die Bahn da wieder abliefert. Natürlich in direkter Hörweite der Zugbegleiterin, die sich zum Glück auf die Provokation nicht einlässt. Die RB 51 hätte mich direkt nach Hause gebracht. Der RE 6 hält dagegen nicht zwischen Landau und Neustadt, sodass unterwegs ein Umstieg auf die RB 53 aus Wissembourg notwendig wird. Ich persönlich steige immer in Winden um, obwohl die Fahrplanauskunft den Umstieg in beiden Richtungen in Landau beauskunftet. Verständlich: Landau hat wenigstens noch etwas Aufenthaltsqualität. In Winden ist dagegen nicht mal das Bahnhofsgebäude zur Überbrückung von Umsteigezeiten nutzbar. Es gibt aber zwei gute Gründe, trotzdem schon in Winden umzusteigen:
1. In Landau halten sich besonders am Abend gerne sehr zwielichtige Gestalten auf
2. Zwischen Winden und Landau ist die RB 53 so gut wie leer. Man kann sich also beim Einstieg gemütlich einen Platz aussuchen.
Die meisten Fahrgäste der RB 53 aus Richtung Wissembourg steigen in Winden auf die RB 51 nach Karlsruhe um. Deshalb ist der Zug beim Einstieg in Winden nur noch spärlich besetzt und man findet gemütlich einen Platz. Dann braucht man sich darum in Landau keine Gedanken mehr zu machen, wenn der Zug zu manchen Tageszeiten von Zusteigern gestürmt wird. Ich fahre also das letzte Stück der Reise mit der RB 53 um 18:53 ab Winden. Am Wochenende fährt bei dieser Fahrt ein Blauwal-Pärchen (A-TER) vor, das von Strasbourg über Wissembourg nach Neustadt durchgebunden wird. Unterwegs stelle ich fest, dass der RE 6 die RB 51 in Landau außerplanmäßig überholt hat. Ich hätte also, wäre ich sitzen geblieben, in Landau noch in den „planmäßigen“ Zug umsteigen können. Aber gut, am Ende komme ich mit der RB 53 gerade einmal rund 10 Minuten später an als mit der planmäßigen Verbindung. So erreiche ich nach 8 Tagen und fast genau 12 Stunden wieder meinen Ausgangspunkt.

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8-24 Für Freunde der Baureihe 628: In Kandel kreuzen wir den Felsenland-Express an seinem ersten Fahrtag der Saison. Zumindest an diesem Tag war hier ein 628 unterwegs, während der Bundenthaler nach Neustadt mit einem Desiro gefahren wurde.

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8-25 Zwei Blauwale der SNCF als RB 81430 nach Neustadt in Winden

Abschließend nun noch einige Angaben für Zahlenfreunde:

Insgesamt habe ich auf dieser Reise ohne Fußwege und die Fahrten mit dem sonstigen ÖPNV eine Strecke von 4.353 km zurück gelegt, davon 4.188 km mit dem Zug und 165 km mit Reisebussen der SNCF. Von dieser Strecke entfallen 2.811 km auf Frankreich, 622 km auf Deutschland, 440 km auf Italien, 256 km auf Belgien, 222 km auf die Schweiz, 2 km auf Monaco und 0 km auf Spanien (EuskoTren werte ich als U-Bahn und damit als sonstigen ÖPNV, den ich nicht in die Statistik mit einbezogen habe). Die Gesamt-Fahrzeit beträgt 50 Stunden und 7 Minuten. Das entspricht einer mittleren Geschwindigkeit von 87 km/h. Die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht der TERGV von Lille nach Calais mit 216 km/h. Die sowohl von der Fahrzeit, als auch der Strecke längste Fahrt war die im ECE von Milano nach Karlsruhe, die für 561 km 6 Stunden und 7 Minuten benötigen sollte. Von 39 Fahrten waren 33 nach der offiziellen 5:59-Minuten-Definition der DB pünktlich, 5 Fahrten verspätet und eine Fahrt ausgefallen. Damit erreicht meine Stichprobe eine Pünktlichkeit von 86,8 % und eine Zuverlässigkeit von 97,4 %. Außerdem habe ich einen Anschluss, den planmäßig letzten in Karlsruhe, nicht erreicht. Bei einer so langen und kleinteiligen Reisekette kann sich das schon sehen lassen. In Summe habe ich für alle Fahrkarten und Reservierungen 401 € gezahlt. Dabei sind die 55 € für die Ersatzfahrkarte von Marseille nach Nice ohne den Wert des Erstattungsgutscheins mit einbezogen. Das entspricht einem Fahrpreis von 9,2 Cent pro Kilometer. Es ist kein absoluter Spottpreis, aber für das Preisniveau im französischen Bahnverkehr und die Nutzung der 1. Klasse wo vorhanden finde ich den Preis mehr als angemessen.

Alles in allem fand ich die Reise trotz aller Strapazen und dem unbeständigen Wetter eine schöne Tour im Frühjahr mit vielen schönen Städten und Strecken. Gerade eher weniger bekannte Orte wie Granville und Saint Malo haben es mir besonders angetan. Aber auch die französische Eisenbahn hat mich positiv mit dem besonders ausgeprägten Engagement der Mitarbeiter an der Basis überrascht, die sichtlich bemüht sind, die zahlende Kundschaft zufrieden an ihr Ziel zu bringen – so, wie man es eigentlich auch erwarten würde (Hallo DB Fernverkehr!). Ich komme jedenfalls gerne wieder. Für die nächste größere Tour habe ich grob die iberische Halbinsel im Visier, aber bis die Planungen dazu ausgereift sind und ein Termin gefunden wurde geht noch (sehr) viel Zeit ins Land. In diesem Sinne möchte ich mich von diesem Bericht nun verabschieden. Vielen Dank für euer Interesse!

Les Côtes de France – Nachwort: Buchungschaos um ECE 52

Pfälzer, Sonntag, 19.06.2022, 16:24 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

Nach dem eigentlichen Bericht möchte ich in diesem kurzen Nachwort nun auf eine ganz besondere „Spezialität“ der (Nicht-)Kooperation der europäischen Eisenbahngesellschaften hinweisen, die mir im Buchungsprozess der Reise untergekommen ist. Meine Kundenanforderung ist eigentlich recht einfach:

Ich möchte am 03.04.2022 mit ECE 52 von Milano Centrale (ab 11:20) nach Karlsruhe Hbf (an 17:27) fahren!

Zeitpunkt der Buchungsanfrage war der 13.02.2022, also genau 8 Wochen vor Abfahrt. Normalerweise sollte man erwarten können, dass internationale Bahnfahrten mit diesem Vorlauf buchbar sind. Zumindest wenn man bedenkt, dass man zu diesem Zeitpunkt schon Flüge für den Weihnachtsurlaub buchen könnte.

Auf das folgende Problem bin ich dann gestoßen, da ich für diesen Zug im Interrail-Reservierungssystem komischerweise ab Milano maximal bis Bern, aber nicht durchgehend bis Karlsruhe reservieren konnte. Das hat mich irgendwie stutzig gemacht, denn Bern stellt nun nicht unbedingt eine Tarifgrenze zweier Eisenbahngesellschaften dar. Wenn also über die Trenitalia-SBB-Schwelle reserviert werden kann, warum dann nicht auch mindestens bis Basel?

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N-1 Obwohl im Interrail-Reservierungssystem Preise für die Strecke Milano – Karlsruhe angezeigt werden, führt der Versuch der Reservierung im nächsten Schritt zu der Aussage, es seien keine Plätze reservierbar. Für Buchungsanfragen bis Bern ist die Reservierung allerdings möglich.

Ok gut, ich habe dann bis Brig reserviert, denn ab da ist der Zug für Interrail reservierungsfrei. Nun wollte ich aber doch wissen, wie diese eigenartige Konstellation zu Stand kommen könnte. Also habe ich den Zug erst einmal bei der DB angefragt und – Überraschung – nach Meinung der DB fährt der am 3. April erst ab Domodossola.

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N-2 Nach Auskunft der DB fährt der Zug am Reisetag nicht zwischen Milano und Domodossola

Das fand ich dann mehr als interessant, hatte ich doch wenige Minuten zuvor für genau diesen Zug auf dem angeblich nicht verkehrenden Abschnitt eine Reservierung gekauft.

Gut, wenn er angeblich nicht fährt, dann mal sehen was die zuständige Bahngesellschaft Trenitalia dazu meint.

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N-3 Laut Trenitalia soll der Zug normal fahren, ist aber ausverkauft

Und da aller guten Dinge drei sind und noch eine dritte Gesellschaft beteiligt ist, wollte ich mir abschließend noch die Meinung der SBB einholen. Die liefert dann wiederum das kurioseste Ergebnis.

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N-4 Die SBB meint, man müsse unterwegs für den durchgehenden Zuglauf zweimal umsteigen. Der Abschnitt Domodossola – Basel läuft unter der Zugnummer 5322.

Fassen wir einmal die bisherigen Ergebnisse zusammen: Wir haben die Informationen dreier europäischer Eisenbahngesellschaften konsultiert, die an einem gemeinsamen Zuglauf beteiligt sind, und drei unterschiedliche Informationen zu dieser Zugfahrt am angefragten Tag erhalten. Eine durchgehende Einzelfahrt von Milano nach Karlsruhe in diesem Zug hätten wir bei keiner der drei Gesellschaften buchen können:
- Bei der DB nicht, da sie den Zug von Milano nach Domodossola nicht kennt
- Bei der SBB nicht, da in deren Buchungssystem der Zuglauf in drei Teilabschnitte gebrochen ist
- Bei Trenitalia nicht, da der Zug angeblich ausverkauft ist

Letzter Versuch: Mal sehen, was Bahngesellschaften beauskunften, die gar nicht an diesem Zug beteiligt sind.

Da die ÖBB auch ein HAFAS-basiertes Buchungssystem verwendet und ich davon ausgehe, dass die Datenbasis auf europäischer Ebene mit derjenigen der DB übereinstimmt, weist die ÖBB das selbe Ergebnis wie die DB aus. Der Zug ist zwischen Milano und Domodossola nicht bekannt.

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N-5 Scotty hält sich an die DB

Nach so viel Frust und Misserfolg soll es im 5. Anlauf nun aber noch einen Erfolg geben, und zwar bei der SNCF.

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N-6 Die SNCF verkauft als einzige Bahngesellschaft tatsächlich diese Verbindung durchgehend.

Was dabei allerdings auffällt: Während der Preis für die 2. Klasse mit 60 € sehr günstig scheint (andere Verbindungen kosten mindestens 100 €), ist die 1. Klasse mit 253 € vergleichsweise teuer (andere Verbindungen gibt es für maximal 200 €).

Halten wir als Fazit fest: Der Versuch, einen durchgehenden Zug von Milano nach Karlsruhe zu buchen, funktioniert ausschließlich bei einer nicht daran beteiligten Bahngesellschaft. Die anderen Bahnen, die an diesem Zuglauf beteiligt sind, kennen den Zug entweder nicht oder sie ermöglichen keine Buchung dafür. In drei verschiedenen Auskunftssystemen erhält man drei verschiedene Informationen darüber, wo und wie der Zug am angefragten Datum fahren soll.

Alles in allem wirkt es, als ob kein Interesse daran besteht, die damals in den Medien so gefeierte Direktverbindung nach Milano zu vermarkten. Denn wie soll man von einem normalen, wenig „bahn-geschädigten“ Kunden erwarten, durch dieses Informations- und Buchungschaos noch durchzublicken? Auch wenn es alles andere als schön ist, aber ich bin mir ziemlich sicher: Ein normaler Kunde würde mit dieser Informationslage lieber bei der Lufthansa buchen. Da weiß man eben, was man hat, und das auch schon 8 Wochen vorher. Es besteht hier offensichtlich bei der Bahn noch ein dringender Nachholbedarf, was die Vereinfachung der Buchung internationaler Direktverbindungen angeht.

Les Côtes de France – Nachwort: Buchungschaos um ECE 52

Arctocebus, Montag, 20.06.2022, 09:55 (vor 638 Tagen) @ Pfälzer

Danke für den tollen Bericht!

Ab 2023 dann hoffentlich seitens SBB besser buchbar, dann kommt die neue Buchungsplattform.

Was war jetzt die Ursache für das nächtliche Pfeifen? Habe ich wohl überlesen…

Les Côtes de France – Nachwort: Buchungschaos um ECE 52

Pfälzer, Montag, 20.06.2022, 14:22 (vor 638 Tagen) @ Arctocebus

Hallo,

danke für das Interesse!

Was war jetzt die Ursache für das nächtliche Pfeifen? Habe ich wohl überlesen…

Ja, das habe ich wohl zu gut im Text versteckt ;)

Das Problem an dieser Sache war, dass mir die Ursache erst im Laufe des nächsten Tages (Tag 6) klar wurde. Es war tatsächlich ein stürmischer Wind, den man natürlich im luftigen 8. OG sehr gut wahrnehmen konnte. Ich hatte das in der Nacht nur deshalb nicht in Betracht gezogen, weil es in Lourdes noch windstill war und auch am Abend in Toulouse, z. B. am Ufer der Garonne, nur ein leiser Zug und keine Sturmböen herrschten. Am Morgen empfand ich es auf der Straße in Toulouse auch noch recht angenehm, bis am ersten Zwischenhalt in Carcassonne langsam die Einsicht kam, dass der Wind doch heftiger ist als angenommen. Am Ende hat mich aber erst der Hinweis der Busgesellschaft RTCA auf die Sturmwarnung in den südlichen Landesteilen gebracht. Spätestens am nächsten Halt in Sète durfte ich dann hautnah erleben, wie sich "orkanartige Böen" bei weniger als 10 Grad am Meer so anfühlen. Wie heißt es so schön: "Ab in den Süden - der Sonne hinterher!" Ich nehme an, wer an diesem Tag ein Segelboot zur Verfügung hatte, war da ganz vorne mit dabei ;)

Freundliche Grüße aus dem Süden!

Hättest du doch an die Eisenbahn gedacht! ;-)

Der Blaschke, Mittwoch, 22.06.2022, 10:22 (vor 636 Tagen) @ Pfälzer

Hey.

Spätestens am nächsten Halt in Sète durfte ich dann hautnah erleben, wie sich "orkanartige Böen" bei weniger als 10 Grad am Meer so anfühlen.

Und nach dem Lüftchen war lange Zeit sogar ein Zug benannt. Fuhr sogar als TEE! Und war der schnellste Zug Europas zu der Zeit. Was ja zum Wind passt ... ;-)

Die Schnellfahrstrecke Paris Lyon und der TGV machten ihm dann den Garaus!

Und bevor das zur Rätselstunde ausartet:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Mistral_(Zug)


Und der dazu gehörige Wind:


https://de.m.wikipedia.org/wiki/Mistral_(Wind)


Schöne Grüße von jörg


der über den Zugnamen mal in einem TEE-Buch gestolpert ist. Ich fand den Namen melodisch mystisch. Sagte mir nur nix. Also recherchierte ich. ;-)

Keine Hauptstadt. Und hier ein großes DANKE für den Bericht.

Der Blaschke, Mittwoch, 22.06.2022, 15:50 (vor 636 Tagen) @ Pfälzer

Hey.

Sichtlich davon beeindruckt geht die Fahrt weiter durch die Schweitzer Schneelandschaft in die Hauptstadt Bern.


Das geht nicht. Die Schweiz hat keine Hauptstadt!

Bern ist Bundesstadt.


https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hauptstadtfrage_der_Schweiz

In diesem Sinne möchte ich mich von diesem Bericht nun verabschieden. Vielen Dank für euer Interesse!

Ich möchte mich an dieser Stelle dann ausdrücklich für den umfangreichen Bericht bedanken! Der sprachlich schriftliche Teil vermag genauso zu begeistern und überzeugen wie die Bildauswahl und -zusammenstellung.

Vielen Dank für die Mühen und den Zeitaufwand.

Und gerne mehr!!!!!


Schöne Grüße von jörg

[IT] Les Côtes de France – 7b/8 (14 B. ~ 1,5 MB)

Sören Heise, Region Hannover, Mittwoch, 22.06.2022, 18:36 (vor 636 Tagen) @ Pfälzer

Moin.

Besten Dank für die umfangreiche Reportage!

[image]
7-36 Der Regionale Veloce wird allerdings aus diesem vorsintflutlichen Wagenpark gebildet

Mit dem Niederfluranteil waren die Wagen mal ihrer Zeit voraus. Jetzt läuft sie ab.


7-45: Freu Dich Doch, dass Du in Ludwigshafen die Hochstraße siehst. Durch die gewinnt die Stadt doch. :-)


Nächstes mal geht es dann um Italiens Küsten? Da dürftest Du, auch mit Sizilien in Summe meer Mehr sehen.

Viele Grüße
Sören

--
[image]

Verstehen Sie Bahnhof!
Europa: Linkliste Fahrplantabellen und mehr

Heinz Erhardt. Und Monaco mein Traum ;-)

Der Blaschke, Mittwoch, 22.06.2022, 15:37 (vor 636 Tagen) @ Pfälzer

Hey.

Die einfachste Lösung ist, den geplanten Aufenthalt in Cannes zu streichen. Damit würde ich in Nice nur rund eine halbe Stunde zu spät ankommen

Und dann all die schönen Dörfer dort. Cannes. Nizza. Und so. Kann Nizza gewesen sein ... (Heinz Erhardt).

Und zu Marseille und dem Fisch:


... das Dumme ist: da ragen so dicke Rohre ins Meer, das ist für die Abwässer von den Hotels, in denen man da wohnt. Wenn man dann schwimmt, trifft man alte Bekannte. (...) Na, darum heißt ja die Gegend da auch "Côte d'Azur". Mehr Kot als d'Azur!

Die Infrastruktur wird von der SNCF betrieben, da Monaco eine Enklave Frankreichs bildet und die Strecke beidseitig auf französischem Staatsgebiet fortgeführt wird.

Aber nur eine 'unechte' Enklave. Gibt nämlich Meereszugang!

[image]
7-23 Dem Boulevard von Fürst Albert dem Ersten sieht man seine Bestimmung als Rennpiste deutlich an

Da kribbelt es in den Fingern ... Da würde ich auch mal rumheizen wollen. Nürburgring-Nordschleife kenn ich ja schon ...

[image]
7-27 Palais des Princes de Monaco

Hach, wüßte Charlène Wittstock doch von meiner Existenz ...


Schöne Grüße von jörg

Narbonne. Pont d'Avignon. Und Ernäherungstipp.

Der Blaschke, Mittwoch, 22.06.2022, 15:13 (vor 636 Tagen) @ Pfälzer

Hey.

Ich stieg in Narbonne um in einen Zug, der die Fahrt auf der Hauptstrecke in Richtung Avignon fortsetzt. Der Knotenanschluss um 11:00 in Narbonne wird durch zwei entsprechende Gegenzüge, einmal Perpignan – Narbonne – Toulouse und einmal Avignon – Narbonne, zu einem vollwertigen Rendez-Vous-Knoten komplettiert.

Das schönste an Narbonne war die Betonung der SNCF-Durchsage. Wenn man das einmal gehört hat, weiß, was der DB fehlt.

Nabonne, ici Narbonne.

Herrlich.

Daneben gibt es noch eine andere Sehenswürdigkeit in Avignon mit einer interessanten Geschichte: Die Pont Saint Benezet. Die Steinbrücke wurde zur Zeit der Päpste als Verbindung zwischen der Innenstadt und der Vorstadt Villeneuve-lès-Avignon errichtet, hielt aber in den folgenden Jahren den Hochwassern der Rhône nicht stand. Heute stehen von der Brücke nur noch 4 Pfeiler und sie endet an einer Abbruchkante mitten auf dem Fluss.

Hm ... Ist die Brücke nicht vor allem wegen des Kinderliedes bekannt? Sur le pont d'Avignon ...

Ach ja: In einem gar nicht so alten Hit interpretiert Mark Ćwiertnia, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Mark Forster, folgende Textzeile: „Ich war am Hafen Marseilles - aß den Fisch dort direkt aus der See“. Davon würde ich nun wirklich abraten! So schön tiefblau das Wasser an der Côte bleue auch ist, so dreckig sieht die Brühe im Hafenbecken aus, der man die Abgasen der Motorboote und den dort versenkten Müll förmlich ansieht. Da ist der Fisch aus hoher See dann doch eher zu empfehlen.

Nö. Beim Hafenfisch hast du dann gleich alle möglichen Schadstoffe auf einmal intus. Viel bequemer als sich durch Unmengen diverser Speisen zu kämpfen für dasselbe Ergebnis ...


Schöne Grüße von jörg

OT: Parken - auf der richtigen Seite ...

Der Blaschke, Mittwoch, 22.06.2022, 14:28 (vor 636 Tagen) @ Pfälzer

Hallo.

[image]
3-12 Parkregelung der anderen Art: Vom 1. bis zum 15. jeden Monats darf man hier nicht parken, vom 16. bis zum 31. aber schon (ich hoffe, ich habe es richtig rum verstanden).

Parken darfst du immer - es kommt aber auf die Straßenseite an! Die wechselt jeweils zum 16. und zum 1.


Schöne Grüße von jörg

[DE][BE][FR] Les Côtes de France – 1/8 (26 B. ~ 2,5 MB)

Turbonegro, Sonntag, 19.06.2022, 18:19 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer
bearbeitet von Turbonegro, Sonntag, 19.06.2022, 18:20

Hallo,
ein sehr schöner Reisebericht, den ich komplett gelesen habe, da ich ein Großteil der Strecken, mit Ausnahme des belgischen Teils und des Bereichs Hauts-de-France selbst bereist habe.

Auch ich bin in Frankreich gerne mit dem Zug unterwegs, die Züge sind doch meistens pünktlich, allerdings muss man auch sagen, dass die Taktfolge dich sehr zu wünschen lässt. Da schätze ich in Baden-Württemberg, dass ich auf den meisten Linien alle halbe Stunde oder alle Stunden weiterkomme und nicht nur 8 Verbindungen am Tag, davon zwei per Bus, habe.

Zwischen Nice und Marseille hatte ich damals übrigens auch Störung und +90, allerdings wegen "obstacles sur la voie" und zwischen Toulouse und Perpignan bin ich während eines Streiks gefahren, da wird aus einer kurzen Reise eine tagesfüllende Aufgabe. Auch hier können wir uns im Verhältnis in Deutschland glücklich schätzen, dass die Anzahl der Streiks doch sehr gering ist, in Frankreich wird sehr oft für und gegen alles mögliche gestreikt.

[DE][BE][FR] Les Côtes de France – 1/8 (26 B. ~ 2,5 MB)

Pfälzer, Montag, 20.06.2022, 14:14 (vor 638 Tagen) @ Turbonegro

Hallo,

zunächst Danke, dass dir der Bericht gefallen hat.

Auch ich bin in Frankreich gerne mit dem Zug unterwegs, die Züge sind doch meistens pünktlich, allerdings muss man auch sagen, dass die Taktfolge dich sehr zu wünschen lässt. Da schätze ich in Baden-Württemberg, dass ich auf den meisten Linien alle halbe Stunde oder alle Stunden weiterkomme und nicht nur 8 Verbindungen am Tag, davon zwei per Bus, habe.

Die Häufigkeit der Verbindungen ist bei uns in Deutschland natürlich ein großer Vorteil. In Frankreich konnte ich auf einzelnen Fahrplanaushängen, besonders um die größeren Städte herum, zwar Spuren eines Taktfahrplans erkennen, aber trotzdem sind dann einige Taktlagen am Vormittag und am frühen Nachmittag ausgelegt. Nicht ohne Grund wird das Land gerne als Beispiel für fehlende integrale Taktfahrpläne genannt. Es gibt aber Lichtblicke: Mit der aktuellen Ausschreibung der grenzüberschreitenden Nahverkehre im Südwesten soll das Angebot auf den französischen Streckenabschnitten (z. B. Strasbourg - Wissembourg und Strasbourg - Lauterbourg) ausgebaut und verstetigt werden. Vielleicht kommt damit langsam die Einsicht, dass tagesdurchgängige Taktfahrpläne auch in Frankreich funktionieren könnten.

Gerade in Baden-Württemberg zeigt sich aber auch der Nachteil der hohen Angebotsdichte, die sich negativ auf die Pünktlichkeit der Züge auswirkt. Beste Beispiele sind die Residenzbahn oder die Streckenabschnitte zwischen Karlsruhe und Bruchsal sowie zwischen Mannheim und Heidelberg. Die dichte Streckenbelegung von Nah-, Fern- und Güterverkehr teilweise im Blockabstand ist extrem anfällig für kleinste Störungen, die den ganzen Fahrplan durcheinander bringen können. Das Problem habe ich in Frankreich in den Dimensionen noch nicht erlebt, auch wenn die Bereiche um die größeren Städte ebenfalls verspätungsanfälliger sind als die Streckenabschnitte auf dem "platten Land". Da sind andere Verspätungsursachen (Fahrzeugstörung, Infrastrukturstörung, Vorleistung, ...) schon eher dominierend.

Zwischen Nice und Marseille hatte ich damals übrigens auch Störung und +90, allerdings wegen "obstacles sur la voie" und zwischen Toulouse und Perpignan bin ich während eines Streiks gefahren, da wird aus einer kurzen Reise eine tagesfüllende Aufgabe. Auch hier können wir uns im Verhältnis in Deutschland glücklich schätzen, dass die Anzahl der Streiks doch sehr gering ist, in Frankreich wird sehr oft für und gegen alles mögliche gestreikt.

Ich war sehr froh darum, im Reisezeitraum nicht von Streiks (mouvement social national interprofessionnel* oder auch kurz grève) betroffen zu sein. Das Risiko war immer da und war mir bei Frankreich auch stets bewusst. Unter anderem dafür habe ich kürzere Tagesetappen eingelegt, die man notfalls schneller oder auf Alternativrouten zurück legen könnte.

Tatsächlich gab es wenige Wochen vor Reiseantritt noch Streiks bei der SNCF. Unter anderem wurden die Stellwerke in der Region Grand-Est bestreikt, wodurch auch der Alleo-Hochgeschwindigkeitsverkehr betroffen war. Ich erinnere mich noch an einen Ersatzfahrplan für die Bestreikung des Stellwerks in Metz, bei dem in der Hauptverkehrszeit (heure de pointe) zwischen Metz und Nancy zwar noch alle halbe Stunde gefahren wurde, dazwischen aber 7 Stunden lang gar nicht! Normal wäre für diese Strecke ein (fast) tagesdurchgängiger Halbstundentakt von schnellen Zügen (Halt nur in Pagny sur Moselle und Pont à Mousson) mit einzelnen zusätzlichen langsamen Fahrten. Ersatzverkehre waren da übrigens Fehlanzeige. Die Intensität von Streikmaßnahmen scheint aber regional zu variieren, denn zeitgleich waren durch Lokführer-Streiks in der Region Occitanie nur einzelne Züge ausgefallen, für die sogar ein BNV eingereicht wurde. Trotzdem schwebte damit ein böses Omen über der Reiseplanung, dass sich zum Glück nicht bewahrheiten sollte.

Freundliche Grüße aus dem Süden!

*Ich frage mich bei dem Wort immer, ob damit wirklich ein übergreifender Streik im öffentlichen Dienst so in Richtung Generalstreik gemeint ist oder eher ein Streik von mehreren Berufsgruppen innerhalb der SNCF. Denn man hat es zwar vereinzelt schon gehört, dass während eines SNCF-Streiks auch die KiTas zu geblieben sind oder die Post liegen gelassen wurde, aber generell und auch medial scheinen die Streiks bei der SNCF immer die größte Aufmerksamkeit zu bekommen.

Danke für den interessanten Bericht! :)

sflori, Sonntag, 19.06.2022, 20:53 (vor 639 Tagen) @ Pfälzer

- kein Text -

Danke für interessante Eindrücke! Reisen in FR ist schön!

kllaas, Dienstag, 21.06.2022, 07:14 (vor 637 Tagen) @ Pfälzer

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