[CH] Mit dem Zug ins Berner Oberland - ein Bericht (Reiseberichte)
Guten Abend alle zusammen!
Mein kleiner Bericht zu unserer Kurzreise ins Berner Oberland und zurück soll weniger ein Bildbericht mit vielen tollen Streckenansichten sein, sondern eher ein Erfahrungsbericht zweier langer, aber sehr interessanter Fahrten mit unterschiedlichen Zugtypen.
Wir planten einen Kurzurlaub, wenige Tage, möglichst in der Natur und fanden eine für uns attraktive Bleibe in Lenk im Simmental, einem kleinen Ort im Berner Oberland. Da meine Frau keinen Führerschein hat und ich sowieso so lange Autofahrten hasse, war klar: wir reisen mit der Bahn! Für unsere erst knapp 4 Monate alte Tochter sollte es die erste so weite Reise werden, also auch quasi eine Art Test für uns, wie das mit ihr unterwegs so klappt.
Zunächst hieß es 4 Uhr aufstehen, fertigmachen und los zum Bahnhof. Mit dem RE (BR 612) fuhren wir nach Erfurt. Das Einladen des großen Koffers und des Kinderwagens in den hochflurigen 612er ist sicher weniger angenehm, aber wir bekamen das gut hin. So früh am Morgen sind ja noch kaum Radfahrer im Zug unterwegs, da ist auch der Platz eher nicht das Problem. Ab Erfurt ging es mit ICE 1656 nach Frankfurt. In Wagen 24 fanden wir gemütliche Plätze und der Kinderwagen hatte im Vorraum ebenso genügend Platz. Überpünktlich kamen wir in Frankfurt an, wechselten von Gleis 6 zu Gleis 9, um mit dem ebenfalls pünktlichen ICE 275 die Fahrt in die Schweiz fortzusetzen. Extra diese Verbindung hatten wir gewählt, da der ICE 275 uns direkt bis nach Spiez brachte, ohne nochmals in Basel umsteigen zu müssen.
Zwar handelte es sich nicht um meine erste Fahrt im 412er, doch diesmal lernte ich den ICE 4 etwas besser kennen - und ich muss sagen: wir schätzen ihn! Der Platz für Eltern mit Kinderwagen in Wagen 9 ist hervorragend, es gibt mehrere wirklich geräumige Stellmöglichkeiten für den Kinderwagen UND Gepäck. Außerdem hatten wir so auch die Möglichkeit, unsere Tochter immer mal ein wenig herumzutragen, ohne andere Menschen physisch zu stören, denn es ist einfach genug Platz vorhanden. Zumal auch das behindertengerechte WC mit Wickelkommode sehr nahe ist. Ganz ehrlich, wir genossen die Fahrt.
Zwischen Karlsruhe und Offenburg kamen wir immer wieder zum stehen, sodass wir in Offenburg bereits mehr als +10 hatten. Jedoch wusste ich um die Fahrzeitreserve im Katzenbergtunnel südlich von Freiburg, sodass wir am Ende nur einige wenige Minuten verspätet in Basel eintrafen und die SBB den Zug auch übernahm :-)
Im weiteren Fahrtverlauf, speziell zwischen Olten und Bern füllte sich der Zug doch erheblich, dennoch war es eine angenehme Fahrt mit bereits interessanten Landschaftsausblicken. Im Knoten Bern Wankdorf wird heftig gebaut, dies sorgte jedoch nicht für Verspätung. Die kam dann erst hinter Bern, als ein offensichtlich vor uns disponierter Güterzug im Weg stand, wir kurz zum Stehen kamen und dann über das Gegengleis überholen mussten, was in Thun +4 ergab, die auch bis Spiez nicht aufgeholt werden konnten. Unser 5-Minuten-Übergang in Spiez klappte so natürlich nicht mehr, allerdings war das mehr als verschmerzbar, ist doch die Aussicht vom Bahnhofsvorplatz auf den Thunersee und den Bergen im Hintergrund gigantisch. Zumal wir mit dem folgenden BLS-Zug nach Zweisimmen immer noch unseren dortigen Anschluss nach Lenk erreichten und somit am Ende doch pünktlich nach 9h und 40 Minuten Zugfahrt ankamen. Sehr positiv auch die barrierefreien Rampen an den Bahnsteigen in Spiez und Zweisimmen, die Reisenden mit viel Gepäck oder Kinderwagen die Fahrstuhlfahrt und das ggf. davor Anstehen ersparen.
Unser Zielbahnhof Boden (letzter Halt vor Lenk). Man sieht, das ehemalige Ausweichgleis wurde demontiert. Da die Strecke Zweisimmen - Lenk aber ohnehin nur einen Stundentakt mit einzelnen Verdichtungen im Tagesverlauf aufweist, benötigt es nicht überall Ausweichmöglichkeiten.
Zug der MOB nach der Abfahrt in Boden Richtung Lenk. Die Kulisse ist beeindruckend, auch wenn am ersten Tag noch recht viel Dunst über den Bergen lag, der ab dem zweiten Tag dann verschwunden war.
Wir verbrachten nach dem Anreisetag 3 volle Tage bei traumhaftem Spätsommerwetter im Simmental. Dank der Gästekarte, die Zugfahrten in der erweiterten Umgebung einschließen, unternahmen wir einen Ausflug nach Gstaad. Zunächst ging es vormittags wieder mit der MOB nach Zweisimmen, dort stiegen wir dann in den "Golden Pass"-Zug Richtung Montreux um. Das war auch die einzig etwas negative Erfahrung, denn der Zug war überfüllt mit Rentnern auf Ausflug und diese hatten leider wenig Einsehen mit einer jungen Familie mit Kinderwagen, die auch in den Zug wollten. So verblieben nicht wenige Rentner, die keinen Sitzplatz mehr bekommen hatten, dicht gedrängt im Fahrradabteil stehen und verhinderten die Zuladung von einigen Fahrrädern und unserem Kinderwagen zunächst, bis ich und die Besitzer der Fahrräder intervenierten. Dennoch blieb es ein enges Beisammensein - wenig annehm, stehend noch dazu.
Auch die Abfahrt klappte nicht. Aufgrund nicht lösender Bremsen verzögerte sich die Abfahrt. Der Zf sowie mehrere Techniker nahmen sich der Problematik an, sodass wir schlussendlich mit +9 abfahren konnten. Die 30 min bis Gstaad stehend zu erleben ist weniger angenehm, was was will man machen.
Bahnhof Gstaad mit Zug in Blickrichtung Saanen - Montreux.
Die Rückfahrt traten wir mit Absicht nicht so spät an, sodass wir den Rentnergruppen zuvor kamen und einen sehr angenehm besetzten Zug vorfanden - schön im Großraumbereich mit viel Platz auf für den Kinderwagen sitzend. Diesmal verlief die Fahrt pünktlich und wir genossen die Ausblicke.
Für den Rückreisetag hatten wir dann eine quasi symmetrische Verbindung zur Anreise ausgewählt, die uns nur in Zweisimmen, Spiez, Frankfurt und Erfurt ein Umsteigen bescherte. Leider vergass ich im MOB-Zug beim Umstieg in Zweisimmen meinen Rucksack und merkte dies erst nach Einstieg in den BLS-Zug Richtung Spiez. 4 Minuten vor Abfahrt, rannte ich im zurück rüber zum MOB-Zug. Eine Reisende sah mich, hatte meinen Rucksack jedoch bereits dem Tf übergeben, der wiederrum gerade vom Infoschalter zurückkam, wo er ihn abgegeben hatte. Ich also wieder zum Hausbahnsteig, rein zum Schalter, wo man mir meinen Rucksack herausgab. 30 Sekunden vor Abfahrt bestieg ich dann völlig außer Atem, aber erleichert, wieder den BLS-Zug gen Spiez ;)
In Spiez hatten wir wieder rund 35 Minuten Zeit. ICE 278 wurde mit +3 angekündigt, was aber nichts im Vergleich zum IC Brig - Romanshorn war, der mit +12 erst eintreffen sollte. Auch der vorherige IC nach Basel hatte +10. Nagut, unser ICE kam dann auch mit +3. Bis Basel machten wir es uns im Kleinkindabteil des 412er bequem. Da dies aber in Deutschland reserviert war, nutzten wir den großen Fahrgastwechsel in Basel und kehrten an die uns bekannten Behinderten- und Kinderwagenbereichplätze im Wagen 9 zurück, die wir schon von der Hinfahrt her kannten und sehr schätzten.
Zwar füllte sich der Zug am Oberrhein spürbar, doch blieb die Fahrt nahezu pünktlich und auch der Anschluss zu ICE 1653 in Frankfurt klappte, alles wenige Minuten verspätet, aber das ist ja im Frankfurter Raum quasi normal ;) Auch der letzte Anschluss in Erfurt klappte und so kamen wir pünktlich wieder daheim an.
Alles in allem eine sehr gute Erfahrung mit einer solch langen Bahnfahrt und wirklich ein Lob für den ICE 4, den wir als sehr durchdacht und angenehm empfanden. Außerdem erlebten wir sämtliches Personal als sehr höflich und hilfsbereit sowie kompetent. Unsere Tochter überstand die Fahrt ganz unbekümmert und machte es uns vergleichsweise leicht.
Ich hoffe, der Bericht hat ein wenig interessiert.
Viele Grüße
Christian_S