Zur steilsten Zahnradbahn der Welt (76 Bilder) (Reiseberichte)
Hallo zusammen,
solange man noch nicht wieder reisen kann, nutzen wir die Zeit zum Aufarbeiten von Reiseberichten. Nachdem wir zuletzt ein Wochenende an Tauber, Main und Murg verbracht hatten, steht nun ein Tagesausflug in die Schweiz auf der Agenda.
Für die Tour gab es drei Motive, die neue Durchbindung des InterRegios von Konstanz über Zürich bis Luzern, ein Besuch der Pilatusbahn sowie eine Abschiedsfahrt mit den alten Garnituren des Voralpen-Expresses.
Wir fahren von Konstanz nach Luzern und weiter nach Alpnachstad zur Pilatusbahn. Für die Rückfahrt von Luzern an den Bodensee nutzen wir den Voralpen-Express und legen einen Zwischenstopp in Rapperswil ein.
Die erstklassige Tour fand im Juni 2019 statt.
Wir beginnen die Rundfahrt morgens um sieben Uhr am Bahnhof von Konstanz. Je nachdem, um welche Uhrzeit man auf den Zugzielanzeiger in Konstanz schaut, kann es durchaus sein, dass an dem deutschen Bahnhof die schweizerischen Züge in der Überzahl sind. Gut, immerhin ein Zug hat mit Engen ein deutsches Ziel (auch wenn die Zuggattung einen Bezug zur Schweiz nicht verleugnen kann), Weinfelden, Herisau und Luzern liegen in der Schweiz.
Unser Ziel ist der InterRegio nach Luzern. Mit dem Fahrplan 2019 wurde die IR-Linie 75 von Konstanz nach Zürich verlängert bis Luzern. Eingesetzt werden Doppelstockwagen vom Typ IC2000. Wir suchen uns einen schönen Platz im Oberdeck.
Der Zug fährt von Konstanz über den Seerücken nach Weinfelden – hier mit Blick von der Höhe auf den Alpstein – und weiter über Frauenfeld, Winterthur und den Flughafen Zürich zum Hauptbahnhof Zürich.
Nach dem Fahrtrichtungswechsel im Hauptbahnhof Zürich geht es zunächst auf der linksufrigen Zürichseebahn nach Thalwil, dann im Tunnel unter dem Albis weiter in die Zentralschweiz.
Neben Bergen wird das heute auch eine Tour der vielen Seen, hier fahren wir am Zugersee, er ist der zehntgrößte See der Schweiz. Bei der Rückfahrt werden wir am anderen Seeufer unterwegs sein.
Nach zweieinviertel Stunden erreichen wir schließlich Luzern.
Im Bahnhof Luzern wechseln wir auf die S 5. Die Linie gehört zum Meterspurnetz der Zentralbahn. Eingesetzt wird ein „Spatz“ (Schmalspur-Panorama-Triebzug) von Stadler.
Etwa eine Viertelstunde fahren wir nun auf der Flachstrecke der Brünigbahn bis nach Alpnachstad. Die Strecke führt erst am Ufer des Vierwaldstättersees entlang, dann am Alpnachersee, einem Seitenarm des Vierwaldstättersees.
Gegenüber des Bahnhofs der Zentralbahn in Alpnachstad liegt die Talstation der Pilatusbahn. Die Zahnradbahn führt von hier hinauf auf den Pilatus.
Mit Geschwindigkeiten zwischen 9 und 12 Kilometer pro Stunde fahren die Triebwagen bergwärts, dabei verkehren mehrere Züge als Zugverband. Die Pilatusbahn verfügt für den Personenverkehr über 10 Triebwagen, die traditionelle Farbe ist rot, es gibt aber auch Züge in anderen Lackierungen, so folgt uns ein weißes Exemplar. Der weiße Triebwagen ist nicht nur farblich ein Exot, der Wagen teilt sich nämlich das Untergestell mit einem Gütertriebwagen. In der Hochsaison ist er mit einem Personenwagenkasten unterwegs, in der übrigen Zeit mit einer Güterplattform.
Rechts der Straße verläuft die Brünigbahn, links der Militärflugplatz Alpnach.
Mit einer maximalen Steigung von 48 Prozent ist die Pilatusbahn die weltweit steilste Zahnradbahn. Die Strecke hat eine Spurweite von 800 Millimetern.
Insgesamt gibt es sechs Tunnel an der Strecke, den Anfang macht der Wolforttunnel, mit 40 Metern ist er der kürzeste Tunnel. Bei der hohen Steigung gewinnt die Bahn rasch an Höhe und der Alpnachsee liegt schon weit unter uns.
Da bei herkömmlichen Zahnstangen bei großen Steigungen die Gefahr des Aufkletterns besteht, wurde für die Pilatusbahn ein eigenes System einer Zahnstange mit seitlichem Eingriff entwickelt. Konventionelle Weichen sind hierbei nicht möglich, so dass stattdessen an der Kreuzungsstation Ämsigen Schiebebühnen verbaut sind.
Die Pilatusbahn ist 4,6 Kilometer lang, sie überwindet eine Höhendifferenz von 1.635 Metern. Sie fährt auf einem durchgehend gemauerten Untergrund, auf dem die Schienen fest verankert sind.
Mit zunehmender Höhe kommen weitere Arme des Vierwaldstättersees ins Blickfeld, die Vegetation wird weniger.
Schließlich sind wir am Gipfel angekommen. Die Bergstation liegt auf 2.073 Meter über dem Meer. Zwischen den beiden Gipfeln Esel und Oberhaupt befinden sich außer der Bergstation der Pilatusbahn auch zwei Hotels sowie die Bergstation einer Seilbahn.
Hier blicken wir vom Esel auf den Vierwaldstättersee und den Bürgenstock. Beim nächsten Bild geht der Blick zum Matthorn (nein, nicht Matterhorn, das ist woanders).
Der Pilatus ist der Hausberg von Luzern, er gehört zu den Luzerner Voralpen. Während der Berg heute ein Touristenmagnet und geschätzter Aussichtsberg ist, war er früher aufgrund der von ihm ausgehenden Unwetter und Wasserstürze gefürchtet. So ranken sich auch zahlreiche düstere Sagen um das Bergmassiv.
Nach Norden reicht der Blick weit ins Land, rechts der Bildmitte müsste Luzern sein, links der Bildmitte Baldegger- und Hallwilersee und links angeschnitten der Sempachersee. Irgendwo am Horizont der Schwarzwald.
So, wir sind ja aber in einem Bahnforum, da muss jetzt wieder ein Bahnbezug her. Und den sehen wir hier mit einem Zug vor der Eselwand. Links die Bergstation, der Rundbau beherbergt ein Hotel.
Die klassische Touristenrunde geht mit dem Schiff von Luzern nach Alpnachstad, mit der Zahnradbahn hinauf und mit der Seilbahn auf der anderen Seite wieder hinunter (oder andersherum). Wir wählen für die Rückfahrt jedoch wieder die Zahnradbahn.
Die Schmalspurtriebwagen der Pilatusbahn wurden in drei Lieferserien 1937, 1954 und 1967 angeschafft. Hier sehen wir Nummer 22 aus dem Jahr 1937. Das Logo mit dem Pilatusdrachen greift die Mythen und Sagen auf, die sich um das Bergmassiv ranken.
Auf dem Bild ist der Stromabnehmer noch angelegt, während der Talfahrt bleiben die Stromabnehmer üblicherweise gesenkt, da die Energie nicht ins Netz zurückgespeist werden kann. Höchstens für die Wagenheizung wird Energie benötigt, das ist jedoch selten der Fall, da es auf der Pilatusbahn keinen Winterbetrieb gibt. Die Treibwagen vom Typ PB Bhe 1/2 verfügen über 40 Sitzplätze.
Auch an der Bergstation gibt es keine klassische Weiche, stattdessen kommt hier ein sogenannter Gleiswender zum Einsatz. Dieser besteht aus einem Rahmen, an dem auf der Oberseite ein Gleis für den linken Strang und auf der Unterseite ein Gleis für den rechten Strang angebracht ist. Der Rahmen wird dann entsprechend gedreht.
Motiviert vom wirtschaftlichen Erfolg der Vitznau-Rigi-Bahn gab es ab dem Jahr 1871 erste Pläne für eine Bergbahn auf den Pilatus. Wie auch bei der Vitznau-Rigi-Bahn sollten die Gäste mit dem Dampfschiff anreisen können, woraus sich die Streckenführung ab Alpnachstad ergab. Der Bau begann 1886, während des abschnittsweisen Baus konnten die Trasse sowie die Dampflokomotiven bereits unter Last getestet werden. 1889 wurde die Strecke eröffnet.
Rund 50 Jahre später brach eine neue Epoche an, die Strecke wurde elektrifiziert und die neuen roten Triebwagen wurden in Dienst gestellt. 1937 wurde der elektrische Betrieb aufgenommen. Das spezielle Zahnradsystem Locher ist nur hier am Pilatus im Einsatz. Die Höchstgeschwindigkeit bei der Talfahrt beträgt 8,5 Kilometer pro Stunde, die Talfahrt dauert daher 40 Minuten, das sind 10 Minuten mehr als bei der Bergfahrt.
Nach über 80 Jahren steht die Pilatusbahn aktuell vor dem nächsten großen Umbruch. Das alte Rollmaterial hat ausgedient und wird durch neue Panorama-Triebwagen von Stadler ersetzt. Die neuen Triebwagen sollen in Doppeltraktion verkehren, sie sind auch schneller, so dass ein 30-Minuten-Takt möglich wird. Das erste neue Fahrzeug soll im Mai in Alpnachstad eintreffen, bei einer erfolgreichen Erprobung könnte es schon im Herbst in den Fahrgastbetrieb gehen. Die Umstellung soll bis 2023 abgeschlossen sein.
Oberhalb der Talstation liegen Depot und Werkstatt. Zwei Gleise führen in die Talstation, ganz links das Hauptgleis (auf dem wir gerade fahren), rechts davon das Abstellgleis. Der Fahrgastwechsel findet nur vom Hauptgleis aus statt. In der Talstation gibt es eine Schiebebühne zwischen beiden Gleisen, so dass die Züge nach Bedarf verschoben und flexibel nach Fahrgastaufkommen weitere Züge eingefädelt werden können. Da Antrieb und Bremse ausschließlich über die Zahnräder laufen, ist auch in der Horizontalen im Depot eine Zahnstange erforderlich.
Für den Einsatz der neuen Züge werden die Stationen umgebaut.
Ja, ok, der Sonnenschein auf diesem Bild passt nicht so recht zum vorherigen Bild. Das Bild vom Bahnhof Alpnachstad entstand schon vorhin bei der Bergfahrt, es passt hier aber gut zum Übergang von der Pilatusbahn zur Zentralbahn.
Der erste Bauabschnitt der Brünigbahn wurde 1888 eröffnet, er reichte von Brienz über den Brünigpass bis nach Alpnachstad. Ab hier musste man vorübergehend die Reise nach Luzern mit dem Dampfschiff fortsetzen. Ein Jahr später wurde das letzte Teilstück von Alpnachstad nach Luzern eröffnet. Auch wir entscheiden uns gegen das Schiff und fahren stattdessen mit der S 5 am Ufer der Alpnachersees zurück nach Luzern.
Es geht gleich weiter...
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