Über die Adria in die schwarzen Berge – 3/4 | 47 Bilder (Reiseberichte)

TD, Samstag, 27.06.2020, 17:49 (vor 1392 Tagen) [O]

Hallo zusammen,

willkommen zum dritten Teil unserer Reise nach und durch Montenegro. Im zweiten Teil waren wir mit Bahn und Bus zwischen Virpazar, der Hauptstadt Podgorica und Kotor unterwegs.

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Dieser Reiseberichtsteil umfasst die Tage 5 und 6, Tag 5 ist Off-Topic und weitgehend Bahn-frei, dafür verbringen wir Tag 6 dann fast komplett im Zug.


Tag 5: Kotor – Budva - Sutomore

Wir haben in Kotor übernachtet und können am Morgen noch eine kleine Runde durch die Stadt drehen.

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Hier stehen wir auf dem Hauptplatz vor dem Uhrturm aus dem Jahr 1602, er wurde während der Zeit der venezianischen Herrschaft errichtet. Noch ist es recht ruhig in der Stadt, doch das wird sich bald ändern...

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...denn das erste Kreuzfahrtschiff steuert Kotor an. Und was man auf dem Bild nicht sieht: dahinter kommt auch noch ein zweites Kreuzfahrtschiff in die Bucht. Gut, dass wir nachher weg sind, wenn die Touristenmassen die Altstadt fluten. Unser letztes Bild von Kotor widmen wir der imposanten Stadtmauer, die die gesamte Altstadt umgibt.

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Unweit der Altstadt liegt der Busbahnhof von Kotor, wir fahren nun mit dem Bus nach Budva. Die erste Etappe führt durch das Hinterland, landschaftlich reizvoll ist dann die weitere Fahrt auf der Küstenstraße nach Budva.

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Nach der Ankunft am Busbahnhof von Budva holen wir noch ein Bild des Busses nach. Reisebusse sind nun nicht mein Spezialgebiet, aber das allerneuste Modell ist das nicht.

Warum nun Budva? Nun, der Ort liegt an der Strecke, wir haben ausreichend Zeit für einen Zwischenstopp und als älteste Stadt Montenegros klingt das auch ganz interessant.

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Budva hat zwei Gesichter, nach den Balkankriegen entdeckten Serben und Russen die Stadt und es setzte ein Bauboom ein. Und so wird die Stadt heute von großen Autos und Yachten, teuren Läden und einem ausgedehnten Nachtleben geprägt.

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Auf einer Halbinsel liegt der historische Stadtkern. Budva wurde 1442 von Venedig erobert und in der Folgezeit von den neuen Herren auch baulich geprägt. Die orthodoxe Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit ist jedoch deutlich jünger, sie stammt aus dem Jahr 1806.

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Nach dem Niedergang Venedigs wurde Budva österreichisch und blieb es bis zum Ersten Weltkrieg. Aus jener Zeit stammt wohl auch die Aufschrift in deutscher Sprache auf der Mauer zur Zitadelle. Von der Zitadelle gibt es einen Ausblick auf das alte und das neue Budva.

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Weithin sichtbar ist der Glockenturm der katholischen Kirche des Heiligen Johannes des Täufers. Der Turm wurde erst 1867 errichtet, die Kirche selbst stammt aus dem 9. Jahrhundert.
In der Bucht vor Budva liegt die unbewohnte Insel Sveti Nikola.

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Am Busbahnhof von Budva setzen wir die Reise fort. Ich hatte die Busse vorab übers Internet gebucht, aber so ganz verstanden habe ich das System noch nicht. Mal kostet das Gepäck extra, mal muss man noch eine Stationsgebühr für den Busbahnhof nachzahlen. Wahrscheinlich will richtiges Busreisen auch gelernt sein – aber das ist nun ohnehin die letzte Busetappe der Tour.

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Wir fahren mit dem Bus von Budva nach Sutomore. Die Strecke führt abschnittsweise an der Küste entlang, hier sehen wir die Insel Sveti Stefan. Ursprünglich war das ein Fischerdorf, das in den 1960er Jahren unter Beibehaltung der Bausubstanz aus dem 15. Jahrhundert zu einer kompletten Hotelinsel umgebaut wurde. Aktuell ist die ganze Insel von einer Hotelgruppe aus Singapur vom Staat Montenegro geleast.

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Schließlich haben wir unser heutiges Tagesziel Sutomore erreicht. Die kleine Küstenstadt mit dem langen Sandstrand wurde in den 1960er-Jahren von deutschen Pauschaltouristen entdeckt, die keine hohen Ansprüche stellten. Noch heute hebt sich der Ort durch niedrigere Preise von dem benachbarten Budva ab. Der Ort ist von der Hauptstadt Podgorica mit Auto oder Zug in einer Stunde zu erreichen, so dass er aufgrund der verkehrsgünstigen Lage im Sommer auch von vielen Städtern bevölkert wird. Hotel und Bahnhof – diese Merkmale waren letztendlich auch entscheidend für unsere Wahl.

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Damit wir am nächsten Morgen den Weg finden, schauen wir uns schon mal den Bahnhof von Sutomore an. Außerdem kaufen wir uns auf gut Glück eine Fahrkarte für den nächsten Regionalzug nach Bar. Sollte der Zug einer der alten Triebwagen sein, würden wir eine Runde mitfahren. Der Plan geht aber nicht auf, es rollt wieder einer der modernen CAF-Triebwagen ein, die wir schon kennen. Aber gut, dann verbuchen wir die 2 Euro halt als Investition in unsere internationale Fahrkartensammlung.

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Und so verbringen wir den Abend an Küste und Strand von Sutomore.

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Tag 6: Sutomore - Belgrad

Für die Anreise nach Montenegro über Italien hatten wir zwei Tage gebraucht, für die Rückfahrt sind wir sogar drei Tage unterwegs. Sicherlich kann man die Reisedauer durch die Nutzung von Nachtzügen oder Nachfähren verkürzen, ich hatte mich aber bewusst für Tageszüge entschieden, denn schließlich wollen wir ja auch etwas von der Landschaft sehen. Das gilt ganz besonders für die Bahnstrecke von Bar nach Belgrad. Die Gebirgsbahn gehört zu den schönsten Bahnstrecken Europas, insofern ist der heutige Reisetag nicht banal ein Teil der Heimreise, sondern Motivation und Hauptziel der Reise.

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Wir werden am frühen Morgen von einem heftigen Gewitter geweckt, es gibt auch einen Stromausfall. Als wir das Hotel verlassen und den letzten Blick über Strand und Adria schweifen lassen, verziehen sich die Gewitterwolken.

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Wenn man einmal eine Fotowolke brauchen könnte... - na toll, ausgerechnet vom eigentlichen Ziel unserer Reise gibt es kein vernünftiges Bild. Hier sollte man eigentlich sehen, wie der IC Tara in den Bahnhof von Sutomore einfährt. Der Zug ist vor wenigen Minuten in Bar losgefahren und erreicht mit Sutomore den ersten Zwischenhalt.

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Gut, dann halt so rum. Die Fernverkehrswagen der Željeznički prevoz Crne Gore zählen mit Klimaanlage und geschlossenem Abwassersystem zu den modernsten Fernverkehrswagen auf dem Balkan. Es gibt zwar eine Preisliste für die erste Klasse, tatsächlich verkauft und angeboten wird nur die zweite Klasse. Auf dem Zuglaufschild ist als Endbahnhof Topčider angegeben, das ist ein Bahnhof in Belgrad.

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Noch in Sutomore liegt das südliche Portal des Sozina-Tunnels, mit über sechs Kilometern ist er der längste Tunnel der Strecke. Der Tunnel unterquert die Gebirgskette Rumija, jenseits des Tunnels treffen wir auf den Skutarisee, den wir aus dem zweiten Teil schon kennen. Anschließend führt die Strecke durch die Ebene bei Podgorica.

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Dann folgt der eindrucksvollste Teil der Strecke, die Bahn windet sich mit Galerien und Tunnel durch den schroffen Hochkarst des Morača-Canyons. Unterwegs passieren wir das Mala-Rijeka-Viadukt, mit 198 Metern Höhe über Talgrund ist das die höchste Eisenbahnbrücke Europas. Beim Bau war diese Gegend der technisch anspruchsvollste geologische Bereich.
Die umliegenden Berggipfel gehören zum Durmitor-Massiv, sie sind über 2.000 Meter hoch.

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Der Zuglauf ist benannt nach dem Fluss Tara, er ist der längste Fluss Montenegros. Die Tara entspringt im Gebirge an der montenegrinisch-albanischen Grenze und fließt Richtung Donau und Schwarzes Meer. Bei Mateševo begegnen wir dem dem Oberlauf des Flusses das erste Mal.

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Die Bahnstrecke Bar-Belgrad überwindet insgesamt drei Gebirgszüge im Dinarischen Gebirge und hat somit auch drei Scheitelpunkte. Die höchstgelegene Station der Bahnstrecke ist Kolašin auf 1024 Meter über Meer, der erste und höchste Scheitelpunkt der Strecke liegt unweit von hier auf 1032 Meter über Meer.

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Im Nationalpark Biogradska Gora queren wir die Tara ein zweites Mal. Der Nationalpark ist bekannt für seinen Urwald; mit über fünfhundert Jahre alten Bäumen gehört er zu den wenigen urzeitlichen Wäldern Europas.

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Bijelo Polje ist der Grenzbahnhof auf montenegrinischer Seite. Während im Zug die Ausreisekontrolle stattfindet, erfolgt hier auch ein Lokwechsel. Die eigentliche Grenze zu Serbien liegt rund zehn Kilometer entfernt.

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Der nächste Halt ist zwei Kilometer nach der Grenze am Haltepunkt Vrbnica, der eigentlich nur aus einem Kloster, wenigen Häusern und dieser Grenzstation besteht. Hier findet die serbische Einreisekontrolle statt, hierzu werden die Pässe im Zug eingesammelt. In Bijelo Polje und Vrbnica steht der Zug planmäßig jeweils 25 Minuten, die Serben brauchen für die Einreisekontrolle noch eine Viertelstunde zusätzlich, so dass alleine für die Grenzkontrolle über eine Stunde draufgeht. Da lernt man die Vorteile von Schengen und offenen Grenzen doch wieder zu schätzen.

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So, nun sind wir also in Serbien. In Serbien sind die Berge vielleicht nicht ganz so hoch und die Streckenführung nicht ganz so spektakulär als in Montenegro – aber langweilig ist die Strecke keinesfalls. Dass ich vom serbischen Abschnitt nicht so viele Bilder habe, liegt eher daran, dass nach einigen Stunden Fahrt durch wunderbare Landschaften die Aufmerksamkeit abnimmt und wir auch etwas Regen abbekommen, wodurch es keine schönen Bilder gibt.
Die Strecke folgt nun dem teilweise schluchtartigen Tal des Flusses Lim.

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Der Fluss wird hier zum Stausee Potpecko-jezero aufgestaut. Die Bahnstrecke folgt dem Lim noch ein Stück weiter flussabwärts, dann geht es wieder hinauf ins nächste Gebirge, nämlich ins Zlatibor. Für einige Kilometer verläuft die Strecke über das Staatsgebiet von Bosnien-Herzegowina, das Land wird aber ohne Halt durchfahren. Im Zlatibor-Tunnel liegt der zweite Scheitelpunkt der Strecke. Der dritte Scheitelpunkt folgt dann 80 Kilometer weiter im Divčibare-Gebirge.

Von diesem Abschnitt habe ich wie gesagt witterungsbedingt keine Bilder. Die Strecke von Bar nach Belgrad ist 476 Kilometer lang, allein die Anzahl von 254 Tunnel und 243 Brücken ist ein Indiz für eine interessante Streckenführung und eine Vielzahl von Landschaften macht die Fahrt zu einem Erlebnis. Die Höchstgeschwindigkeit auf der Gesamtstrecke liegt abschnittsweise zwischen 50 und 100 Stundenkilometern, es gibt aber durchaus auch Abschnitte, wo der Zug mit 20 Stundenkilometern durchs Gebirge schleicht. Im Zug werden auch einige Balkan-Klischees erfüllt, so wird an den Wagenenden geraucht und wer nicht am Einfahrtssignal warten möchte, steigt auch gerne dort schon aus und läuft auf dem Bahndamm zum Bahnhof.

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Die letzten Kilometer bis Belgrad sind nicht mehr ganz so spannend, es zieht sich dann schon, vor allem wenn es draußen dunkel wird. Die Strecke von Bar nach Belgrad wurde 1976 eröffnet, zu den besten Zeiten brauchte ein Express-Zug für die Strecke 7,5 Stunden, mittlerweile ist die Fahrzeit auf 11,5 Stunden angewachsen. Man braucht schon etwas Sitzfleisch, aber ich möchte diese Strecke nicht missen. Mit dem Nachtzug würde man hier doch Einiges verpassen.

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Unterwegs hatten wir mal knapp 25 Minuten Verspätung, offenbar sind in den 11,5 Stunden aber auch Fahrzeitreserven enthalten, so dass wir weitgehend pünktlich am Bahnhof Topčider ankommen. Der Bahnhof Topčider liegt etwas abseits am Stadtrand von Belgrad. Der Bahnhof liegt unweit der früheren Residenz der Könige von Jugoslawien sowie Titos Residenz, der Bahnhof war früher Empfangsbahnhof von Staatsgästen. Das eigentliche Bahnhofsgebäude wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, erhalten blieb nur die königliche Wartehalle.

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Und noch ein letztes Bild von unserem Zug, dann machen wir uns auf den Weg in die Innenstadt. Der Bahnhof Topčider liegt zwar an einer Straßenbahnstrecke, da wir aber keine Landeswährung haben und etwas Bewegung nach der langen Fahrt ohnehin gut tut, machen wir uns zu Fuß auf den Weg. Ich hatte bewusst ein Hotel gebucht, das in der Nähe der Bahnhöfe Topčider und Centar liegt, denn von jenem Bahnhof geht die Fahrt am nächsten Morgen weiter.

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Wir waren zuvor noch nie in Belgrad und eigentlich ist die serbische Hauptstadt diesmal nur als Zwischenübernachtung gedacht. Trotzdem nutzen wir die Gelegenheit, um bei einem Abendspaziergang noch einige Eindrücke zu sammeln. Hier sehen wir die Christi-Himmelfahrts-Kirche.

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Das Neue Palais ist der Sitz des Präsidenten von Serbien, das Schloss war früher eine königliche Residenz.

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Und das letzte Bild zeigt das Haus der Nationalversammlung der Republik Serbien, das monumentale Parlamentsgebäude wurde 1936 eingeweiht. Schade, dass wir diesmal nur eine Nacht in Belgrad sind, ich hätte die Stadt gerne auch bei Tageslicht erkundet.

Für die restliche Heimreise bis an den Bodensee brauchen wir weitere zwei Tage. Dazu dann mehr in den nächsten Tagen im vierten Teil.

Viele Grüße und einen schönen Sonntag

Tobias

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[image] "Fensterplatz, bitte." - Meine Bahnreiseberichte.de.| instagram.com/fensterplatz.bitte/

Erstklassig vielleicht...

Julian, Wien, Sonntag, 28.06.2020, 13:57 (vor 1391 Tagen) @ TD

Der klimatisierte Wagenpark der ŽPCG ist durchaus überschaubar: 10 erstklassige Abteilwagen, davon sind sechs dauerhaft deklassiert (Beelm). Auch die Aeelm laufen sowohl als offizielle 1. Klasse (für die Touristen) als auch mit handgeschriebenen Zetteln deklassiert im Tara. Man muss halt auch den richtigen Tag erwischen: Der Gegenzug besteht aus serbischen Großraumwagen, hier lohnt sich die erste Klasse durchaus.

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Der Fahrplan im Bahnhof von Sutomore. Die Montenegriner sollen ja nach den Niederländern das zweitgrößte Volk der Welt nach Körpergröße sein, für ausländische PRH (people of reduced height) wurde eine Rampe zwecks besserer Zugänglichkeit aufgestellt.

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Beruf mit Zukunft und Computern: Dispečer

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Identische Erst- und Zweitklasswagen nach Ankunft in Topčider

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Im Muzej Jugoslavije in Belgrad: Die Bahnstrecke Belgrad-Bar war ein riesiger Aufwand für Jugoslawien, und zugleich die erste Zerreißprobe: Die wirtschaftlich starken Nettozahler Slowenien und Kroatien hatten natürlich keine Freude damit, dass die Hinterwäldler auf ihre Kosten eine schöne Bahnstrecke mit Meeresanbindung bekommen sollten. Die Zerreißprobe ist bekanntlich gescheitert, und diesen Vorgang der "Balkanisierung" können wir jetzt allerorten in der EU beobachten.

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Eröffnung der Bahnstrecke Belgrad-Bar

Хвала!

JanZ, HB, Sonntag, 28.06.2020, 22:30 (vor 1391 Tagen) @ TD

Danke auch für diesen Teil! Belgrad–Bar steht definitiv noch auf meiner Liste, und die Städte sehen ja auch ganz nett aus.

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Im Volk, da ist sie sehr beliebt, unsere Eisenbahn,
Doch dort, wo's keine Schienen gibt, da hält sie selten an.

(EAV: Es fährt kein Zug)

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