[6MGA] Teil 06: Weltkulturerbe [m85B] (Reiseberichte)
Am Mittwoch, den 25.09.2019 spielte ich mit 3 KollegInnen eine Runde Skat und gewann - Deutschland ist halt die Skatnation Nr. 1. Voller Euphorie traf ich noch am selben Abend eine folgenschwere Entscheidung: Ab jetzt gehts aufs Ganze. Alle irgendwie möglichen Strecken der Schweiz möchte ich fahren, und konsequent auch die bisher weggelassenen Stichstrecken oder scheinbar langweilige Querverbindungen selbst im Flachland mitnehmen. Gut - dass absolut alle Strecken neben der Arbeit und sonstigen Freizeitaktivitäten nicht möglich waren, war mir nur zu klar, aber um dem Ziel so nahe wie möglich zu kommen, nehme ich mir vor, jede folgende Tour mit der tagesersten 5:41er S-Bahn zu beginnen. Dass es da noch dunkel ist, schadet überhaupt nicht, denn die Strecken in Richtung Zürich und Brig, mit denen es zwangsläufig fast immer losgeht, kenne ich eh schon auswendig.
Wagemutig plane ich für das folgende Wochenende die größtmögliche Tour, die am weitesten entfernte, und natürlich auch eine der spannendsten. Der Titel verrät es schon: Weltkulturerbe, das heißt Albula- und Berninabahn stehen auf dem Plan. Dass diese von St.-Prex überhaupt an einem Tag hin- und zurück fahrbar sind, verdanke ich dem Ende des Bahnersatzes in meiner Region und dem Bernina-Express, aber dazu später mehr. Zunächst gehts mit der erwähnten S4 nach Lausanne, wo man bei Aldi (für CH-Verhältisse) extrem günstig Backwaren zum Frühstück bekommt. Um in Zürich mehr Umsteigezeit zu haben, nehme ich dorthin den IC1, der um 8:28 auf Gleis 34 ankommt. Ich setze mich dabei so hin, dass ich exakt dort aussteigen kann, wo in nordwestlicher Richtung die Treppe hoch zum Sihlquai beginnt. Dort nur ein Stück nach rechts, und weiter hoch auf Gleis 12. 97 Stufen sind es insgesamt - zum Glück habe ich mal im 6. Stock gewohnt, wohin es genau 99 Stufen waren, und bin sowas daher gewohnt. Oben angekommen steht schon der IC3 da und ist bereits ziemlich gut gefüllt, aber einen Sitzplatz bekomme ich noch knapp. Vorbei an Zürich- und Walensee kommen wir nach Sargans, dann nach Landquart, wo ein paar Leute schon aussteigen. Danach bietet es sich an, die Toilette zu nutzen, um anschließend als Erster an der Tür zu stehen (typisch deutsch halt), von der es in Chur bahnsteiggleich zum Albula-Interregio geht.
1 Ein schnelles Bild auf die S1 (hinten) nach Schiers mit Allegra ABe4/16, den RE nach Disentis/Mustér (Mitte) mit Ge4/4 II und den IR nach St. Moritz (vorne) mit Ge4/4 III und Integral-Werbung. Die Albula-IR fahren planmäßig mit einer solchen Lok und einem 7-teiligen Albula-Gliederzug. Heute ist zwischen diesen noch ein normaler Wagen eingebaut, aber für eine Gruppe reserviert. Direkt dahinter ist das Fotoabteil des Gliederzugs mit zu öffnenden Fenstern, das ich in der Hektik des Umstiegs nicht als solches wahrnehme (Fehler sollen ja den Besten passieren, aber so blöd kann man eigentlich nicht sein) und mich ganz ans andere Ende des Zugs setze, das ansonsten noch etwas leerer ist. Dort bekomme ich immerhin einen guten Fensterplatz nach rechts raus.
2 An den Vierern sind hier Tische verbaut, die das Streckennetz der RhB abbilden und gleich auf einige Highlights hinweisen. Nummer 1, die Rheinschlucht, hatten wir schon in Teil 2 (wenn auch ohne Bilder), fünf weitere folgen heute.
3 Ein nicht angekündigtes Highlight zeigt sich direkt nach der Abfahrt aus Chur. In der Abstellanlage steht ein Capricorn-Triebzug, der ab 2020 schrittweise die Züge durchs Prättigau ersetzen und ab 2021 insbesondere in Klosters nach Davos und St. Moritz geflügelt werden soll. Bin ich ja mal gespannt, ob das bei der RhB besser klappt als überall sonst, oder ob auch erstmal einige typische Flügel-Kinderkrankheiten beseitigt werden müssen.
4 Bei Reichenau-Tamins zeigt sich über den Rhein eine schicke Kirche.
5 Dann verzweigt sich der Rhein und mit ihm auch die Strecken. Zu sehen ist diejenige nach Disentis, die den Vorderrhein überquert.
6 Ein ganzes Stück weiter, bei dem man nach links die beste Aussicht hat, beginnt in Thusis die Welterbe-Strecke, für die die Ansage sogar 2x kommt. Direkt nach dem Bahnhof wird der Hinterrhein überquert, und danach folgt die Strecke der namensgebenden Albula.
7 Die überqueren wir auf dem Solisviadukt, dem höchsten der Strecke, und kurz danach kann man tief in der Schlucht den extrem grünen Fluss sehen.
8 Es folgen einige Dörfer, die so ähnlich aussehen wie dieses, weshalb ich keine Ahnung mehr habe, welches das hier eigentlich ist.
9 Nach vorne beginnen die Berge, immer höher zu werden. Kurz nach diesem Bild folgt der berühmte Landwasserviadukt, von dem alle Bilder durchs Fenster aber komplett zugespiegelt sind. Macht aber nichts, die Fahrt an sich ist beeindruckend genug und heute Abend habe ich ja noch eine zweite Chance. In Filisur steigt dann auch die Gruppe mit Reservierung zu und sorgt für eine 10-minütige Verspätung (ein bisschen was hatten wir allerdings schon in Thusis beim Warten auf den Gegenzug bekommen).
10 Ab Bergün wirds dann richtig spektakulär. Natürlich habe ich schon unendlich oft die Streckenführung auf einer Karte oder im Fernsehen gesehen, aber wenn man sie dann das erste Mal fährt, ist man trotzdem gut verwirrt. Es beginnt mit einer großen S-Kurve, in der die Bahnstrecke drei Mal (davon 1x im Tunnel) den Sessellift nach Darlux unterquert.
11 Schließlich folgen drei Kehrtunnels (um mal den schweizer Plural zu verwenden) und vier Albulaviadukte, die kreativerweise auch alle so heißen - hier der Blick vom ersten Viadukt auf die Strecke oberhalb des ersten Tunnels. Nach diesem Abschnitt kommt der Albulatunnel, neben dem derzeit ein zweiter gebaut wird, weshalb beiderseits riesige Baustellenareale abgezäunt sind. Wenn der neue fertig ist, wird der alte als Evakuierungstunnel dienen. Anschließend geht es in Samedan raus. Dort fährt normalerweise der Zug aus Scuol-Tarasp nach Pontresina, aber wegen der bereits in Teil 2 erwähnten Baustelle im Unterengadin ist es derzeit nur ein Pendelzug Samedan-Pontresina, der selbstverständlich auf uns wartet (planmäßige Umstiegszeit wären 3min gewesen).
12 In Pontresina angekommen, inzwischen ist es 12:00, sind heute statt der normalen 13min Zeit nur 3 zum Umsteigen. Ein schneller Blick auf den ziehenden Allegra ABe8/12, dann setze ich mich in einen der Wagen, die extra für die engen Kurven der Berninabahn etwas kürzer sind. Wenn man statt des Shortcuts mit extra Umstieg die Albulastrecke bis St. Moritz durchfährt, und da die Berninabahn nimmt, verpasst man diese übrigens um 10min und muss fast 1h warten, was für mich wegen des engen Zeitplans nicht infrage kommt. St. Moritz muss also später nachgeholt werden ;)
13 Nach Pontresina geht die Strecke relativ gemütlich bergauf.
14 Dass man schon fast 2km hoch ist, zeigen die bald über einem endenden Bäume.
15 Aus Platzgründen ist diese Ausweiche direkt vor dem Bahnhof Morteratsch angebracht. Hier kreuzt ein Bernina-Express.
16 Die ABe8/12 können über die Südrampe maximal 8 Wagen ziehen, dieser Zug kommt mit 5 aus.
17 Weiter gehts.
18 Im Bahnhof steigen locker 50% der Fahrgäste aus - sehr angenehm, so habe ich plötzlich Fenster auf beiden Seiten zur Verfügung.
19 Die berühmte Montebello-Kehre.
20 Das eigentliche Highlight dieser ist der von hier sichtbare Morteratsch-Gletscher.
21 Der Berg rechts mit viel Schnee ist der Piz Morteratsch, links daneben der Piz Bernina, der einzige 4000er der Ostalpen und damit höchster Berg Graubündens.
22 Jetzt wird die Landschaft deutlich rauer. Nach vorne zeigt sich der Piz Lagalb, neben dem unheilverheißend viele Wolken hängen.
23 Der nächte Halt ist aber erstmal Bernina Suot.
24 Dann folgt Bernina Diavolezza, wo eine riesige Pendelseilbahn auf den gleichnamigen Pass führt. Oder verschwindet sie hinter den Wolken einfach im Nirgendwo?
25 Da kommt auch die Kabine runter, leider bei nicht so gutem Licht.
26 Weiter gehts, inzwischen endgültig oberhalb der Baumgrenze.
27 Blick zurück auf die Diavolezza.
28 Der letzte Halt der Nordrampe ist Bernina Lagalb, wo eine riesige Pendelseilbahn auf den gleichnamigen Berg führt.
29 Jetzt wirds richtig alpin. Der Schotter ist hier wintersicher eingezäunt, sodass die Strecke einem eigenen kleinen Bahndamm folgt. Die ursprüngliche Trassierung führte näher an den Bergen entlang, wurde aber nach Übernahme der Berninabahn durch die RhB aus Lawinenschutzgründen verlegt.
30 Über zwei spektakuläre Brücken geht es hinauf.
31 Dann noch durch eine kleine Schutzgalerie...
32 ... auf deren anderer Seite der Lej Nair liegt, Rätoromanisch für schwarzer See.
33 Es folgt die letzte Steigung,
34 dann wird die Wasserscheide zum Mittelmeer überquert und damit auch die Sprachgrenze. Der nachfolgende See ist demnach der Lago Bianco, weißer See - die Namen sind offensichtlich sinnvoll gewählt.
35 Von der anderen Seite des Sees fotografiert gäbe der Zug hier ein klassisches Kalendermotiv.
36 Blick zurück.
37 Und schließlich wird die höchste Adhäsionsbahnstation Europas erreicht, Ospizio Bernina.
38 Ein Schild verrät auch die genaue Schwellenhöhe.