1. Was für Stellwerkstechniken gibt es?
Bei der Deutschen Bahn gibt es mehrere Stellwerkstechniken, wobei man zwischen mechanischen, elektromechanischen, Spurplan-, Gleisbild- und elektronischen Stellwerken unterscheidet.
- Mechanische Stellwerke gibt es noch erstaunlich viele, teilweise stammen diese noch aus der Kaiserzeit und verrichten immer noch ihren Dienst. Durch Hebel, ca. 1 Meter hoch, und Drahtzugleitungen werden mittels Muskelkraft die Weichen, Gleissperren, Sperrsignale, Riegel und Signale bewegt. Alle Elemente werden einzeln umlegt, Hebel für Hebel. Zu erkennen sind mechanische Stellwerke relativ einfach an den Drahtzugleitungen neben dem Gleis. Die bekanntesten Bauformen waren "Jüdel" und "Einheit".
- Elektromechanisch Stellwerke sind heute im Bereich der ehemaligen Deutschen Reichsbahn stark vertreten. Diese funktionieren ähnlich wie die mechanischen Stellwerke, allerdings mit dem unterschied, dass die Hebel deutlich kleiner sind (ca. 20 cm), die statt von oben nach unten um 30, 45 oder 90 Grad gedreht werden. Im Gegensatz zum mechanischen Stellwerk wird nun allerdings das betroffene Element nicht durch eine Drahtzugleitung, sondern durch einen Stellstrom angesteuert und bewegt sich mittels eines Elektromotors. Vorteil hiervon ist, dass diese Bauform auch schwächere Personen problemlos bedienen können, wobei ich nicht Frauen meine, die können teilweise die mechanischen Stellwerke besser bedienen als ihre männlichen Kollegen ;)
Achtung: Es gibt durchaus, vor allem in Ostdeutschland, auch Stellwerke, die trotz mechanischer oder elektromechanischer Stellwerkstechnik Lichtsignale besitzen. - Spurplanstellwerke sind eine Entwicklung der Nachkriegszeit der ehemaligen Deutschen Bundesbahn, wobei man viele verschiedene Bauformen unterscheidet, die alle ähnlich, aber nicht gleich sind. Von Siemens gibt es das Sp Dr S 60 Stellwerk, das meist verbreitete Spurplanstellwerk (Sp Dr S= Spurplan Drucktastenstellwerk Siemens).
Daneben gibt es Dr S, Dr S2, Sp Dr S 57, Sp Dr S 59 und Sp Dr S 600 Stellwerke.
Die Firma SEL, dann irgendwann mal Alcatel und jetzt Thales) im Folgenden nur Lorenz genannt, entwickelte die Bauformen L 20, L 30 , Sp Dr L 60, Sp Dr L 60 neu und MCL 84.
Im Folgenden möchte ich nur auf Sp Dr S 60 Stellwerke eingehen, die anderen unterscheiden sich nur minimal (außer Dr S und Dr S 2).
Im Gegensatz zu den mechanischen und elektromechanischen Stellwerken, bei denen alle Weichenhebel von 1 bis 56 nebeneinander gereiht sind, besteht das Dr-Stellwerk aus einer großen Stelltafel oder einem Stelltisch. Es muss nicht jedes Einzelelement umgestellt werden, stattdessen bedient der Fahrdienstleiter nur Start und Zieltaste. Mittels Relaisgruppen werden alle Elemente in die richtige Lage gebracht und nachdem alle Vorbedingungen erfüllt sind kommt das Signal auf Fahrt.
Spurplanstellwerke sind stets mit dem HV-Signalsystem ausgestattet. - Gleisbildstellwerke sind eine Erfindung der Deutschen Reichsbahn (in der DDR). Hier gibt es ebenfalls mehrere Bauformen wie GS I, GS II und GS III. Da ich Bundesbahner bin, kenne ich mich da nicht so aus und lass auch mal die Finger davon.
Kleiner Exkurs, das EZMG Stellwerk (EZMG=Elektritscheskaja Zentralisazija Malych Stanzii Germanii) sind russische Importstellwerke, welche die Reichsbahn auf einigen Nebenbahnen verbaute. Diese sind sehr selten geworden und als Bundesbahner kenne ich auch hiermit nur unzureichend aus. - Elektronische Stellwerke sind die neueste Entwicklung und basiert auf Rechnertechnik. Der Fahrdienstleiter sitzt hinter mehreren Monitoren und überwacht auf Gleisplänen, ähnlich denen des Spurplanstellwerks, die Zug- und Rangierfahrten. Vom Bedienplatz, der sich entweder vor Ort oder in den Betriebszentralen befindet, geht ein Datenpaket auf Reisen, zuerst in die Unterzentrale (UZ), von dort aus an die ESTW-A. Ein ESTW-A stellt in der Regel einen Bahnhof, eine UZ hat meist mehrere ESTW-A unter sich. Sowohl ESTW-A, als auch UZ sind im Regelbetrieb unbesetzt, in der UZ befindet sich meist der Notbedienplatz, falls die Kommunikation BZ – UZ ausgefallen ist. Vom ESTW-A werden dann die Stellbefehle an die Weichen, Signale, etc. gegeben. Hersteller von ESTW sind unter anderem Siemens, Thales (Lorenz), Bombardier, Westinghouse.
ESTWs sind meist mit Ks-Signalen ausgestattet, ältere ESTWs können auch noch im HV-Signalsystem gebaut sein.
Eine Weitere Besonderheit sind die F L90 bzw. OC 15. Hierbei wird ein Spurplanstellwerk über die ESTW - Bedienoberfläche ferngesteuert. Das Spurplanstelllwerk steht anstelle eines ESTWs vor Ort und wird vom ESTW Bediener bedient.
2. Wie kommt das Signal auf Fahrt?
Das Zauberwort hier heißt PEPSI und nein, dass ist jetzt keine Schleichwerbung für irgendeine Colamarke sonder heißt:
Prüfen
Einstellen
Prüfen
Sichern
Beginnen wir wieder beim mechanischen und elektromechanischen Stellwerk. Als erstes muss der Fahrweg geprüft werden, das erste P von Pepsi. Dies geschieht im reinrassigen mechanischen Stellwerk durch Hinsehen. Dem ersten Prüfen folgt das Einstellen. Beide Punkte vermischen sich ein bisschen, dass keine klare Abgrenzung gezogen werden kann. Am Ende müssten folgende Punkte abgearbeitet sind.
- Der Fahrweg und der Durchrutschweg (D-Weg) müssen frei von Fahrzeugen sein. (Hinsehen)
- Die Fahrweg und D-Wegweichen sowie Flankenschutzeinrichtungen müssen richtig stehen
- Einmündende Gleise müssen Grenzzeichenfrei sein, außerdem dürfen zwischen Flankenschutzelementen und keine Fahrzeuge stehen
- Bahnübergänge müssen geschlossen sein
- Rangierverbote beachtet sein.
All diese Informationen holt sich der Fahrdienstleiter aus dem Verschlussplan, der auf den Stellwerken ausliegt, bzw. weiß diesen auswendig.
Nach dem ganzen Prüfen und Einstellen wird erneut geprüft und zwar durch den Fahrstraßenhebel. Jede Fahrstraße besitzt einen Hebel, der durch umstellen in 15/30 Grad prüft, ob alle Weichen, Gleissperren und Sperrsignale richtig stehen. Sollte etwas nicht stimmen merkt man das, der Hebel lässt sich nicht bewegen. Im elektromechanischen Stellwerk wird der Signalhebel in 30/45 Grad Stellung gebracht.
Geheimnis dieses Prüfens mittels Fahrstraßenhebels ist der Verschlusskasten. Hier wird über Schubstangen und Balken ähnlich dem Schüssel-Schloss-Prinzip mechanisch geprüft ob alles passt. Wellenähnliche Schubstangen mit Aussparungen prüfen ob die Weichen und Signalhebel, die ebenfalls Stangen haben, richtig gestellt sind.
Nachdem der Fahrstraßenhebel in die Hilfs- oder Endstellung gebracht wurde, sind alle betroffenen Weichen, Gleissperren und Sperrsignale in dieser Stellung mechanisch verschlossen.
Danach folgt das Sichern. Dabei wird am Blockkasten die Festlegung betätigt. Hierbei wird geprüft ob der Fahrstraßenhebel in der richtigen Stellung und bei Ausfahrten der nächste Blockabschnitt frei ist, sowie bei eingleisigen Strecken die Erlaubnis da ist. Erst dann wird das Signal freigegeben und bedienbar. Beim elektromechanischen Stellwerk geschieht alles durch das umstellen des Signalhebels in 90 Grad Lage.
Nachdem die Festlegung betätigt wurde ist die Fahrstraße nur noch mit Hilfshandlungen auflösbar.
Man kann sich also vorstellen, dass die Fahrstraßenbildezeit beim der Mechanik etwas dauert, vor allem wenn an dem ganzen Prozedere noch ein bis zwei Weichenwärter beteiligt sind, die jeweils für ihren Abschnitt PEPSI separat durchführen müssen.
Im Spurplanstellwerk oder im ESTW braucht der Fdl PEPSI nur noch im Störungsfall. Prüfen und Einstellen geht durch Knopfdruck der Starttaste und der Zieltaste, ggf. noch ein oder zwei Zusatztasten (wie UfGT, MGT…) bzw. durch Klick aufs Startsignal und Klick aufs Zielsignal, ggf mit Zusatzkommandos (wie S, F, …).
Die Technik prüft alle oben genannten Punkte. Das Freisein wird durch die Gleisfreimeldeanlage geprüft, z.B. durch einen Achszähler oder durch Gleisstromkreise. Die richtigen Stellungen der Elemente werden durch Suchströme in den Relaisgruppen überprüft, ebenso wie die Bahnübergangsproblematik. Rangierverbote sind meist durch das Vorhandensein von vielen Lichtsperrsignalen (Ls) realisiert.
Auch wenn das ganze weit weniger aufwendiger erscheint, ist alles mindestens genau so sicher wie die Mechanik, allerdings weit weniger durchsichtig für den Fahrdienstleiter, was eigentlich im Relaisraum bzw. Rechnerraum im ESTW passiert.
Wenn die Fahrstraße geprüft, eingestellt und gesichert ist, erscheint im Spurplanstellwerk der Fahrstraßenfestlegemelder, im ESTW das FüM-Ruhelicht. Das Signal kommt auf Fahrt. Eine festgelegte Fahrstraße kann auch hier nur durch Hilfshandlungen aufgelöst werden.
Was bei Störungen zu tun ist, soll hier nicht erwähnt werden, dass ist einiges mehr zu schreiben ;)
von Turbonegro