Dieser kleine Bericht aus dem Stellwerk eines fiktiven Bahnhofs, der so ziemlich meinen Arbeitsalltag wiederspiegelt, ist für alle gedacht, die immer sofort schreien, sobald ihr Zug mehr als 1,5 Min Verspätung hat, die grundsätzlich alles besser wissen und im Zug bei einer Standzeit von 2 Sekunden vor einem haltzeigenden Signal schon eine Verschwörung gegen sich, die Bahn und die Menschheit vermuten und Fdl, Zugdisponent, BuPol, Netzko und Frau Merkel anrufen müssen (woher die immer die Nummern haben, würde mich mal interessieren) – und die wahrscheinlich noch nie ein Stellwerk von innen gesehen haben. Und für diejenigen, die sich einfach nur ein bisschen auch dafür interessieren und nicht nur für das rollende Material. Er ist nicht für Eisenbahner gedacht, die sich in der Materie auskennen, der Bericht ist so einfach wie möglich geschrieben ;)

Morgens, 3:00, der Wecker klingelt. Müde drehe ich mich um und guck verschlafen auf den Wecker. Och nee, nur noch ein bisschen. Aber nichts da, schließlich ist in 45 Minuten Dienstbeginn im Stellwerk Münchstadt. Müde deck ich meine Frau wieder zu, lauf ins Bad, mach mir in der Küche meinen Kaffee und setze mich ins Auto, das zum Glück den Weg zum Bahnhof besser kennt als sein verschlafener Fahrer.

Der Bahnhof Münchstadt liegt an der zweigleisigen Hauptstrecke Großburg – Bachheim. In Münchstadt zweigt außerdem die eingleisig Nebenbahn nach Hinterwald ab. Der Bahnhof hat zwei durchgängige Hauptgleise (1 und 2), das Ausweichgleis 3 und das Stumpfgleis 1a sowie ein Ausweichgleis 4 ohne Bahnsteig. Des Weiteren zweigen vom Gleis 4 noch zwei Anschlussgleise in die nahe Fabrik und zum Schrotthändler ab. Der Bahnhof wird vom Spurplanstellwerk Mf der Bauart Sp Dr S 60 gesteuert.

Zurück in die Morgenstunde. Den Schlüssel suchend öffne ich die Tür und freue mich, dass die Nachtschicht, die seit 0:30 zu Hause ist, mal wieder nicht gelüftet hat. Eine Mischung aus Knoblauch, Zwiebeln und Zigarettenrauch tritt mir in die Nase, was mich gleich wieder rückwärts rausgehen lässt. Nach einer Minute kann man es bei offener Tür und Fenster halbwegs aushalten.

Naja, seis drum denk ich mir, schließe den Stelltisch auf und melde mich in Großburg in Dienst. Großburg ist nachts besetzt und entsprechend müde nimmt der Kollege Klein ab. „Fahrdienstleiter Großburg, Klein.“ „Fahrdienstleiter Münchstadt Müller, guten Morgen, ich bin dann mal da“, erwidere ich mindestens genauso verschlafen. „Na dann ist ja gut“, meinte Klein und fährt fort, „also ich hätt’ dir gleich den Ersten, biste fit? Zugmeldung Zug 23801 in Großburg ab 02“ – „Na klar bin ich fit! Ich wiederhole Zug 23801 in Großburg ab 02“ – „Richtig“. Das war die erste Zugmeldung am Tag.

Im Zugmeldebuch notiere ich neben meiner Arbeitsaufnahme und dem Uhrzeitvergleich die Meldung und stell gleich mal Einfahrt von Großburg nach Gleis 1.

Um 4:10 klingelt das Telefon erneut. „Bachheim, Erhardt, guten Morgen!“ Jaja Bachheim ist auch da, denk ich mir so und melde den Frühzug gleich weiter. Danach noch schnell Ausfahrt aus Gleis 1 nach Bachheim und der Frühzug kann kommen. Pünktlich 4:16 rollt der Frühzug an, die Ansage noch schnell gemacht und dann rumpelt der Triebwagen der Reihe 425 schon an mir vorbei. Den Lokführer durch einen kurzen Wink gegrüßt, während im Wageninneren die wenigen Fahrgäste vor sich hin schlummern. Der klassische Anfahrsound des Triebwagens ertönt und der Zug verschwindet in der Nacht.

Das war der Frühzug, das gleiche wiederholt sich noch mit dem morgendlichen Güterzug 56821 und einer weiteren Regionalbahn 23800 in der Gegenrichtung.

5:06 wird mir der 84501 von Großburg gemeldet. Der Zug wendet dann und fährt weiter nach Hinterwald auf die Nebenbahn. 5:11 meldet sich Hinterwald, Kollege Speckholter. „Guten Morgen, Klaus, willste gleich die Zugmeldung haben?“ frag ich. „Ja klar, schick rüber das Ding“, meint der Hinterwalder. „Also Zugmeldung, wird Zug 84501 angenommen?“ – „Zug 84501 ja!“ – „Zug 84501 in Münchstadt voraussichtlich ab 16!“ – „Ich wiederhole Zug 84501 in Münchstadt ab mit 16!“ – „Richtig“.

So jetzt Einfahrt nach Gleis 1a, der Triebwagen der Reihe 642 einer Privatbahn brummt ein. Gleich wieder Ausfahrt, diesmal halt nach Hinterwald, die Fahrtstraße läuft ein, aber das Signal kommt nicht auf Fahrt. Ungläubig schaue ich auf meinen Stelltisch. Was ist jetzt los. Da fällt mein Blick auf den Erlaubnismelder. Ah ja, der Hinterwalder hat vergessen die Erlaubnis zu drehen. Mal kurz anklingeln. „Hinterwald, was gibt’s noch?“ „Schläfste noch? Erlaubnis bräuchte ich schon noch!“ – „Ah jau, sorry“. Ein kurzer Kling am Stelltisch ertönt, der Erlaubnispfeil dreht sich und das Signal kommt. Na Gott sei Dank, keine Störung denk ich mir und begebe mich in Richtung Küche und setzte mal den Kaffee auf, denn pünktlich um 5:30 öffnet der Bäcker und dann heißt’s Frühstück mit Kaffee und frischen Brötchen. Der Zugverkehr läuft vor sich hin, Doppelstockzüge mit Pendlern wechseln sich mit den Regionalbahntriebwagen ab, Hinterwald versorgt mich im morgendlichen Berufsverkehr auch gut mit den Dieseltriebwagen und ab und zu kommen dann auch noch die Güterzüge.

7:23, eine Zugmeldung wie alle Anderen, doch dieses Mal ist es die CB 57833. Jetzt wird’s lustig, denn jetzt wird rangiert! Schnell die Einfahrt nach 4 gezogen und da kommt sie auch schon, die 294 mit ihren 12 Wagen. 3 H-Wagen für die Fabrik, 5 E-Wagen für den Schrotthändler und 4 F-Wagen für den Anschluss in Bachheim sind es dieses Mal.

Was jetzt passiert, fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Die Rangier begrüßen mich und dann geht’s auch schon los. Von Gleis 4 mit der Lok, den Bachheimer und den H-Wagen um den Zug rum, vorne die E-Wagen dran, mit der Lok in der Mitte geht’s zum Schrotthändler. Die Stimmen der Rangierer quäken durch den Funk. Dort angekommen kommen die E-Wagen hinten weg, vor in die Fabrik, die H-Wagen weg und nach wenigen Rangierbewegungen und ca. 20 Minuten befindet sich die Lok mit den 4 Bachheimer Wagen wieder fahrbereit und an der Spitze des Zuges auf Gleis 4 und nach dem RE 23813 geht’s weiter nach Bachheim. So das wäre auch geschafft!

Bis um 11:30 die Ablöse kommt passiert nichts mehr besonderes und ich freu mich, dass ich um kurz vor 12 zu Hause ankomme und nun den ganzen Nachmittag noch für mich hab…

von Turbonegro

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