Von korsischer Eisenbahn und russischem Nachtzug – 1/4 | 56B (Reiseberichte)
Hallo zusammen,
zuletzt hatte ich Euch auf eine sommerliche Reise nach Portugal mitgenommen, nun kommen wir in den Herbst.
Ich habe Ende September Geburtstag und in einem Anflug von Übermut hatte ich für das Geburtstagswochenende recht früh ein Schlafwagenabteil im russischen Nachtzug ab Nizza gebucht. Russland würde mich zwar auch mal interessieren, das ist aber doch recht weit und kompliziert – für den Anfang sollte die Strecke Nizza-Innsbruck genügen. Wie wir nach Nizza kommen sollten, wusste ich zum Zeitpunkt der Nachtzugbuchung noch nicht und ob ich überhaupt Urlaub bekommen würde, ebenfalls nicht. Gut, ganz blauäugig hatte ich die Buchung auch nicht gemacht, es gab einen Plan B, der sah vor, am Samstag tagsüber vom Bodensee nach Nizza zu fahren, dort den Nachtzug zu besteigen und am Sonntag von Innsbruck wieder nach Hause zu reisen, das wäre ein kompakter 35-Stunden-Wochenend-Trip ganz ohne notwendige Urlaubstage geworden.
Aber es kam anders. Auf der Suche nach Reisezielen rund um Nizza kamen mir erst die üblichen Klassiker wie Tendabahn oder Train des Pignes in den Sinn; als ich den Blick jedoch in etwas größerem Umkreis auf der Landkarte schweifen ließ, stach mir Korsika ins Auge. Und die Idee Fähre + Mittelmeerinsel + russischer Nachtzug gefiel mir als Geburtstagstour eigentlich recht gut. Blieb nur ein Problem: wo bekomme ich dann noch eine anständige Geburtstagstorte für die Lieben zu Hause her? Tja, da hilft alles nichts, dann müssen wir auch noch nach Wien, eine Sachertorte kaufen.
Das Ergebnis dieser wirren Überlegungen war eine sechstägige Rundfahrt durch fünf Länder. Von Konstanz aus fahren wir durch die Schweiz nach Italien und besteigen in Livorno die Fähre nach Korsika. Dort befahren wir das komplette Streckennetz der Chemins de fer de la Corse zwischen Bastia, Ajaccio und Calvi und setzen dann mit der Fähre über nach Nizza. Einen halben Tag verbringen wir im Umkreis von Nizza, anschließend reisen wir mit dem Nachtzug nach Innsbruck und von dort mit dem EC Transalpin nach Graz. Anschließend fahren wir „hintenrum“ über Thermenbahn, Wechselbahn und Aspangbahn nach Wien und von dort wieder nach Hause.
Die erstklassige Tour fand schon im Herbst 2017 statt, begleitet hatte mich mein Bruder.
Tag 1: Konstanz – Zürich – Mailand – Pisa – Livorno
Die erste Etappe unserer Reise habe ich diesmal etwas kürzer gefasst, denn die Relation Konstanz – Zürich findet sich nun wahrlich nicht das erste Mal in meinen Reiseberichten. Und das Wetter ist bei der Abfahrt auch nicht so toll, das steigert die Vorfreude auf die Sonne am Mittelmeer. Mit einem Interregio der SBB fahren wir von Konstanz nach Zürich.
In Zürich wechseln wir auf den Eurocity nach Mailand. Ein „Astoro“ (ETR 610) wird uns nach Italien bringen, der Name ist abgeleitet vom italienischen Begriff Astore für den Habicht. Der Zug ist damit das ornithologische Pendant zum Giruno (deutsch Mäusebussard).
Zürichsee – Zuger See – Vierwaldstätter See – Gotthardbahn mit Gotthard-Basistunnel – Luganersee... auch diese Strecke habe ich gefühlt schon unzählige Male befahren und in Reiseberichten verarbeitet, so belassen wir es auch bei der Alpenquerung beim Telegrammstil.
Ab Mailand steht ein Frecciabianca auf unserem Reiseplan, der „weiße Pfeil“ entpuppt sich als ETR 460-Triebzug. Der Zug fährt von Mailand nach Rom, aber nicht auf dem direkten Weg, sondern via Genua und entlang der Küste.
So stellt man sich das vor: während nördlich der Alpen schon der Herbst Einzug hält, lacht über Italien noch die Sonne. Nur die Landschaft ist hier in der Po-Ebene noch etwas öde...
...aber auch hier kündigt sich Abwechslung an, durch den Ligurischen Apennin geht es hinab zum Meer. Vermutlich sind wir damals auch unter dem Polcevera-Viadukt hindurchgefahren und hatten der Autobahnbrücke über den Gleisen wenig Beachtung geschenkt, einige Monate später war jene Morandi-Brücke nach dem Einsturz in aller Munde.
Im Bahnhof Genova Piazza Principe steht der Zug planmäßig 20 Minuten, anschließend führt die Strecke an der Küste des Ligurischen Meers nach Süden. Die Strecke ist landschaftlich reizvoll, das Gegenlicht verhindert aber weitere Bilder aus dem Zugfenster.
Gut, wenn in Fahrtrichtung rechts die Sonne über dem Meer blendet, schauen wir halt links raus, wo sich die Apuanischen Alpen erheben.
Bei diesem Bild fahren wir im Stadtgebiet von Pisa über den Fluss Arno, am linken Ufer die mittelalterliche Zitadelle mit dem markanten Torre Guelfa. Obwohl der Zug direkt bis Livorno fährt, steigen wir eine Station zuvor am Bahnhof von Pisa aus und legen dort einen Zwischenstopp ein.
Hier sind wir an der Piazza Garibaldi, vor dem Casino dei Nobili erinnert eine Statue an Giuseppe Garibaldi, einen Guerillakämpfer der italienischen Einigungsbewegung. In unserem Rücken...
...die Ponte die Mezzo und der Palazzo Pretorio. Dass das noch nicht alle Bilder aus Pisa waren, dürfte nun kaum überraschen. Da fehlt noch etwas, und dazu laufen wir weiter durch die Altstadt...
...zum Dom Santa Maria Assunta. Weitaus berühmter als der Dom ist dessen freistehender Glockenturm. Schön während des Baus der dritten Etage des Turm im Jahr 1185 begann sich der Turmstumpf zu neigen, woraufhin ein Baustopp von rund 100 Jahren eingelegt wurde. Dann setzte man den Bau des 55 Meter hohen Campanile fort, der Bau aus Carrara-Marmor wurde damit zum Wahrzeichen von Pisa und Unesco-Welterbe.
Für den Rückweg zum Bahnhof wählen wir einen anderen Weg, dieser führt uns vorbei an der kleinen Kirche Santa Maria della Spina am Ufer des Arno. Die Kirche stand früher näher am Flussufer und musste mehrfach wegen Hochwasserschäden restauriert werden, so dass sie letztendlich versetzt wurde und heute höher über dem Flusspegel steht.
Vom Bahnhof Pisa Centrale fahren wir nun nach Livorno. Die beiden Städte liegen rund 15 Minuten auseinander, es gibt ein dichtes Angebot an Regionalzügen. Mit einem Elektrotriebwagen fahren wir das kurze Stück auf der Ferrovia Leopolda, die Bahnstrecke verbindet Livorno mit Florenz und wurde ursprünglich gebaut, um die Hafenstadt mit der Hauptstadt der Toskana zu verbinden.
An der Stazione di Livorno Centrale endet unsere heutige Bahnfahrt. Der Bahnhof mit der monumentalen Fassade wurde 1910 eröffnet. Hier können wir die letzten Sonnenstrahlen einfangen; der Bahnhof liegt recht weit draußen, bis wir im Zentrum angekommen, setzt die Dämmerung ein.
Livorno hat knapp 160.000 Einwohner und besitzt einen der größten italienischen Häfen. Ein großer Teil der historischen Bausubstanz wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, viele alte Gebäude und ehemalige Lagerhäuser findet man noch im Stadtviertel Venezia Nuova. Das Viertel wurde 1629 angelegt und ist von Kanälen durchzogen, die an Venedig erinnern.
Und mit dem Palazzo Granducale, ab 1605 als Teil des großherzoglichen Hofs gebaut, beenden wir den ersten Reisetag.
Es geht gleich weiter...
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