Auf nach Köln! (Reiseberichte)
Hallöchen allerseits!
Noch, das wichtigste Spielg gibt's gleich, ist u.a. Köln Schauplatz der Eishockey WM diesen Jahres. Lettland - Rußland in der Vorrunde klappte zeitlich nicht, dafür ergatterte ich aber ein Ticket für das Halbfinale am gestrigen Nachmittag. Dachte ich erst, dass ich Schweden gegen Finnland sehe, erklärte mein eishockeytechnisch unbewanderter Bruder, dass das Nachmittagsspiel aber Kanada - Rußland sei, also das von allen Experten als vorweggenommenes Endspiel bezeichnete. Blaschi bucht munter ohne große Recherchen vor sich hin und erwischt wieder mal einen Volltreffer. Künstlerglück...
Und so ging es dann gestern mit der Eisenbahn gen Kölle am Rhein. Nun hätte ich da relativ günstig mit dem Schöner-Tag-Ticket NRW hinfahren können. Das gilt ja auch in Osnabrück und hier sogar im Stadtbusverkehr. Aber Nahverkehr an einem Fußballwochenende und dann noch in NRW? Irgendwie keine prickelnden Aussichten. Mit etwas Geduld ließ sich dann aber noch was einigermaßen preislich akzeptables buchen mit inkludiertem Fernverkehr.
Los sollte es gehen von Osnabrück Richtung Rheine. Die City-Option ist da beim Fahrschein eine feine Sache: Früher kostete mich die Busfahrt zum Bahnhof und zurück je 1 Euro, nach einer Tarifreform sind es jetzt 2,70 Euro hin bzw. 1,50 Euro zurück - "(...) die Einführung (...) preisattraktiver Produktangebote (...)" nennt das der örtliche Busbetreiber. Kann mir heute aber egal sein, der ausgedruckte DIN-A-4-Zettel überzeugt die Fahrer der Busse. Am Bahnhof angekommen stelle ich fest, dass meine Fernzugflucht vor Junggesellenabschieden vergebens war: Schon in der Bahnhofshalle werde ich angesprochen, "Du siehst lustig aus und nach Humor". Na dann...
Im oberen Bahnhofsteil ist schon wieder Action, irgendein IC hat bannig Verspätung, aber ich gehe ja von oben wieder nach unten. Meine Westfalenbahnfuhre nach Rheine trudelt pünktlich ein, die Fahrt verläuft ohne Probleme bis Rheine. In Rheine ist etwas Pause, ich schaue mir den neuen hinteren Ausgang an und dann die im Vergleich dazu prähistorische Bahnhofshalle - welch Kontrast. Eben etwas Essen und Trinken fassen und dann auf Richtung Bahnsteig. Der IC nach Köln wir mit umgekehrter Wagenreihung angekündigt. Ui, Steuerwagen vorne, da kann ich ja vielleicht mal ein bißchen rausschauen nach vorne. Vorweggenommen: Nein, kann ich nicht. Der Vorhang an der Tür hängt zwar nur noch rudimentär in der Leiste - offenkundig kann nicht jeder Lokführer die Laufrollen, die rausgelaufen sind, auch wieder einsetzen -, aber es reicht aus, um die Sicht größtenteils zu verdecken. Dafür ist eine der Verkleidungsklappen lose und gibt einen Blick auf's Bordbuch frei. Fahrräder sind auch vertreten. Der olle Bimz dahinter ist abteiltechnisch voll, der modernisierte Steuerwagen ebenfalls. In den ex-First-Class-Wagen will ich nicht - die auf der letzten Fahrt dort produzierten Rückenschmerzen reichen mir noch... - dahinter in der Mitte ist die Mühle ziemlich voll. Das ist ja bei den Emsland-IC/RE immer ganz spannend: die Auslastung! Mal würde ein Bonsai-Quietschie oder die rollende Toilettenkiste 640 völlig ausreichen - mal platzen die Dinger fürmlich aus den Nähten, wenn wieder touristischer Großkampf-/Radfahrertag ist.
Ich mache es mir also im Fahrradabteil vorne bequem, da stört sich niemand am offenen Fenster. Wir sind pünktlich. Alles ist gut.
Aber nicht lange. Selbst im IC finden sich eine Batterie Wahnsinniger ein: Ein Heiratswilliger auf Freiheitsabschiedstour. Wie kann man das Ende des eigenbestimmten Lebens auch noch feiern? Wie die anderen Fahrgäste werde auch ich nicht verschont. Hinzu kommen ein paar lustige Emsland-Kampfweiber auf Sauftour - schlimmer geht nimmer...
Das Zugpersonal erscheint ob der ganzen Wahnsinnigen auch etwas unmotiviert - ich kann es ihnen nicht verdenken. Und mal ehrlich: Sich als Schaffner mit solchen Typen rumschlagen zu müssen, ist bestimmt auch kein Quell der Freude:
Dann kommt Recklinghausen mit dem irre langen Hausbahnsteig, der gefühlt schon irgendwo in Haltern am See beginnt und an dem man gefühlt auch den 720-Meter-Güterzug komplett an den Bahnsteig bekommt. Danach geht's noch ein paar Meterchen gut und dann sinkt Blaschis Laune mal wieder gewaltig. Es stockt und staut sich... Die Bauarbeiten in Dortmund ziehen sich wohl und es muß mehr umgeleitet werden als geplant. Da macht die Infrastruktur schlapp. Als warten und bummeln und warten und bummeln. Wir bekommen Verspätung. Und mein Minutenanschluß in Duisburg rückt in weite Ferne und mein pünktliches Erscheinen beim WM-Spiel damit auch. In Gelsenkirchen sind die Anzeigetafeln ausgefallen - der Lokführer kann dem fragenden Migranten, der schon einen anderen Zug erwartet, auch nicht helfen, aber Blaschi hat ja diese dbfinalrewind-Seite mit der Bahnhofstafel auf dem Handy und so kann ich dem netten Menschen und seiner Familie mitteilen, dass sein Zug der nächste sein wird; mit 4 Minuten Verspätung. Wir eiern derweil gemütlich von dannen; so richtig der Drive fehlt aber. In Oberhausen kommt hektisch ein Fahrgast angerannt, der noch raus will - die zwei folgenden Türen sind nämlich nicht öffnungsfähig laut Bezettelung. Zu spät, erkläre ich ihm und erläutere ihm netterweise auch noch, warum das so ist. Muß er mit bis Duisburg. C'est la vie.
Vor Duisburg bemerke ich dann, dass mein ICE nach Deutz auch Verspätung hat - ui, sollte das noch klappen? Der Schaffner sagt den Anschluß durch - Donnerlütchen, könnte tatsächlich was werden. Also raus in Duisburg, rübermachen von 2 auf 4 und dann mal schauen: Auch hier funktionieren die Anzeigetafeln nicht, was dank der ganzen Verspätungen nicht gerade prickelnd ist. Da wo jetzt der ICE kommen soll, steht noch der hoffnungslos verspätete RE 1 nach Aachen. Unser Zug wird dann rübergeschoben auf 3 und trifft ein. Ich finde ein ab Köln reserviertes Plätzchen und mit ca irgendwas bei +17 fahren wird los. Gut, wenn nichts mehr passiert, würde das reichen.
Ich beschließe ein kurzes Nickerchen zu machen. Neudeutsch heißt das Power-Napping; früher auf dem Lande kannten meine Vorfahren sowas noch als "None machen". Also etwas gedöst, vorher aber mal eben das WLAN im Zug gestestet; funktionierte sogar.
Als ich wieder wach werde, stelle ich fest, dass wir doch gut in der Zeit liegen - wie ich später recherchiere, hat man dem Fahrplan satt etliche Minuten beigefügt. So kommen wir in unten in Deutz nur mit irgendwas bei +5 an. Ich bin mit der DB wieder versöhnt, nachdem ich zwischenzeitlich die Bahncard kündigen wollte. Orientierung habe ich keine, ich weiß nur, dass die Lanxess-Arena auf der anderen Seite der Messe ist - zur Messe soll es rechts gehen, also gehe ich links. Vom Bahnsteig geht's direkt auf die Straße - und da vor mir ein Typ in Schweden-Outfit eilig herumläuft, folge ich ihm einfach. Das erweist sich als richtig - ratz fatz bin ich an der Arena und dann auch drinnen. 15 Minuten vor Anpfiff - alles gut. Mein Platz in Reihe 1 ist auch gefunden. Es kann los gehen.
Ich muß dabei erwähnen, dass ich da tatsächlich quasi angefixt wurde. Leute, vergesst Fußball, das ist ein Schlafmittel dagegen! Das Spiel ist in natura noch bedeutend schneller als es im Fernsehen wirkt; es geht zur Sache. Ich bin entzückt. Die Halle erscheint fest in russischer Hand, gute Stimmung. Mir gefällt die Sportart ja schon lange, schon als 10-jähriger stand ich mal mitten in der Nacht auf (1980 Lake Placid), um ein Spiel zu sehen (Tschoslowakei [damals war das noch eins...] gegen BRD 11:3). Ich kenne zwar nicht alle Regeln, aber so im groben schon. Und das Beste: Im Gegensatz zum Mini-Fernsehbildschirm sehe ich hier sogar den Puck, oder wie es die Experten von "Sport1" ausdrücken: "die Scheibe".
Nebenan zeigt sich, dass man in der Mangelwirtschaft das Improvisieren perfekt beherrscht. Was macht der russische Jungspund (geschätzt so 10 Lenze...), wenn die Fahne unbedingt am Geländer hängen soll, aber das mit der Befestigung so eine Sache ist:
Hält! Das Spiel übrigens auch das, was es verspricht. Rußland führt 2:0 vor dem Schlußdrittel, verliert dann aber noch 4:2. Ich weiß jetzt, was in der Werbepause INNERHALB eines Drittels passiert (das Eis wird gereinigt) und staune über dsa Zeitregime beim Eishockey - sogar nach einem Tor bedient da ein Funktionär eine Stoppuhr, 45 Sek. Torjubel und weiter geht's...)
All die russischen Fans sind nach Schlußpfiff bedient. Ich bin froh, dass es keine Overtime gibt und kein Penaltyschießen - so erreiche ich auf alle Fälle meine gebuchte Rückfahrt. Übrigens, ganz interessant, dass zumindest hierzulande das "Penalty" aussprachetechnisch eingedeutscht ist; ich höre ständig "Pe-nal-ti" anstatt des englischsprachigen "Pännälti".
Und wem das alles jetzt viel zu viel off-topic ist, dem sei gesagt, dass auf russischer Seite auch ein Schaffner mit auf dem Eis war - die Nummer 2:
Nun, das Spiel war aus. Das Bratwurst-"Menü" - besteht aus Wurst, Brötchen und 0,5 COCA-COLA für 8 Euro - war vertilgt, also raus aus der Halle. Wie nochmal komme ich jetzt Richtung Bahnhof? Kein Problem in Köln - Richtung Dom ist nie falsch und den sieht man immer:
Ich ging aber nur bis zum Deutzer Bahnhof, juckelte von da mit einem "National Express" über die Hohenzollernbrücke, wo domseitig die Zahl der Liebesschlösser so hoch ist, dass jemand das Kunststück fertig gebracht hat, ein Graffiti dort zu hinterlassen. Rechts am Geländer dagegen ist noch reichlich Platz - hm..., ich rätsele noch immer über den Grund.
--- Ich muß tatsächlich trennen - der Forensoftware ist mein Geschreibsel schon wieder zuviel...