ZM: Suizidversuchende zu Schmerzensgeld an Tf verurteilt (Allgemeines Forum)

Splittergattung, Freitag, 24.04.2015, 22:34 (vor 3261 Tagen)

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/forderung-nach-schmerzensgeld-lokfuehrerin-verklagt...

"Eine 23-Jährige Münchnerin wollte sich mit einem Sprung vor die S-Bahn das Leben nehmen. Sie überlebte schwer verletzt. Nun muss sie der Lokführerin Schmerzensgeld bezahlen, da diese seitdem unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Nach Meinung des Gerichts muss vor einer solchen Tat klar sein, dass dadurch bei Zugführern ein psychischer Schaden verursacht wird."

Ich kann die Lokführerin in ihrem Wunsch nach Schmerzensgeld natürlich verstehen, andererseits wird die Beklagte (auch wenn das Gericht keine Krankheit bewiesen sieht) den Versuch nicht aus Lust am Lokführerärgern begangen haben und ist insofern mit ihrer Situation zu dem Zeitpunkt und mit den Unfallfolgen schon genug getroffen.
Dass das Schmerzensgeld juristisch vertretbar ist, sehen wir ja, aber ob die Forderung aus ethischen Gründen unbedingt sein muss - schwierige Frage...

Ich sehe es etwas differenzierter....

Blaschke, Freitag, 24.04.2015, 22:50 (vor 3261 Tagen) @ Splittergattung

Hallo!


Das Gericht ist der Auffassung, dass die Selbstmörderin zum Zeitpunkt der Tat nicht so sehr erkrankt sei, dass sie keine freien Entschlüsse fassen könne. Nur deswegen wurde die Selbstmörderin zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt. Man kann nur spekulieren, wie das Urteil ausgefallen wäre, würde das Gericht die Krankheit zum Tatzeitpunkt anerkennen.


Ich halte die Begründung für falsch: Der Überlebenstrieb und -drang des Menschen ist so stark und ausgeprägt, dass die Umsetzung eines Selbstmordplanes schon ausreicht, um eine Krankheit und das Nichtvorhandensein eines "freien Willens" zu unterstellen. Einen vermeintlich "freien" Entschluß, sich umzubringen, kann es nach meinem Dafürhalten nicht geben - wer Selbstmordgedanken hat und diese auch in die Tat umsetzt, leidet allein schon deswegen unter einer krankhaften Wahrnehmung und damit unter einer Krankheit.

Abgesehen davon nehme ich der Selbstmörderin ab, dass sie sich über die Folgen für die Lokführerin keine Gedanken gemacht hat. Wesen solcher Krankheiten ist ja ein völlig verzerrtes Weltbild. Einige Dinge werden maßlos überbewertet - weswegen überhaupt erst die Suizidgedanken entstehen. Andere Dinge werden völlig ausgeblendet.


Dass soll keine "Rechtfertigung" sein. Natürlich ist die Lokführerin "Opfer" - ganz eindeutig. Und ich will ihr auch nicht absprechen, dass sie Anspruch auf eine Form der Entschädigung hat. Ob nun 1.500 Euro ihr guttun oder ob es auch eher das Urteil an sich ist, möge sie für sich entscheiden; wenn es so, ist das okay. Und natürlich ist die Selbstmörderin "Täterin". Auch das ist unzweifelhaft. Allerdings ist sie in gewisser Form auch "Opfer", nämlich Opfer einer Krankheit, unter der sich die, die sie nicht erlebt haben, wohl niemand wirklich etwas vorstellen kann. Dafür habe ich Verständnis; genauso wie für den "Zorn" der Lokführerin auf die Selbstmörderin. Ich freue mich für jeden, der sowas nie erleben mußte - auf beiden Seiten. Solche Krankheiten sind Dinge, die man seinem ärgsten Feind nicht gönnt.

Eine wirkliche Lösung für solch Dilemma habe auch ich nicht parat. Vorstellen könnte ich mir, dass solche Schmerzensgelder nicht vom Selbstmörder, sondern von einer anderen Stelle (z.B. "Weißer Ring") gezahlt werden, welche für solche Fälle mit den entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet ist/wird (z.B. durch Stiftungen).


Schöne Grüße von

jörg

Ich sehe es etwas differenzierter....

Christian_S, Freitag, 24.04.2015, 22:58 (vor 3261 Tagen) @ Blaschke
bearbeitet von Christian_S, Freitag, 24.04.2015, 23:00


Dass soll keine "Rechtfertigung" sein. Natürlich ist die Lokführerin "Opfer" - ganz eindeutig. Und ich will ihr auch nicht absprechen, dass sie Anspruch auf eine Form der Entschädigung hat. Ob nun 1.500 Euro ihr guttun oder ob es auch eher das Urteil an sich ist, möge sie für sich entscheiden; wenn es so, ist das okay.

Ich kann Deine Ansicht schon nachvollziehen, nur hat das Schmerzensgeld seine Begründung in aller Regel nicht darin, dem Opfer gut zu tun. Viel mehr ist ein solches Schmerzensgeld ja dafür gedacht, finanzielle Nachteile für die Zeit nach dem Unfall ein Stück weit auszugleichen. Das fängt bei Verdienstausfall (in dem Fall vermutlich hauptsächlich Zulagen, die aber gerade in einer Stadt wie München durchaus zum Lebensunterhalt nötig sein können) oder auch über die normale von der Krankenkasse übernommene psychische Betreuung hinausgehende Maßnahmen, die bei manchen Lokführern eben nötig sind, um nicht berufsunfähig zu werden.

Aus meiner Sicht ist ein solches Schmerzensgeld durchaus gerechtfertigt. Sicherlich, die "Täterin" wird nicht darüber nachgedacht haben, was sie damit anrichtet, da gebe ich Dir recht. Für sie wird es der einfachste Weg gewesen sein. Trotzdem reisst sie mit ihrem Handeln einen unbeteiligten Menschen mit hinein - anders als wenn sie sich im Wald einen Baum gesucht hätte. Genau da liegt der feine Unterschied.

Ich sehe es etwas differenzierter....

Manitou, Samstag, 25.04.2015, 00:35 (vor 3261 Tagen) @ Christian_S

Auch bei anderen Selbstmordarten, die einem Dritten Schaden zufügen, haftet der Täter. So z.B. beim Herbeiführen einer Gasexplosion oder eines Frontalzusammenstoßes als Geisterfahrer. Zu klären wäre dabei, ob die billigende Inkaufnahme des Schadens für einen Dritten als (grob) fahrlässig (dann zahlt die Privathaftpflichtversicherung) oder vorsätzlich (hier muß der Verursacher mit seinem eigenem Vermögen, auch über den Tod hinaus, haften) vom Gericht bewertet wird.
Auc die DB hat einen Schadensersatzanspruch (Schäden an Fahrzeugen, aber auch Regress für die an Fahrgäste zu zahlenden Entschädigungen).

Ich sehe es etwas differenzierter....

JeDi, überall und nirgendwo, Samstag, 25.04.2015, 10:04 (vor 3261 Tagen) @ Manitou

Zu klären wäre dabei, ob die billigende Inkaufnahme des Schadens für einen Dritten als (grob) fahrlässig (dann zahlt die Privathaftpflichtversicherung) oder vorsätzlich (hier muß der Verursacher mit seinem eigenem Vermögen, auch über den Tod hinaus, haften) vom Gericht bewertet wird.

Eine billigende Inkaufnahme läuft doch eigentlich immer als Eventualvorsatz? Da eine Fahrlässigkeit drauf zu drehen würde ich jetzt mal für schwer bis unmöglich halten.

--
Weg mit dem 4744!

ZM: Suizidversuchende zu Schmerzensgeld an Tf verurteilt

GibmirZucker, Freitag, 24.04.2015, 22:57 (vor 3261 Tagen) @ Splittergattung

Ich kann die Lokführerin in ihrem Wunsch nach Schmerzensgeld natürlich verstehen

Wohl war weniger die Lokführerin direkt die Akteuerin, als deren Anwälte. Üblicherweise wird der Schadenverursacher zur Rechenschaft gezogen, verzichtet das Opfer, wird das Geld nicht automatisch von anderen Institutionen (Versicherung, Arbeitgeber) übernommen.

andererseits wird die Beklagte (...) den Versuch nicht aus Lust am Lokführerärgern begangen haben

Die meisten Täter schädigen andere Menschen nicht aus purer Lust am Ärgern. Aber man muss auch für den Kollateralschaden gerade stehen, wer eine Tanke überfällt, weil er unbedingt Kippen braucht, dabei der Verkäuferin die Zähne rausschlägt, tut dies eben auch nur, weil er in der Verzweiflung seine Sucht stillen will und nicht weil er primär Gewalt ausüben will.

ZM: Suizidversuchende zu Schmerzensgeld an Tf verurteilt

guru61, Arolfingen, Samstag, 25.04.2015, 11:50 (vor 3261 Tagen) @ Splittergattung
bearbeitet von guru61, Samstag, 25.04.2015, 11:51

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/forderung-nach-schmerzensgeld-lokfuehrerin-verklagt...
Ich kann die Lokführerin in ihrem Wunsch nach Schmerzensgeld natürlich verstehen, andererseits wird die Beklagte (auch wenn das Gericht keine Krankheit bewiesen sieht) den Versuch nicht aus Lust am Lokführerärgern begangen haben und ist insofern mit ihrer Situation zu dem Zeitpunkt und mit den Unfallfolgen schon genug getroffen.
Dass das Schmerzensgeld juristisch vertretbar ist, sehen wir ja, aber ob die Forderung aus ethischen Gründen unbedingt sein muss - schwierige Frage...

Hallo
Jetzt teste mal deine Ansicht an einem andern Fall:
Germanwings.

Nach Deiner Ansicht, müsste dann auch keiner der Angehörigen der Hintensitzenden eine Entschädigung bekommen. denn der Pilot wird:den Versuch nicht aus Lust am Lokführerärgern bzw Pilotenärgern begangen haben

Gruss Guru

ZM: Suizidversuchende zu Schmerzensgeld an Tf verurteilt

Sebi, Passau/Bochum, Samstag, 25.04.2015, 12:12 (vor 3261 Tagen) @ guru61

Hallo
Jetzt teste mal deine Ansicht an einem andern Fall:
Germanwings.

Nach Deiner Ansicht, müsste dann auch keiner der Angehörigen der Hintensitzenden eine Entschädigung bekommen. denn der Pilot wird:den Versuch nicht aus Lust am Lokführerärgern bzw Pilotenärgern begangen haben

Gruss Guru

Ich glaube, diese Situationen sind nicht sehr gut vergleichbar. Bei der Handlung des Piloten kann man regelrecht von einem Selbstmord-Attentat reden: Wer ein Flugzeug mit 150 Passagieren gegen einen Berg fliegen lässt, tut dies nicht nur mit suizidaler Absicht, sondern hat zumindest im Hinterkopf, dass dabei 150 andere Menschen mit in den Tod fliegen.

Anders als bei Suiziden, bei denen man vor den Zug springt. Hier hat der Suizidler vermutlich nicht in erster Linie die Belastung für den Lokführer im Kopf, sondern eben seinen sicheren Tod. Darum finde ich diese Situationen nicht wirklich vergleichbar...

ZM: Suizidversuchende zu Schmerzensgeld an Tf verurteilt

guru61, Arolfingen, Montag, 27.04.2015, 07:48 (vor 3259 Tagen) @ Sebi

Hallo
Jetzt teste mal deine Ansicht an einem andern Fall:
Germanwings.

Nach Deiner Ansicht, müsste dann auch keiner der Angehörigen der Hintensitzenden eine Entschädigung bekommen. denn der Pilot wird:den Versuch nicht aus Lust am Lokführerärgern bzw Pilotenärgern begangen haben

Gruss Guru


Ich glaube, diese Situationen sind nicht sehr gut vergleichbar.

Anders als bei Suiziden, bei denen man vor den Zug springt. Hier hat der Suizidler vermutlich nicht in erster Linie die Belastung für den Lokführer im Kopf, sondern eben seinen sicheren Tod. Darum finde ich diese Situationen nicht wirklich vergleichbar...

Hallo
Nun, aus meiner Erfahrung kann es aber doch Probleme geben: Denn nicht jeder Führer steckt das einfach so weg.
Ich kannte in Rorschach Führer, die 5 - 6 Suizide hatten, und das locker wegsteckten ("war ja bei Münsterlingen Seeseite, das kommt dort vor" [«Münsterlingen Seeseite» ist in der örtlichen Umgangssprache ein Euphemismus für die Psychiatrische Klinik.])

Andere klappen buchstäblich zusammen, und mussten de Job wechseln. Oder sie hatten nachher schwere psychische Probleme. Dies ging bis zur Scheidung.

Wie erklärst du einem so gezeichneten, der ja unverschuldet da hineinschlitterte, dass der Selbstmörder ja nichts getan hat, was einen dritten schädigt?

Auch Lokführer sind Menschen!

Gruss Guru

ZM: Suizidversuchende zu Schmerzensgeld an Tf verurteilt

Manitou, Sonntag, 26.04.2015, 01:18 (vor 3260 Tagen) @ guru61

Auch da halte ich eine Entschädigung für gerechtfertigt.

ZM: Suizidversuchende zu Schmerzensgeld an Tf verurteilt

brandenburger, Perleberg, Samstag, 25.04.2015, 13:14 (vor 3261 Tagen) @ Splittergattung

und ist insofern mit ihrer Situation zu dem Zeitpunkt und mit den Unfallfolgen schon genug getroffen.
Dass das Schmerzensgeld juristisch vertretbar ist, sehen wir ja, aber ob die Forderung aus ethischen Gründen unbedingt sein muss - schwierige Frage...

Hallo,

du verwechselst hier zwei Sachen: Es geht ja nicht um eine Strafe (da wäre die Überlegung, die Verursacherin sei "genug getroffen", sinnvoll), sondern um eine Haftung für den Schaden.

die kriescht nix !

Dorle, Samstag, 25.04.2015, 20:51 (vor 3260 Tagen) @ Splittergattung

- kein Text -

alles ok mit dir oder was soll so ein kommentar?

bahnerausleidenschaft, Samstag, 25.04.2015, 21:08 (vor 3260 Tagen) @ Dorle

- kein Text -

Augenscheinlich nicht...

hmanz, Hildesheim, Samstag, 25.04.2015, 21:11 (vor 3260 Tagen) @ bahnerausleidenschaft

Sie hatte schon vorhin in einem (mittlerweile gelöschten) Beitragsbaum nach Forenurlaub gebettelt.

Mittlerweile habe ich auch eine private Mail im Postfach in der sie mich als "Kanacker" bezeichnet. Schade, dass man sich so etwas in einem Bahnerforum antun muss.

zum Glück habe ich meine Mailfunktion abgeschaltet

bahnerausleidenschaft, Samstag, 25.04.2015, 22:09 (vor 3260 Tagen) @ hmanz

- kein Text -

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