Hätte eine Kamera den Täter abgehalten? (Allgemeines Forum)

Hustensaft, Mittwoch, 07.08.2019, 16:55 (vor 1714 Tagen) @ moonglum

Wohl kaum? Und es ist auch fraglich, ob eine Polizeistreife schnell genug vor Ort gewesen wäre. Wobei ohnehin erst einmal zu klären wäre, ob der Täter überhaupt schon in einem deutschen Fahndungssystem erfasst war. Und so weiter … Außerdem habe ich im Hinterkopf, dass der Versuch am Berliner Südkreuz rechtswidrig war, das Bundesinnenministerium sich aber einen Dreck darum gekümmert hat - merke: Wir beachten das Recht nur, solange das uns in den Kram passt.

In diesem Zusammenhang: Selbst die genannte Fehlerquote ist noch verdammt hoch, wenn man das auf die Zahl der täglichen Reisenden umrechnet - einfach mal nachrechnen, wie viele Fehlalarme es geben wird: 0,00018 % von einer Million sind 1,8, bei zehn Millionen Reisenden täglich wären es bereits 18 - wohlgemerkt Unschuldige! Eine Katastrophe für die Betroffenen (zu allem Unglück haben die das Potenzial gleich wiederholt "Opfer" zu werden), aber auch für die übrigen Reisenden, gehen entsprechende polizeiliche Maßnahmen doch mit massiven Beeinträchtigungen wie Bahnhofssperren o.ä. einher. Wie man da von einer zu vernachlässigenden Zahl reden kann, verstehe ich nicht, ich nenne das Realitätsverlust.

Notiz am Rande: Gerade machte eine Zahl der Runde, wie viele polizeiliche Übergriffe es jedes Jahr gibt, der gesicherte Wert lag bei 2.000, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, im Endeffekt sind das aber fast 5,5 Übergriffe pro Tag (real dürften es weit mehr sein). Herr Innenminister, schon wenn die Dunkelziffer nur bei etwa 5.000 Fällen liegt, wäre "Gleichstand" erreicht - statt dessen streitet man sich vor Gericht, ob die Polizei Filmaufnahmen ihrer Arbeit unterbinden darf, obgleich es hierzu bereits ein einschlägiges Urteil auf allerhöchster Ebene gibt.
Zur Klarstellung: Ich beneide die Polizei nicht um ihren Job und finde es unerträglich, dass der Respekt vor der Polizei zunehmend verloren geht - andererseits muss es aber im ureigensten Interesse der Polizei liegen, derartige Übergriffe aufzuklären und nicht, wie oft noch üblich, zu vertuschen oder anderweitig "zu erledigen". Jeder Fall, der publik wird, schadet dem Ansehen der Polizei und macht deren Arbeit nicht leichter - nur leider höre ich da vom Innenminister kein Wort.

Herr Seehofer will neue Stellen schaffen - schön und gut, immerhin hat er realisiert, dass die neuen Polizisten erst ausgebildet werden müssen. Unglücklicherweise hat ihm aber wohl niemand gesagt, dass der Job - insbesondere bei der Bundespolizei - ziemlich unattraktiv ist und der Wettbewerb um junge Leute schon jetzt immer härter wird. Es reicht keineswegs aus, nur Stellen zu schaffen … Andererseits hilft auf die Dauer aber nur Präsenz, denn eine Kamera kann nur dokumentieren und bei guter Software (lassen wir man die rechtliche Komponente außen vor) vielleicht auch Alarm geben, helfen kann sie nicht und was nutzt es, wenn die Kamera an Gleis 6 im Abschnitt G Alarm gibt, wenn die Bundespolizeiwache an Gleis 24 liegt und selbst - da sind ja noch andere Personen unterwegs - im günstigsten Fall zwei bis drei Minuten vergehen, bis Einsatzkräfte vor Ort sind.

Fazit:
Kameras schaffen ein trügerisches Sicherheitsgefühl, haben massive Risiken und Nebenwirkungen und beschränken unsere Freiheit, im konkreten Einsatzfall helfen Sie nicht, nur bei der folgenden Fahndung. Absolute Sicherheit kann und wird es nicht geben, aber mehr Sicherheit = mehr Polizeipräsenz = mehr Kosten - und da helfen die paar Planstellen unter dem Strich auch nicht weiter. Im Großraum London ist an (fast) jeder Station ein Helfer vor Ort, der Reisenden am Fahrkartenautomaten hilft, darauf achtet, dass niemand die Fahrkartenkontrolle umgeht, aber eben auch einen Blick auf das Geschehen am Bahnhof wirft - auch damit kann man nicht alles verhindern, aber rein rechnerisch kann man schon einmal nachvollziehen, wie viele Polizisten es bräuchte, um an allen Bahnstationen eine Grundüberwachung sicherzustellen - (leider) illusorisch.


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