Warum die Bahn in Tschechien nicht wirklich ein Vorbild ist (Allgemeines Forum)

ES89, Hamburg / Rostock, Samstag, 13.07.2019, 13:14 (vor 1742 Tagen) @ J-C

Hmm, Rundumabrechnung?

Fangen wir mal mit der Infrastruktur. Gibt ja Leute, die behaupten, eine Trennung zwischen Infrastruktur und Betrieb würde alles besser machen..

Eine Trennung zwischen Infrastruktur und Betrieb macht es dann besser, wenn es mehr als ein EVU gibt, das ersthaft die Infrastruktur nutzt.
Wenn es nur ein EVU gibt, bracht es kein gesondertes EIU.

Stattdessen doktern sie an ohnehin ausgebauten Hauptstrecken um, also genau jene Strecken, wo es ohnehin schon halbwegs gut läuft...

Rechtzeitige Instandhaltung sollte Standard sein. Und natürlich zieht ein EIU die Strecken vor, die Geld bringen. Wenn es für den Rest nicht reicht, reicht das Geld nicht oder die erfroderliche politische Steuerung ist nicht ausreichend.

Was interessiert mich als Infrastrukturbetreiber, wenn die Bahnen mit Verspätungen wegen meines Fahrplans zu kämpfen haben?

Das sollte mich als EIU interessieren, weil sonst mein Personal in den Stellwerken und Bahnhöfen Probleme bekommt. Wenn nicht, läuft der Laden einfach schlecht.

Doch bin ich mir ziemlich sicher, dass das im Bezug auf die fragwürdige Praxis in Tschechien, auf Baustellenpuffer zur Gänze zu verzichten, definitiv ein guter Weg ist. So kann man für sich selber zumindest eine gewisse Planungssicherheit garantieren.
Und ich bin mir ziemlich sicher, dass so ein integriertes Unternehmen darin förderlich sein kann.

Auch ein integriertes Unternehmen kann schlecht organisiert sein.
* Bei einem integriertes Unternehmen gibt es vermutlich eine Durchgriffsmöglichkeit oder zumindest eine Kommunikationsebene zur Infrastruktursparte.
* Bei einem EIU, das zugleich EVU ist und daneben vielen weiteren EVU (deutsches Modell) könnte ein EVU eine Kommunikationsebene oder Durchgriffsmöglichkeit haben. Alle anderen gucken im Regelfall in die Röhre.
* Bei einem EIU, welches kein EVU ist und vielen nutzenden EVU besteht die Gefahr, dass hier überhaupt keine Kommunikationsebene oder Durchgriffsmöglichkeit zum EIU vorhanden ist. Dann entstehen die Probleme, die wie dir von benannten ausgeprägt sind.
In den letzten beiden Fällen muss eine Kommunikationsebene & Eskallationsmöglichkeit für die EVU gegenüber den EIU geben.


Nächster Themenabschnitt.

Mich nervt es ehrlich gesagt dezent, wenn es heißt, Tschechien wäre das super tolle Bahnland. Mal ehrlich, worin würde jemand lieber reisen? In einer alten, unkomfortablen und schrecklich motorisierten (es rüttelt dich ernsthaft durch) Fahrzeug - die Baureihe 810 etwa, die auf einer offensichtlich maroden Strecke gondelt? Oder doch lieber im komfortablen, klimatisierten Bus, der im besten Fall auch WLAN hat?

Erfahrungsgemäß (Thema Schienenvorteil): Den Bus nutzt alf regionaler Verkehrsebene fast niemand freiwillig. Die Bahn könnte freiwellig genutzt werden, wenn man sie nicht verkommen lässt.
Aber: Welcher Besteller / Unternehmer würde beim Bus modernste Fahrzeuge einsetzen, bei der Bahn aber seine Fahrzeuge verkommen lassen. Entweder haben wir hier zwei Besteller/Unternehmer (Apfel-Birnen-Vergleich) oder es ist poltisch gewollt (Bundesbahnzeit).
Natürlich schwingt beim Bahnland Tschechien immer ein bisschen Verklärung von Nostalgikern mit. Die Verklärung ist aber menschlich meist angenehmer als die Verklärung von Ultra-Fortschrittsjüngern.

Und wer glaubte, mit dem Wettbewerb im Bahnverkehr würden endlich die ganz modernen Fahrzeuge herumkommen, der irrt.

Es wird das geliefert, was ausgeschrieben und bezahlt wird. Wenn es nur einen Bieter gibt, hat der natürlich seine Cashcow für wenig Leistung gefunden.
Moderne Fahrzeuge erhäst du bei:
* einem staatlich gelenktes nicht gewinnorientiertes EVU, das entsprechend gefördert und gefordert wird (blöd, selbst dabei kommt der Beratersprech durch) oder
* bei Ausschreibungen mit ausreichender Anzahl an Bietern und gutem Ausschreibungstext, kombiniert mit dem benötigen Geldmitteln beim Besteller.

Der Wettbewerb hat in Tschechien eher dazu geführt, dass Unternehmen wie die DB die Republik als Abnehmer für ihre Resterampe an Fahrzeugen entdeckt hat. Und nicht nur die. Nicht mehr gebrauchte Fahrzeuge wandern jetzt nach Tschechien. Klar, wenn zuvor 810er einfesetzt wurden, ist das sicher ein Gewinn, aber ist das jetzt der große Wurd?

Für die Barrierefreiheit nicht. Ansonsten scheint mir, dass die Alt-Neufahrzeuge für Tschechien stets ziemlich umfangreich modernisiert werden. So schlecht ist es also auch nicht.

Für den Fahrgast wurde es bisher tarifmäßig immer undurchsichtiger. Jede Firma hat ihren eigenen Tarif, eine durchgehende Reisekette lässt sich über mehrere Firmen im bestellten (!) Regionalverkehr gar nicht mehr abbilden.

Wieder: Sch*** Beschaffungsstelle oder fehlender poltischer Wille. Würde vermutlich nicht viel mehr Kosten, wenn ein Einheitstaraif in die Kostenplanung der Angebote mit einfließen würde.

Davon abgesehen, dass ich teilweise bei dem Ausblick, den man in Tschechien hat, einen Wandfensterplatz (danke, PKP iC!) vorziehe.

Kein Kommentar.

Ich hab übrigens mal davon gelesen, wie Tschechien für ihre Bahnhofslokale gelobt wird. Ich persönlich habe noch nie ein solches aufgesucht, das wird einen schlechten Bahnhof nicht retten. Auch eine pathetische Lounge wird mich nicht vom Gegenteil überzeugen

Optionswahl: Ein vernünftiges Bahnhofslokal oder ein verrammeltes ruinöses Bahnhofsgebäude selbst in Mittelstädten? Oder gar nur ein "Buswarthäuschen", weil die gesamte Bahnhofsinfrastruktur längst abgerissen wurde?
Die Ausgestaltung von Zugangspunkte ist extrem wichtig für die Attraktivität von Bahnhöfen.
Auch da es Tschechien NICHT das Land der Seeligen, im Schnitt sieht es da jedoch etwas besser aus als in Deutschland.

Ich war mal durch Polen gefahren ... Aber immerhin sieht man dort meistens, dass die einfach mehr aus dem machen, was ihnen zur Verfügung steht. Dort würde ich glatt lieber reisen wollen als in Tschechien.

Erst in den letzten Jahres, soweit ich weiß. Insbesondere im Fernverkehr hängt Polen aber Qualitätiv immer noch weit hinter Tschechien. Dass die ČD der PKP regelmäßig Altwagen leiht, spricht Bände.

--
Gegen Großraum-Zwang im Fernverkehr!
Für zumindest drei Abteile je Wagenklasse!


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