Kaum glaubhafte Story einer Mitreisenden zur gestrigen Reise (Allgemeines Forum)

moonglum, Hagen, Dienstag, 23.04.2019, 08:21 (vor 1827 Tagen)

Gestern schüttete eine jung gebliebene ältere Dame im ICE 912 nach Düsseldorf am Tisch ihr Herz aus, und die Geschichte hört sich so an:

Die hat vor einiger Zeit eine Fahrkarte gekauft für eine Fahrt am 22.4.2019 von Freiburg nach Köln mit dem EC8. Samt Reservierung. Sie wollte den Rhein entlang fahren, wie in den alten Zeiten, die Weinberge anschauen, deswegen EC anstatt ICE.

Sie schwört ebenso wie eine weitere Leidensgenossin, dass in Freiburg auf Gleis 1 der EC auch angeschlagen war, reichlich Menschen warteten dort. Dann erlosch die Anzeige. Der EC8 kam nicht. Am Servicepoint wurden sie auf den ICE um 13:49 zur Fahrt bis Mannheim, dort bitte umsteigen, hingewiesen.

Jener ICE wurde von einem inzwischen "drängend vollen Bahnsteig" erwartet, und der ICE war prompt, so sagt sie: Sofort überfüllt. Konnte nicht abfahren. Sie kam zwar irgendwie in den Zug hinein, stand dort ratlos, und als die Ansage mehrfach zum Aussteigen der Reisenden ohne Platzkarte und Sitzplatz aufforderte, ist sie halt wie viele Mitreisenden wieder ausgestiegen.Aber nicht alle haben das gewollt. Polizei musste einschreiten, und das an Ostern. Fürchterlich. Sagt sie! Am Servicepoint verwies man sie nun auf den EC6 um 15:07. Also gut. 2 Stunden unerwarteter Aufenthalt in Freiburg.

Szenenwechsel:
Dem ZUB im auf Freiburg zurollenden EC6 schwant anscheinend Ungutes. Er fordert bereits zwischen Basel und Freiburg mit beschwörender Stimme auf, alle Gänge freizuräumen, Gepäck nach oben in die Ablagen oder zwischen die Sitze (jaaa, das geht bei SBB-Wagen) und vor Allem: Die Eingangsbereiche frei zu räumen. EC6 rollt in Freiburg ein. Der Bahnsteig ist wiederum rappelvoll, wow.

EC6 schafft es dann alle Reisenden aufzunehmen. Mit rund plus 11 geht es ab Freiburg nordwärts. Und die jung gebliebene ältere Dame ist auch an Bord, sitzt in Wagen 263 und freut sich, doch noch den Rhein entlang nach Köln zu rollen.

Genau bis Denzlingen, wo der EC mit einer lebensmüden Person kollidiert und nach einer Vollbremsung zum Stehen kommt, der letzte Wagen noch soeben gerade am Ende des Denzlinger Bahnsteiges. Stille. Dann irgendwann: Eine Durchsage.

Nach 100 Minuten und zwei Resets der 101 086, also recht forsch für solch einen Umstand, konnte es schon weiter gehen. Der Ersatzlokführer, so notierte man, wurde mit einem Mercedes mit Baseler Kennzeichen eilig zum Zug gebracht.

Weiter ging es, ab Offenburg "nur" über die Regionalgleise, ab Karlsruhe war die Verspätung keine Minute geschmolzen, im Gegenteil. Der ZUB kündigte an: Reisende nach Köln steigen bitte im Mannheim auf den ICE 1212, Köln-Deutz an 20:11, um. Diese Meldung erzeugte auch frohes Raunen im Wagen 263.

Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, bremste der EC6, in Hockenheim ging es rüber auf die Schwetzinger Strecke, kurz drauf Halt in einem kleinen Bhf. und Lalüla-Signal vom Lokführer. Die Uhr tickte - gegen den Umstieg auf den 1212.

Ein Mitreisender meinte mit Blick auf die Bahn-App: Der ICE gilt als ausgebucht, was soll das denn?
Sein Gegenüber: Die lassen uns hier jetzt stehen, dann auf eines der hinteren Gleise einfahren, so dass wir den 1212 eh verpassen.
Der ZUB meldete sich nicht mehr zum Thema. Also ging man davon aus, dass die Ansage immer noch gelten würde.

Und was soll ich sagen: Irgendwann ging es weiter, und in Mannheim landeten wir tatsächlich auf einem der hinteren Bahnsteige. Schnell stiegen viele Reisende aus, auch die jung gebliebene ältere Dame. Treppe herunter hasten, durch den Tunnel, hinauf zu Gleis 3. Die Schnellen hatten Glück: Der 1212 stand noch da. Türen zu. Türen nicht zu öffnen. Es kamen mehr Reisende auf den Bahnsteig. Türen zu. Türen nicht zu öffnen. Sie klopften, hauten vor die Türen. Türen zu. Türen nicht zu öffnen.

1212 fährt ab.

Moonglum, der es kommen sehen hatte, ist gemütlich zum Gleis 3 getrottet. Er sah die vielen fassungslosen Gesichter und das Schlusslicht des ICE4 mit der Nummer 1212 und ließ sich berichten.

Blieb also, gute 40 Minuten später, der ICE 912, Mannheim ab 19:22. 40 Minuten Zwangs-Genuss in der warmen Mannheimer Abendsonne. Dann kam schon der 912, ermutigende 4 Minuten zu früh (und nein: Es gab keine Panne an der Strecke, die den EC6 zur Umleitung gezwungen habe).

Der Zug war so gut wie leer, und dort trafen sich einige der hier Erwähnten im Bordrestaurant. In jenem Wagen mit der anscheinend zersplitterten und darum gut verklebten Fenster-Scheibe.

Diese Geschichte ergab sich dann auf der Fahrt nach Köln bei Abendsonne und Wein. Die junggebliebene ältere Dame, Mitbesitzerin eines Weingutes im Markgräfler Land bekundete, dass der Riesling hier im Zug eine bessere Plörre sein, kein Vergleich zum Fendant im Speisewagen des EC6, recht hat sie. Beim Barrique-Rioja sehe es etwas besser aus, konterte Moonglum und verwies trotzdem auf den deutlich gehaltvolleren Barrique-Primitivo, den es im SBB-Speisewagen in beliebig abgefüllter Menge in der Karaffe gibt. Bestätigung von eine Ski-Fahrer-Ehepaar aus Essen, die gerade aus Engelberg kommen. Sie hatten sich im Speisewagen des EC6 mit dem Bordeaux die Zeit vertrieben. Der sei übrigens auch sehr gut.

So erreichte die jung gebliebe ältere Dame Köln - zumindest: Deutz - um etwa 20:45, also nur lächerliche 3 Stunden und 40 Minuten später als ursprünglich gewollt. Die Fahrkarte mit der Buchung und Reservierung für den EC8 im Panoramawagen an diesem Tag, von Freiburg bis Köln, also für einen Zug, der an jenem Tag laut Fahrplan gar nicht fuhr, konnte sie stolz zeigen. Man glaubte es drumherum nicht. Staunte. Na da muss sich halt was geändert haben, wurde gemutmaßt. Vermutlich....

Moonglum blieb bis Düsseldorf sitzen, wechselte in den RE nach Hagen, erreichte Hagen dank seines privaten Umsteige-Engagements nur 1 Stunde später und bekommt deswegen auch nicht soviel Geld zurück, als wenn er gemütlich im EC6 sitzen geblieben wäre und 2 Stunden später angekommen wäre. Immerhin: Die Adresse des Weingutes im Markgräfler Land in der Tasche ist eine feine Sache, die diesen Umstand wert ist...

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Schöne Grüße aus den EC 6/7/8/9,
wo es Wein in Karaffen, keine Mikrowelle und kein in Schüsseln gepamptes Essen gibt.

https://adobe.ly/2PMZyEV


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