Bahn war/ist in D bestenfalls zweit- oder drittrangig. (Allgemeines Forum)

s103, Montag, 22.04.2019, 18:22 (vor 1823 Tagen) @ agw

Bist du dann ein Fan der DB AG oder nicht? Die DB AG ist ja privat und die gewinnorientierte Rosinenpickerei geht schon seit 25 Jahren.
Ganze FV-Linien sind eingestellt worden oder fahren eben nur noch 1-2 pro Tag oder pro Woche und nur während der Hochsaison. Eben weil dort die Marge am größten ist.

Aus dem Grund bin ich kein Fan diesen Aspekts der DB AG, wobei ein Unternehmen zu 100% im Bundesbesitz nicht wirklich privat ist.

Wie früher schon einmal geschrieben, halte ich den Rückzug aus der Verantwortung für den Mittelstreckenbereich, der nach gesetzlicher Definition überwiegend dem Fernverkehr zuzurechnen ist, für falsch. Wie Du schon ausführst, geht das auf den Bund mit seinem Laissez-Faire zurück.

Aktuell befindet sich die Bahn immerhin in Konkurrenz zu anderen Verkehrsträgern, die von den Abgaben her allerdings begünstigt sind (nur geringe Beteiligung der Fahrer an Straßenbetriebskosten, Steuererleichterungen im Flugverkehr). Immerhin leistet sich die Bahn auf vielen (aber zu wenigen - stimmt) Linien recht durchgängige Takte, wo es in Schwachlastzeiten aufgrund der relativ festen Zuggrößen wirtschaftlich auch schon grenzwertig ist.

Die 1-2 Bedienungen pro Tag kann man schwer als echtes Angebot im Sinne eines Fernverkehrsnetzes werten. Sie können mehr dazu dienen, Orten den Status einer FV-Anbindung zu erhalten oder umstiegsreduzierte Verbindungen anzubieten für bevorzugt Ältere, die demzuliebe gelegentlich extreme zeitliche Flexibilität zeigen. Wahrscheinlich sind solche Tagesrandfahrten zur Abstellung auch betrieblich nicht schlecht.

Nebenbei: Auf positiver Seite eines integrierten Bahnunternehmens sehe ich die theoretisch möglichen kurzen Abstimmungsprozesse zwischen Netz und Fahrbetrieb, wobei angesichts der vielfach zu bemängelnden Kundeninformation Station&Service offenbar zuviel der Aufteilung ist, und praktisch ist die Trennung der Unternehmensbereiche doch zu groß. Immerhin könnte man noch eng zusammenarbeiten, wenn man wollte und es so organisieren würde.

Die Abgrenzung zur Konkurrenz gibt es nicht, es gibt ja keine. Daher macht man, was man will, ohne Rücksicht auf Kundenwünsche (Beispiel: 100 Sitze pro Wagen im FV waren geplant, keine Leseleuchten, etc.).

Neben den Verbindungen bilden Komfort und Ausstattung die nächste Ebene. Ich bin hier nicht derjenige mit den höchsten Ansprüchen, jedoch habe ich auch gerne Abteile (oh je) oder mindestens Vis-A-Vis-Sitze mit Tisch. Betrieblich kann ich potentielle Haltezeitüberschreitungen durch Einsparen von Türen (siehe Velaro D) nicht verstehen. Gegen Komfortstörungen wie ausgefallene Reservierungsanzeigen usw. würde Konkurrenz ggf. ein wenig helfen.

Der Staat muss Angebotsvorgaben machen und für Interoperabilität der Tarife sorgen, sonst kann es leicht schiefgehen. Ausschreibungen haben sich bewährt, dieser Aspekt einer Privatisierung ist i. O.


Im Moment tut der Staat nach außen so, als wenn er der DB AG Vorgaben machen würde.
Hintenherum sagt er aber, das Tagesgeschäft (Beispiel Einstellung FV in der Fläche und Nachtzüge) muss/darf die DB ohne Vorgaben selber managen. Die DB (FV) AG vereint also das schlechteste aus beiden Welten (Staatsbahn/Privatbahn).

Ich könnte mir unter den gegebenen Umständen auch ein noch schlechteres Angebot vorstellen, aber dem stimme ich zu.

Der Staat müsste abseits von der DB AG eine Regulierungsbehörde beauftragen, sich um Vertriebsneutralität und neutrale Tarife zu kümmern. Das tut er aber ungern, weil das die kurzfristigen Gewinne der DB AG schmälern würde.

Ich vermute eher, dass es sich hier nicht um ein prestigeträchtiges Politikfeld handelt. Im Vergleich zu den gesamten staatlichen Bahninfrastrukturzuschüssen waren die bisherigen Gewinne doch gering.

In Wahrheit dürfte es sich bei der Gewinnermittlung der DB AG um eine Harmonisierung der Parameter Staatsmittel vs. Schulden der Bahn und ggf. weiterer politischer Einflussgrößen handeln, wobei Staatsmittel eben haushaltsrechtlich legitimiert sein müssen, d. h. die Zwecke müssen vom Parlament genehmigt werden. Ein großes Kuddelmuddel ... die DB gehört dringend neu geordnet. Ein international inkl. Güter tätiges daraus hervorgehendes Unternehmen befürworte ich trotzdem (schon weil andere Staaten ähnlich tätig sind), und das würde sich doch wirklich für eine Teilprivatisierung eignen.


Schöne Grüße
Gero


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum