Teure Berge. Kapitel 1, Teil 1 (Reiseberichte)

Krümelmonster, München, Sonntag, 09.12.2018, 10:10 (vor 1957 Tagen)

Hallo liebes Forum!

Als Urlaubsziel letztes Jahr war Norwegen gesetzt, eine Schifffahrt Kirkenes – Bergen. Dann wollte ich Bergen – Flåm & Oslo – München per Bahn fahren. Dafür war Interrail am günstigsten. Bei der Überlegung, wo ich noch zwei Gültigkeitstage verballern könnte, kam ich schnell auf die Schweiz – die ist schön & schön teuer.^^
Also machte ich mich mit einem groooßen Vorrat an Keksen auf den Weg:
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Da ich ungern direkt fahre, nahm ich den EC81 von München Richtung Bologna. Ab Rosenheim ging es dem Inn entgegen in die Alpen. Kurz vor Kufstein kontrollierte der DB-Zub die Fahrkarten. Ich hatte schon im Dez. das Interrail-Ticket gekauft. Als ich zwei Wochen vor der Fahrt im Münchner RZ eine Reservierung kaufte, sagte ich, diese ist für mein IR-Ticket, und fragte, ob ich dafür einen Aufpreis brauchte. Nein, keinen Aufpreis, nur eine Reservierung für 4,50 € – umso besser. Der freundliche Zub wies mich nun darauf hin, dass ich für den ital. Abschnitt sehr wohl einen Aufpreis brauchte. Ich entgegnete, dafür möchte ich bitte eine Quittung haben, ich würde es dann einreichen, und erklärte, was mir im RZ gesagt worden war. Daraufhin zückte er sein privates Handy, fotografierte Ticket & Reservierung und meinte, er werde das intern regeln. Zahlen musste ich nichts. :D
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1 Stier sprintet zu Spaghettis
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2 Fahrendes Fossil
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3 Schon vor Rosenheim sind die Berge in Sicht
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4 Warum braucht es die angeblich beste Bahn der Welt, um eine WC-Störung festzustellen?
Auch hinter Kufstein blieb der deutsche Zub im Zug. Hinter Jenbach durchquerte der Zug einen fast 16 km langen Tunnel der Neuen Unterinntalbahn, so war Innsbruck schnell erreicht. Auf dem Weg zum Brenner blieben wir mehrere min stehen, vor uns krabbelte wohl ein Güterzug zu langsam den Berg hoch. Den Brenner erreichten wir mit + 6. Das deutsche Personal verließ den Zug, es kamen Italiener von Trenord. Grenzschutz war zahlreich zugegen, zumindest ich wurde nicht behelligt. Auch ohne Lokwechsel wurde kaum Verspätung abgebaut, Weiterfahrt mit + 3. Die neue Zubine machte Ansagen auf IT, EN und DE, nachdem sie mein deutsches Ticket gesehen hatte, sprach sie gleich EN mit mir. Offenbar konnte sie auf DE nur die Ortsnamen, wobei das immer noch besser klang als das DB-Niederländisch in den Belgien-ICEs. Die fehlende Reservierung interessierte sie nicht.^^ Ich ging dann futtern, damit ich den Vorteil des mitgebrachten Essens in der Schweiz länger ausspielen konnte. ;-) Spaghetti Carbonara gab es für faire 10 € von einem arabischen Mitarbeiter, dessen Lohn wahrscheinlich nicht so fair war… Die Fahrt führte durch die liebliche Bergwelt Südtirols, erst vor Bozen wurden mehrere längere Tunnel durchfahren. Offenbar gab es wenige Zusteiger, mein Abteil blieb stets leer. Und das, obwohl DB inneritalienische Sparpreise verkauft.
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5 Inntal
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6 Innsbruck
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7 Tunnelbauarbeiten
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8 Brennerbahn
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9 Die Lok zieht einen ziemlichen Rattenschwanz hinter sich her. Verzeihung, Stierschwanz natürlich
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10 Brennersee kurz vor der Passhöhe
Was die DB-Reiseauskunft nicht kannte, war der 8-min-Anschluss in Bozen. Im Reiseplan hingegen stand er. Die Zubine erklärte mir: „Binario Uno A“, ob sie ihn vormelden könne, gelang mir leider nicht auf Italienisch zu fragen.^^ Nach Ankunft in Bozen mit + 3 spurtete ich durch die Unterführung zu Gleis Uno, und bis ich feststellte, dass Uno A das Stumpfgleis am Ende war, wurde es eng.^^ Zeit fürs Foto musste sein, dann hüpfte ich in den Flirt nach Meran. Die Fahrkarten-Kontrolleure konnten kein Deutsch. Naja, wenn ich 2017 sonst nicht in Italien war.^^ Die automatischen Ansagen waren in höchstem Hannoveraner Hochdeutsch, und der ital. Dialekt war weiter südlich, als ich bis dahin gekommen war, sprich südlich der Linie Mailand – Venedig^^ – das war nicht nur bei der Kombi „Nächster Halt: Sigmundskron – Prossima Fermata: Ponte Adige“ ein ziemlicher Kontrast. Die Strecke nach Meran ist wirklich schön.
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11 Flirt in italiano
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12 Bozen von weitem
In Meran wechselte ich bei drückender Hitze bahnsteiggleich binnen 1 min in den Dieselzug nach Mals. Auch diesen Anschluss hatte die DB-Reiseauskunft verschwiegen. Gleich kraxelte der Zug in Serpentinen hoch hinauf mit Sicht auf Meran. Danach im Vinschgau war es landschaftlich nicht so spannend. Landschaftlich war ich von Bozen – Meran positiv überrascht, von Meran – Mals leicht negativ. Die erst Ende der 2000er Jahre reaktivierte Strecke steht mittlerweile kurz vor der Elektrifizierung.
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13 Rechts der Bildmitte ist Meran
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14 Kurz vor Mals
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15 1,5 GTWs
Nach Ankunft in Mals wollte ich über den Ofenpass ins Engadin, aber hatte am Vorabend gesehen, dass mir da der Giro d’Italia in die Quere kommen würde: Die Straße ins Münstertal war 14 – 17 Uhr gesperrt. Lt. Fahrplan würde ich, selbst nachdem ich 1 h schneller als geplant durch Südtirol gekommen war, den ersten Bus bekommen, der nicht fährt. Die SBB schrieb nur „die Busse fallen ersatzlos aus“. Die Südtiroler empfahlen wenigstens die Umfahrung via Nauders, besser als 3 h warten. Doch dann stand in Mals ein gelbes Postauto mit einem hektischen Fahrer. Ich fragte: „Wohin?“. Er: „Nach Zernez, jetzt!“. Ich: „Aber die Straße ist doch gesperrt?“. Er: „Wir fahren jetzt! 20 min vor Plan. Dann müssten wir gerade noch durchkommen!“. Er verstaute mein Gepäck, ich dachte schon, besser könne es nicht kommen, stieg ein und zückte das Portmonnaie, er meinte: „Ticket passt schon“, und brauste los. Ohne Halt fuhr er an Glurns vorbei (schon gesperrt) bis zur Grenze, nach kurzem Halt dort ins fast ausschließlich rätoromanischsprachige Münstertal (Val Müstair, das s wie sch gesprochen). Er kommunizierte über Funk auf Rätoromanisch. In Santa Maria Val Müstair Scuola machte er 20 min Pause, ab dort fuhr er gemäß Fahrplan weiter über den Ofenpass, oben auf 2.150 m Höhe lagen noch Schnee-Fetzen. Es war der höchste Punkt meiner Reise. Dann ging es runter nach Zernez, zur staziun.
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16 Ob das gut geht?
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17 Müstair kurz hinter der Grenze
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18 Santa Maria in Müstair. Hier ist Deutsch als Muttersprache kaum verbreitet.
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18 Bei der Fahrt durch Santa Maria
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19 Kurz vor dem Ofenpass ein Blick zurück
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20 Unverständliches Kauderwelsch, aber Swiizertüütsch ist auch nicht besser ;-)
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21 Beweisbild zum Zweck der Dokumentation ;-)
Ich finde es komisch, dass die Ansagen im dortigen Bhf zuerst auf DE ertönen, dann auf EN und erst zuletzt in der Sprache, die die Mehrheit des Ortes als Muttersprache spricht: dieses faszinierende Rätoromanisch.^^ 11 min lang zog der Zug meine Kekse und mich flugs durchs Engadin bis zu einem ziemlich exotischen Bhf: Sagliains (g nicht gesprochen, auch in den deutschen Ansagen). Der dortige Bahnsteig dient nur dem Umstieg aus St. Moritz/Zernez Richtung Klosters/Davos/Chur und hat nicht einmal einen öffentlichen Zugang. Sonst gibt’s hier nur Autoverlad. 3 min sind für den Umstieg auch mehr als ausreichend, als alle im Zug saßen, ging es mit – 1 los, mehr Leute konnten ja nicht zusteigen.^^
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22 Zügli
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23 Bergwelt
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24 – 25 Sagliains: Wer hier seinen Anschluss verpasst, hat eine harte Zeit. Ach, was red’ ich, in der Schweiz ist das doch per definitionem ausgeschlossen ;-)
Die Fahrt durch den 19 km langen Vereina-Tunnel dauert mit 19 min in etwa genauso lange wie die Fahrt durch den wesentlich längeren Eurotunnel. Oder für Liebhaber der Superlative: Es ist der längste Meterspur-Tunnel der Welt. Teilweise zweispurig, aber eben nur da, wo für den ITF notwendig. Ich nutzte ihn für einen WC-Gang, das war die einzige Stelle, wo ich keine Landschaft verpasste.^^ In Klosters stieg ich um Richtung Davos. Die kurvige, zunächst bergauf führende Strecke bot einen schönen Ausblick, am Ende ging es leicht bergab zur Endstation Davos-Platz.
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26 Um den Bhf Klosters-Platz zu erreichen, nimmt dieser Gamsbock scheinbar die Treppe
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27 – 28 Klosters von oben
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29 Bei Davos
Während des knappen Umstiegs in Klosters hatte ich noch keine Eintragung im Travel Diary vornehmen können, das erledigte der Zub für mich. In Davos hatte ich 6 min, um nicht-bahnsteiggleich in den Gegenzug wieder nach Klosters umzusteigen. Erst sah ich einen extra RhB-Wagen mit zu öffnenden Fenstern ganz am Ende, aber hmpf, verschlossen. Dann latschte ich den ganzen langen Alvra-Triebzug vor, denn sonst schien man nur ganz vorn die Fenster öffnen zu können. Diesmal nahm ich gleich die Eintragungen im Travel Diary vor, und als wieder derselbe Zub vorbeikam, meinte ich spaßhaft: „Schauen Sie mal, diesmal hab ich’s schon eingetragen.“ Er nahm ganz trocken mein Ticket und tat einfach nichts anderes als es zu stempeln. Woanders hätte ich bestimmt einen netten Kommentar bekommen: „Ah, Sie schon wieder.“, oder: „Ist Ihnen langweilig?“ (ok, „Haben Sie kein Zuhause?“ wäre schon grenzwertig^^). Aber das war wirklich der beste Beweis! Sorry, Schweizer, aber viele von euch sind einfach unlustig. ;-)

Es geht gleich weiter…

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Was Du suchst, ist in Dir. Ansonsten ist es im Kühlschrank. Oder in der Kekspackung. :)


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