Grüne: Fünfpunktepapier für starke Bahn (Allgemeines Forum)

HBSA, Hamburg, Dienstag, 11.09.2018, 21:53 (vor 2045 Tagen) @ Henrik

Ich versuche in folgendem Text die fünf Punkte der Grünen zu beantworten. Bevor ich beginne, folgender Disclaimer: Ja, ich bin Mitglied bei den Jungen Liberalen, der Jugendorganisation der FDP, allerdings ist meine Meinung zu einem guten Bahnsystem in diesem Lande völlig anders. Das ist mein gutes Recht.

Punkt 1 - Die Bahnreform starten! Trennung von Netz und Betrieb, Schenker und Arriva verkaufen.
Die Trennung von Netz und Betrieb ist einer der Gründe, warum der Konzern sehr ineffizient arbeitet. Es gibt Doppelstrukturen, soweit das Auge reicht. Alleine die Ausgliederung von DB Fernverkehr AG und DB Regio AG in die damalige DB Mobility Logistics AG war ein Milliardenfehler. Nach dem fehlgeschlagenen Börsengang war diese Doppelstruktur eigentlich nur eins: ein dickes Plus für die externen Buchprüfer der DB, die so mehr Stunden abrechnen konnten. Durch eine leichte Integration von Netz und Betrieb (Resourcenpooling) gäbe es nützliche Synergieeffekte.

Die DB Schenker AG ist wichtig für den kommerziellen Erfolg der DB Cargo. Denn schließlich erwarten Kunden im Logistikbereich heutzutage von den Unternehmen ein Leistungsangebot aus einer Hand. Die DB Schenker AG (die es als solches bald nicht mehr gibt) leistet einen wichtigen Beitrag Transitkunden anzuziehen. Viel wichtiger wäre es, DB Cargo anzureizen, das Bahnnetz mehr zu nutzen. Jedoch werden Rahmenbedingungen von der Politik seit Jahren nicht geschafft. Was für einen Fehlstand gibt es, wenn es für ein Bahnunternehmen billiger ist, Güter über die Straße statt per Schiene zu transportieren?

Arriva kann prinzipiell weg, denn außer einem ambitionierten Projekt der Vorgänger von Lutz ist Arriva nicht viel. Der einzige Grund, Arriva im Firmenverbund zu behalten ist die Dividende die abgeworfen wird. Ein ähnliches Prinzip verfolgen übrigens auch SNCF mit Keolis, NS mit Abellio und die SBB mit der SBB GmbH.

Übrigens meine ich zu glauben, dass Bund und Länder mittlerweile für den Bahnbetrieb (im Nahverkehr) so viel ausgeben, wie sie vor der Bahnreform auch ausgegeben haben. Somit ist bei der Liberalisierung des Nahverkehrsmarktes nicht wirklich von einem Erfolg zu reden. Ich könnte mir vorstellen, dass der Betrieb billiger wäre, wenn man Rollmaterial vereinheitlicht und die ganze Bestellung direkt bei der DB macht. So wäre Rollmaterial nicht länger knapp und die Ausbildungskosten für Personal würden drastisch reduziert werden.

Wer übrigens mal das Ergebnis einer nicht sehr erfolgreichen Bahnprivatisierung sehen möchte, sollte mal über die Insel (GB) nachlesen. Da ist dann so ziemlich alles falsch gelaufen, was falsch laufen kann.

Punkt 2 - Das Bahnnetz ausweiten! Mittel für Aus- und Neubau erhöhen, Elektrifzierung von 60 auf 75 Prozent.
Grundsätzlich ist dieser Vorschlag nicht falsch. Es wäre gut, mehr Kapital für die Bahn freizugeben, anstatt in unser Autobahnnetz zu investieren. Allerdings wäre es noch besser gewesen, das Netz nie auszudünnen, oder zumindest nicht in dem extremen Mass, welches in den letzten Jahren angewendet wurde. Das System Eisenbahn funktioniert an sich am besten, wenn es auch in der Fläche verfügbar ist. Dies ist zwar an sich kostenintensiv, allerdings kann es mit Anreizen lukrativ sein, da so auch die Züge des Fernverkehrs besser gefüllt werden. Die Bahn darf kein Privileg, sondern muss ein Recht sein.

Punkt 3 - Fahrgäste in den Mittelpunkt! Wettbewerb auf der Schiene, Trassenpreise senken.
Ob der Wettbewerb im Nahverkehr wirklich so toll ist, mag ich immer noch bezweifeln. Vor allem da ja die Ausgaben teilweise drastisch steigen, sollte man darüber kritisch nachdenken. Im Fernverkehr sollten wenn die Spartenangebote gefördert werden, allerdings ist Sinn und Zweck von DB Fernverkehr, trotz des eigenwirtschaftlichen Betriebes Fernverkehr für die Fläche zu bieten. Dieses System darf nicht zerstört werden, sonst ist das nachher wie DHL mit privaten Zustellern. Ein Flickenteppich, der Kunden in Rage treibt. Das Hauptangebot von DB Fernverkehr bietet uns eine gute Versorgung mit Reisen. Kein britisches System, bei dem nachher der Kunde und die Geldbörse des Bundes das Nachsehen haben.

Die Trassenpreise sollten nicht gesenkt werden, da sonst Gefahr droht, dass der Bund noch mehr draufzahlen muss. Die einzige Ausnahme wäre eine Umlage von der KFZ-Steuer oder die Besteuerung von innerdeutschen Flügen, bei denen der Ertrag der Steuer genutzt wird, um den Betrieb des Netzes zu finanzieren. So würde man mehr Flugzeuge aus der Luft kriegen und Reisende in die Bahnen. Die VDE 8, SFS Hannover - Würzburg und SFS Hannover - Berlin sind Schritte in die richtige Richtung, ohne Frage.

Punkt 4 - Die Bahn digitalisieren und modernisieren! Leit- und Sicherungstechnik modernisieren, Kapazität steigern, Automatisierung von Betriebsabläufen im SGV.
Die Leit- und Sicherungstechnik sollte modernisiert werden, wenn der Umbau (und der Betrieb) billiger sind als die bisherige Technik. ETCS ist, vor allem auf Dieselstrecken und Nebenbahnen, ferne Zukunftsmusik. Wenn, dann sollte es ein Programm geben, Hauptverkehrsachsen zunächst mit ETCS auszurüsten. Jedoch ist dies ein Minenfeld, da man eventuell so Wettbewerbern den Zugriff aufs Netz verhindert, da diese ihre Züge mit neuer LST ausstatten müssen.

Die Kapazitätsmaßnahmen der neuen LST sollten auf Bottlenecks wie Hamburg-Hannover vorrangig konzentriert werden. So verhindert man den unvermeidlichen Kollaps.

Eine Forschungs- und Entwicklungsinitiative sollte es nicht nur bei der Cargobahn geben, sondern im gesamten Konzern. Die Deutsche Bahn AG ist ein einzigartiges Staatsunternehmen, welches eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung neuer Technologien im Transportsektor einnehmen könnte. Ein wichtiger erster Schritt war Frau Jeschke, die versteht, wie groß die neuen Technologien wirklich sind. Allerdings sollte die Politik weniger reden und mehr machen.

Punkt 5 - Fairen Wettbewerb ermöglichen! LKW-Maut erhöhen. Kerosinsteuer auf inländische Flüge.
Frei nach Christian Lindner (FDP): "Find ich gut!"

Ich freue mich bereits jetzt auf die Antworten.

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Fahrdienstleiter & Genießer guter Bahnerlebnisse


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