Stillegungstourismus (VI.1/IV) (40 Bilder) - ETA (Reiseberichte)

Sören Heise, Region Hannover, Freitag, 13.04.2018, 16:13 (vor 2199 Tagen)
bearbeitet von Sören Heise, Freitag, 13.04.2018, 16:13

Moin,

es gibt viele Möglichkeiten, die Abkürzung ETA aufzulösen. Ril100-Jünger gehen leer aus, denn es gibt nur RETA und XETA. Diesmal schauen aber auch Kenner der spanischen Geschichte oder des Zugbetriebes mit Strom aus der Steckdose in die Röhre. Denn die Abkürzung ist selbst kreiert und steht für Elektrisches Trio aus der Altmark. Als Altmark kann man ganz grob das linkselbische Sachsen-Anhalt nördlich der Schnellfahrstrecke von Lehrte nach Spandau bezeichnen, mit Stendal (40.000 Einwohner) und Salzwedel (25.000) als den größten Orten.


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Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik und später dem Beitritt der Reichs- zur Bundesbahn mit gleichzeitigem Namens- und Rechtsformswechsel erlangte Norddeutschland etwas zurück, was im Rahmen des eilzugmäßigen Fahrens im Westen schon vor einigen Jahren abgeschafft worden war: Bahnhöfe und Haltepunkte kleiner und kleinster Orte oder weitab der Bahn gelegener Orte mit Zughalten an elektrischen Hauptstrecken. Einige von ihnen haben bis heute überlebt, andere sind dem westdeutschen Muster folgend Geschichte. Zwei von diesen liegen zwischen Stendal und Wittenberge, nämlich Behrend (das sucht ihr auf https://www.openstreetmap.org bitte selbst) und Düsedau. Wer mitgezählt hat, merkt: Das ist kein Trio, sondern ein Duo. Das stimmt, denn der Dritte im Bunde passt nicht in dieses Schema. Geschichte ist auch er und er liegt auch an einer zweigleisigen, elektrifizierten Hauptstrecke abseits vom Ort. Aber sowohl 1990 als auch 1994 hing in Meßdorf kein Fahrdraht. Nein, in Meßdorf war vielmehr die Zweigleisigkeit der Grund für die Auflassung.


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Beginnen wir dort. Gelegen an der Bahnstrecke von Berlin nach Amerika (damals ab dem heutigen Bremerhaven Ersatzverkehr mit Schiffen) erhielt Meßdorf am 15. März 1870 Eisenbahnanschluss. Die deutsche Teilung trennte auch die Strecke, westlich Salzwedels fuhr schon bald nichts mehr. Der Rest wurde quasi zur Nebenbahn, aber mit Schnellzugverkehr. Nach der Wende sollte es noch ein Jahrzehnt dauern, ehe die Strecke wieder durchgehend in Betrieb ging. Zunächst wurde der Abschnitt Stendal - Salzwedel komplett modernisiert, hier besteht seit dem 18. Dezember 1997 elektrischer Betrieb. Am 19. Dezember 1999 konnte der Lückenschluss zwischen Salzwedel und Wieren begangen werden. Der Reiseverkehr ist relativ schwach, die Hauptlast trägt die zweistündliche RE-Linie Magdeburg - Uelzen, gefahren mit der Baureihe 112/114 und den komfortablen Doppelstockwagen der Elbe-Saale-Bahn. Zwischen Stendal und Salzwedel verkehren dabenen Regionalbahnen, hier kommen Triebwagen der Baureihe 425 zum Einsatz. Ferner gibt es in Gestalt der IRE-Züge Hamburg - Berlin auch einzelne fernverkehrsartige Verbindungen.
In erster Linie für den Güterverkehr wird auf der Strecke derzeit das nur teilweise vorhandene zweite Gleis auf kompletter Länge wiederaufgebaut. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2017 ging es zwischen Hohenwulsch und Brunau-Packebusch in Betrieb. Dort liegt Meßdorf. Und dort nahmen etwa 50 Menschen an einen Trauermarsch zum Bahnsteig teil. Der hätte im Rahmen des zweigleisigen Ausbaus durch einen zweiten ergänzt werden müssen. Die Kosten von etwa 500.000 Euro empfanden die Verantwortlichen allerdings zu hoch, was ich bei etwa zwölf Fahrgästen je Tag auch vollkommen verstehen kann.


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Am 7. Juli 1849 nahm die Magdeburg-Wittenbergesche Eisenbahn-Gesellschaft den Betrieb auf der Teilstrecke Magdeburg - Seehausen auf, am 5. August gefolgt von der Fortsetzung an die Elbe, die dort erst seit dem 25. Oktober 1851 per Zug überquert werden kann. Diese Strecke wurde 1982 bis Stendal und 1987 bis Wittenberge elektrifiziert. Der größte Ort zwischen Stendal und Wittenberge ist Osterburg. Südlich von ihm liegt das mittlerweile eingemeindete Düsedau. Nördlich von Osterburg liegt Behrend, das ein Stadtteil von Seehausen ist. Düsedau hatte einstmals einen Bahnhof, Behrend nur einen Haltepunkt. Beide sind schon länger Geschichte, ein Zeitungsartikel von 2014 benennt „vor etwa 15 Jahren” als Schließungsdatum. Im Sommerfahrplan 1999 sind die Stationen noch enthalten, aber ohne Halte.


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Am Morgen des 7. April 2018 besuchte ich alle drei Stationen. Von den fünf noch immer vorhandenen Bahnsteigen waren vier frei zugänglich - keinerlei Verbotsschilder oder Zäune zu sehen. Mangelware waren jedoch Züge: Den (ohnehin aus dem Licht kommenden) IRE von Berlin nach Hamburg verpasste ich ganz knapp, vom Bummelzug nach Salzwedel langte es immerhin zu einem Belegbild. Aber ihr wisst ja, dass bei mir Züge nur Beiwerk sind.


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1 Meßdorf.


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2 Richtung Salzwedel. Ein Bahnsteig.


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3 Richtung Stendal. Kein Bahnsteig.


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4 Gehen wir auf den Bahnsteig.
Die Bushaltestelle bietet Fahrten nach Bismark, Kalbe und Hohenwulsch. Diese oftmals als Rufbus, Bestellzeiten mo-fr 7 - 18 Uhr und sa 8 - 12 Uhr (aber mindestens eine Stunde vor Abfahrt).


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5 In der Wartehalle. Keinerlei Fahrgastinformation, nichtmal ein leerer Kasten.


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6 Der Anzeiger teilte sein Außerbetriebsein mit.


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7 Am Bahnsteigende.


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8 Und gegenlichtig gen Stendal.


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9 Öde und verlassen.


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10 Das Wartehäuschen.


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11 Baustellenschild. Meßdorf ist nicht drauf.


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12 Ansicht von der Straßenseite.


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13 Der Vierteiler mit 425 010 und 425 506 passiert ohne Halt.


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14 Es gibt einen wunderschönen neuen Fußgängerbahnübergang. Schade nur, dass es weder nach Meßdorf noch nach Büste einen Fußweg gibt.


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15 Meßdorfs Kirche stammt aus dem 12. Jahrhundert.


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Schnipp.


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