Fundstück: Endbericht zum Thema SPV-Wettbewerb aus AT (1) (Allgemeines Forum)

J-C, Da, wo ich grad gedanklich nicht bin., Donnerstag, 20.07.2017, 22:53 (vor 2466 Tagen)

Nicht nur für Österreich interessant könnte Dieses Dokument sein, welches sehr umfassend über die Situation des Wettbewerbs in Europa vom Stand 2013 beleuchtet und dann aufzeigt, was man daraus für Österreich lernen kann.

Die Studie wurde vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, kurz bmvit beauftragt.

Es wurden zum Vergleich die Situationen in Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Schweden und auch die Schweiz herangezogen. Man hat exemplarisch auch den Ablauf einer dortigen Ausschreibung dargestellt und geschaut, was man dort daraus lernen könnte.

Zu allererst natürlich Deutschland. Ist ja den meisten hier am Nächsten.


Die Situation in Deutschland ist ja allgemein bekannt. Dort hat man beispielsweise konstatiert, dass die Länder dort viel Freiheit bei der Gestaltung des SPNV haben, derweil hat man dort auch erkannt, dass der Wettbewerb im Fernverkehr sein Ziel nicht erreicht hatm, wenn es darum geht, deutliche Marktanteile zugunsten der Schiene zu gewinnen. Ok, das ist auch nur schwer zu übersehen ;-)

Auch wird gezeigt, wie durch die zwangsläufige Übernahme einiger Fernverkehrsrelationen durch die Länder dazu führte, dass die Grenzen zwischen Regional- und Fernverkehr zunehmend verwischen und man deswegen darüber diskutiert, ob es nicht besser wäre, die Koordination solcher Fernverkehre, die bisher halt in Landeshand sind, eher was für den Bund wären. Das Stichwort Deutschlandtakt fällt dabei auch.

Und da finde ich, hat man doch Recht, der Bund sollte aufhören, sich aus dem Fernverkehr so weit rauszuziehen und mal tatsächlich selber Fernverkehr bestellen, das wird ein Hit sag ich euch!

Achja...

In Bezug zu Fernverkehrstrassen, in dem verschiedene Unternehmen auf gleichen Strecken Zugang beantragen können, ist der zum DB Konzern gehörende Infrastrukturbetreiber im Rahmen dieses Verfahrens den Verwürfen eines Diskriminierungspotenzials ausgesetzt.

Das kommt ja immer wieder hier auch in den Diskussionen vor.

Für verbundüberschreitende oder verbundfreie Verkehre ist in der Regel seitens der Besteller die Anwendung des C-Preises der DB AG/TBNE gegeben. Damit besteht quasi ein Tarifmonopol der DB AG.

Auch das wird eben festgestellt, wobei ich sagen muss, dass der C-Tarif der DB ganz ok ist... wenn er der Einheitstarif wäre und man nicht noch einen B-Tarif und A-Tarif hätte ;-)

Ja und auch muss man darüber hinwegsehen, dass zum Zeitpunkt der Studie noch InterConnex existierte - schade, dass es das nicht mehr gibt :(

Auch bezüglich der Komplexitität für den Fahrgast wurde festgehalten:

Aus dem Blickwinkel der Fahrgäste haben sich eher Vereinfachungen ergeben, die jedoch nicht mit dem zunehmenden Wettbewerb im SPNV begründet werden können. Vielmehr konnte durch Gründung und Ausweitung von Verkehrsverbünden und der damit verbundenen tariflichen Integration des Nahverkehrs Vorteile der Freizügigkeit und der an den lokalen Anforderungen ausgerichteten Tarifstruktur erkannt werden. Die zwischen den Eisenbahnverkehrsunternehmen einheitliche Tarifanwendung hat die Komplexität nicht erhöht.

Nun, was sagt die Studie über die Anwendbarkeit auf Österreich aus?

Nun, es wurde konstatiert, dass die unterschiedlichen Rahmenbedingungen eine Übertragbarkeit verunmöglichen, wenngleich dann festgehalten wurde:

Ein in Deutschland verwendetes Nischenkonzept sind so genannte RegioNetze (Beispiel: Westfrankenbahn). Dieser Ansatz würde, sofern eine geeignete Definition des Begriffs Region unterlegt werden könnte, sich teilweise auch auf den österreichischen Markt übertragen lassen. Das Konzept der RegioNetze basiert in diesem Zusammenhang auf schlanken Verwaltungsstrukturen und auf einer weitgehend integrierten Leistungserstellung im Regionalverkehr. Hier kann durch eine regionale Struktur der Markt näher an der Basis mit hochgradiger Eigenverantwortung bearbeitet und effizienter gestaltet werden.

Am Ende steht fest:

Soll in Österreich eine Erhaltung des Incumbent [auf deutsch Marktführer] angestrebt werden, so können die Erfahrungen aus Deutschland als Best Practice verstanden werden. Obgleich die Unternehmensgröße der DB sich signifikant von jener der ÖBB unterscheidet, so ist der grundsätzliche Ansatz jedenfalls als Referenzpunkt geeignet.

Also das deutsche Modell würde übersetzt die Staatsbahn sehr gut erhalten - hehe.


Dänemark
Bezüglich Dänemark hat man beurteilt, dass der Ausschreibungswettbewerb dort eher gescheitert ist, weil dieser zu ambitioniert gewesen wäre. Trotzdem gäbe es da schon gute Ansätze. Der interessanteste ist, wie ich finde, dass die DSB verpflichtet ist, dem Gewinner einer Ausschreibung gegen Gebühr Fahrzeuge bereitzustellen.

Frankreich

Im Falle Frankreichs muss man unterscheiden zwischen der Bahnliberalisierung im Inland, die durch große Zurückhaltung gekennzeichnet ist, und der starken Präsenz von SNCF und RATP auf ausländischen Schienenverkehrsmärkten. Frankreich hat zwar von Anfang an im EU-Ministerrat die zentralen Beschlüsse in Sachen Bahnliberalisierung (Richtlinie 91/440/EWG34 und Erstes Eisenbahnpaket von 2001) mitgetragen, jedoch bei der Umsetzung dieser Beschlüsse mit großer Beharrlichkeit an der Monopolstellung der SNCF festgehalten.

Jawohl...

In Frankreich wurden übrigens Netz und Betrieb getrennt, naja und trotzdem ist die SNCF der Monopolist im Fernverkehr quasi...

Auf regionaler Ebene ist es erstaunlich ähnlich wie in Deutschland von der Organisation her:

Bereits das Pasqua-Gesetz von 1995 hatte den Regionen die Möglichkeit eingeräumt, den Regionalverkehr nach ihren Vorstellungen auszugestalten und die Tarifstruktur zu bestimmen. Somit sind die Regionen seither verantwortlich für Fahrpläne und Frequenzen, allerdings mit der Verpflichtung, die Kompatibilität mit nationalen SNCF-Tarifen sicherzustellen. Mit der Fahrplankoordination kann fallweise auch ein Zweckverband (Syndicat) beauftragt werden

Ach und bezüglich der Wettbewerbsneutralität gibt es auch so Zweifel:

Zuständig für die Markregulierung ist das Verkehrsministerium (weiterhin ein Teil des Umweltministeriums). Die Netzgesellschaft RFF ist „keine Regulierungsbehörde, sondern der Infrastrukturmanager.“ Seit 1997 können Schienenverkehrsanbieter bei der RFF um Erteilung eines Leistungsauftrages ansuchen. Da die RFF jedoch personell nicht ausreichend ausgestattet wurde, ist sie auf SNCF- Beschäftigte angewiesen, was in der Folge immer wieder zu Zweifeln an der Wettbewerbsneutralität dieser Lösung führte (Sicherheitsertifikate werden durch den techn. Dienst der SNCF ausgestellt.)

Läuft dort...

Die SNCF hat an sich viele Schulden... und der TGV - jetzt kommt's! - läuft nur zu 70% eigenwirtschaftlich!

Auch der TGV ist derzeit nur noch zu 70 Prozent eigenwirtschaftlich. Der SNCF-Chef Pépy erklärte kürzlich: „Von zehn Fahrgästen, die die SNCF täglich transportiert, sind neun nicht in TGVs.“

Ganz ehrlich, DAS hat mich schon etwas überrascht.

Ich fürchte aber, dass das bei euch ein alter Hut ist, ihr seid ja immer so gut informiert...

Für den Kunden wurde es von der Komplexität her eher etwas schlechter:

Auf der Ebene der Fahrgäste kann eine Komplexitätszunahme nicht zur Gänze ausgeschlossen werden, obwohl die Ausschreibung primär mit dem Ziel einer höheren Kundenzufriedenheit erfolgt, d.h. die Position des Konsumenten stärken soll (Vgl. Zitat Haemel im französischen Senat, 2009: „Der Nutzer erduldet, der Kunde wählt.“) Geänderte Leistungsangebote verlangen dem Fahrgast zumindest eine gewisse Umgewöhnungszeit ab.

Da ist es offenbar in Deutschland besser gelaufen. Daumen hoch dafür!

Summa summarum, in Frankreich ist es wohl noch etwas in Entwicklung, der Wettbewerb ist dort an sich von den Rahmenbedingungen da, praktisch kann man ihn aber vergessen, wobei die Länder dort durchaus Ausschreibungen durchführen.

Großbtritannien

Das erste Land, welches die Liberalisierung im Bahnverkehr antrat und durch die eher nicht so gute Lösung zumindest anfänglich auffiel - es wird gerne mal als Gegenbeispiel im Bezug auf Privatisierungen beziehungsweise Ausschreibungen herangezogen - kommt natürlich auch dran.

An sich sind die Fakten ja bekannt - mittlererweile ist die Bahn im Mutterland der Eisenbahn zwar akzeptabel, sicher und so an sich fand ich dort ein gutes Angebot vor, aber es wurde teurer und die Verbesserung des Kosten/Leistungsverhältnisses wurde nicht erreicht:

Hohe Kosten und geringe Systemintegration führen insgesamt zu einem Angebot, das für Kunden nur bedingt Nutzen stiften kann. Insgesamt wurden die Ziele der Privatisierung und Liberalisierung (Verbesserung des Preis bzw. Kosten/Leistungsverhältnisses) nicht erreicht. Während bei den Passagierzahlen ein Wachstum einbekannt werden muss, so stehen dieser Entwicklung stark steigende Kosten und die damit verbundenen Subventions- und Fahrpreiserhöhungen gegenüber. Das Beispiel Großbritannien zeigt, dass Systemfragmentierung im Schienenverkehr bei einer Nachfrage nach integrierten Verkehrsleistungen zu einem erhöhten Regulierungsbedarf (auf rechtlicher, technischer und organisatorischer Ebene) führt. Das Franchise-System hat insgesamt zu keiner Steigerung der Wohlfahrt geführt.

Aber:

Jedenfalls kann man aus den gemachten Vorerfahrungen aber lernen. Insbesondere sind Durchführung und Organisation der Franchise-Vergaben aufgrund der Standardisierung und Transparenz ein Referenzbeispiel für gut organisierte Ausschreibungen

Fakt ist auch, dass die Züge zumindest recht modern sind:

Knapp 1.6% des im Personenverkehr eingesetzten Wagenmaterials ist älter als 39 Jahre, während knapp 35% der Wagen nicht älter als 10 Jahre sind

Fortsetzung folgt

--
Reisehäppchen für zwischendurch gefällig?
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(Bildquelle: ČD)


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