ÖBB: Salzburg-Wels-Plattling kostenlos mit BC100? (Fahrkarten und Angebote)

ThomasK, Sonntag, 15.01.2017, 22:10 (vor 2629 Tagen) @ Giovanni
bearbeitet von ThomasK, Sonntag, 15.01.2017, 22:11

Das ist eindeutig ein Buchungsfehler, denn die BC 100 gilt nicht über Wels zur Freifahrt.
Allerdings haften die Bahnen für ihre Buchungssysteme und wenn die ÖBB dir die Fahrkarte zum Preis von 0,00 € verkauft, dann kannst du über Wels fahren.
Nachdem eine Fahrkarte eine Berechtigung darstellt und keine Pflicht zu fahren, kannst du von Wels aus kommend selbstverständlich in Passau Hbf aussteigen und hast damit eine reine ÖBB-Fahrt mit der BC 100 absolviert.


Ich kenne die entsprechenden Rechtsvorschriften in Österreich nicht, in Deutschland erlaubt jedoch die EVO die Nachforderung von "unrichtig erhohenen Fahrpreisen", jedoch ohne Zusatzgebühren für den Fahrgast.


Grundsätzlich hast du zunächst recht.

Wenn ein Verkäufer sich irrt, kann er zunächst nach § 119 (1) BGB seine Willenserklärung anfechten.

§ 119 (1) BGB:

Anfechtbarkeit wegen Irrtums
.
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.


Allerdings wird dies bereits durch § 122 BGB wieder relativiert. Dort heißt es:


§ 122 BGB
Schadensersatzpflicht des Anfechtenden

(1) Ist eine Willenserklärung nach § 118 nichtig oder auf Grund der §§ 119, 120 angefochten, so hat der Erklärende, wenn die Erklärung einem anderen gegenüber abzugeben war, diesem, andernfalls jedem Dritten den Schaden zu ersetzen, den der andere oder der Dritte dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat.


Würde nun der ÖBB-Zugbegleiter diese Fahrkarte bei der Kontrolle als ungültig erklären, müsste die ÖBB gemäß § 122 BGB dem Käufer Schadensersatz leisten. Dieser Schadensersatz liegt aber weit über dem Wert der Fahrkarte.

Das liegt an zwei Gründen. Zunächst darf der Anfechtende, also die ÖBB, nur seine Selbstkosten ansetzen und zwar bezüglich der Grenzkostenrechnung. Das dürften zwischen Salzburg, Wels und Passau allerhöchstens 5 € sein. Alleine mit der Differenz für die kostenlose Rückfahrt Richtung Salzburg sollte die Nulllinie bereits erreicht werden.

Der Witz ist nun aber, dass in diesem Fall sich der Bahncard 100 - Inhaber wegen der Verspätung von mehr als 60 Minuten sich an seinen Vertragspartner Deutsche Bahn wenden kann und sich 10 € erstatten lassen kann. Die Deutsche Bahn würde sich dann diese 10 € von den ÖBB zurückholen.

Im Jargon der Wirtschaftswissenschaftler sagt man dann, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt.

Ungeachtet des § 119 BGB bleibt also die Fahrkarte gültig.

Kommt die ÖBB-Kontrolle erst nach Wels, so hätte die ÖBB noch nicht einmal mehr die theoretische Möglichkeit der Anfechtung, da nach Wels der nächste Halt des ICE bereits Passau Hbf ist und dem BC 100 Inhaber es freisteht in Passau Hbf auszusteigen oder weiter zu fahren!


Also: Theoretisch könnte zwar die Anfechtung über § 119 (1) BGHB erfolgen, weil aber gemäß § 122 BGB der Schadensersatz in jedem Fall deutlich über dem Wert der Fahrkarte liegt, liegt somit de facto bezüglich der Anfechtung ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, d.h. die Fahrkarte bleibt somit gültig.

Und diese theoretische Möglichkeit gäbe es auch nur dann, wenn die ÖBB-Kontrolle vor Wels kommt.

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Die von dir angesprochene Anfechtung ist z.B. dann relevant, wenn z.B. der Verkäufer sich vertippt und eine Küche statt für 10000 € für 1000 € - also 9000 € zu billig - anbietet.

In diesem Fall kommt § 119 BGB zur Geltung.

Im vorliegenden Fall jedoch hat die ÖBB Pech gehabt.


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Unabhängig davon wäre - im Falle einer Anfechtung - zudem noch zu klären, ob die Anfechtungsfrist gemäß § 121 BGB eingehalten worden wäre.


§ 121
Anfechtungsfrist
.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.


Einige Fahrkarten werden Namensbezogen mit Adresse verkauft. Verkauft nun der Automat eine persönliche Fahrkarte für 0,00 € und ist die Adresse des Fahrkartenkäufers hinterlegt (hier BC 100 - Kunde) dann müsste die Anfechtung unverzüglich erfolgen. Geschieht dies nicht, dann scheitert die Anfechtung bereits im Vorfeld wegen § 121 BGB.


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