Der erste: Eisenbahnknoten Köthen (Teil 1.1, 10 Bilder) (Reiseberichte)

Sören Heise, Region Hannover, Samstag, 08.03.2014, 18:07 (vor 3674 Tagen)

Moin!

Köthen, die Stadt mitten in Anhalt, war Deutschlands erster Eisenbahnknoten. Etwa seit Ende des letzten Jahrtausends wollte ich dort mal aussteigen, es sollte dann bis zum 22. Juli 2013 dauern. Für jenen Tag hatte ich den Zweitakku meiner Kamera irrtümlicherweise nicht aufgeladen, so daß am nicht ganz so warmen 22. Februar 2014 ein Zweitbesuch erfolgte. Ich gebe zunächst einen Überblick über die Streckengeschichte und den Personenverkehr, anschließend bewegen wir uns durch die Eisenbahngeschichte der Stadt, verbunden mit Informationen zu den vorhandenen Bauten.


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Die heute wichtigste Strecke in Köthen ist die Bahnstrecke von Magdeburg nach Leipzig. Sie ist eine der ältesten Deutschlands und wurde 1839/1840 etappenweise eröffnet: Den Anfang machte am 29. Juni 1839 der Nordabschnitt von Magdeburg nach Schönebeck, am 9. September wurde Calbe erreicht. Die drei restlichen Abschnitte folgten 1840: Am 19. Juni von Calbe nach Köthen, am 22. Juli weiter nach Halle und am 18. August 1840 war die Strecke mit Eröffnung des restlichen Teilstücks bis Leipzig komplett befahrbar. Bereits im Januar 1843 war die komplette Strecke zweigleisig befahrbar.
Die Strecke ist heute elektrifiziert. Am 1. Juni 1922 war der erste elektrische Zug zwischen Leipzig und Halle gefahren, die Wirtschaftskrise verhinderte die geplante Fortsetzung über Köthen nach Magdeburg zunächst, so daß dort der elektrische Betrieb erst am 7. Oktober 1934 eingeweiht werden konnte. 1946 mußten die elektrischen Anlagen als Reparation an die Sowjetunion geliefert werden. Schon bald begann die Neuelektrifizierung, Halle - Magdeburg sollte die erste Strecke werden. Am 27. Juli 1955 wurde das Kraftwerk in Muldenstein wieder in Betrieb genommen und am selben Tag fuhren zwischen Köthen und Halle zwei Probezüge. Am 1. September wurde der elektrische Betrieb eingeweiht und am Folgetag offiziell wieder aufgenommen. Ende September 1956 wurde der Rangierbahnhof Magdeburg-Buckau erreicht und am 12. Januar 1957 auch der Magdeburger Hauptbahnhof. Seit 20. November 1958 wird auch zwischen Halle und Leipzig wieder elektrisch gefahren.

Die erste abzweigende Strecke in Köthen war die Strecke der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn-Gesellschaft nach Dessau. Sie wurde am 1. September 1840 eröffnet. Das nach dem 2. Weltkrieg demontierte Gleis wurde nicht wieder aufgebaut.

Am 1. September 1846 folgte die Strecke nach Bernburg. Das 1967 wiederaufgebaute und 1946 demontierte zweite Gleis wurde 1898/1899 verlegt.

Nur zwölf Kilometer lang ist die Bahnstrecke nach Aken an der Elbe, sie wurde am 1. Mai 1890 eröffnet. Der Reiseverkehr endete zum Jahresfahrplan 2008, für den Güterverkehr ist die mittlerweile durch die Deutsche Regionaleisenbahn übernommene Strecke weiterhin in Betrieb, daneben verkehren einzelne Sonderzüge.

Abseits des heutigen Personenbahnhofes endete die schmalspurige Bahnstrecke (750 mm) nach Zörbig. Der Personenverkehr bis Radegast wurde am 28. November 1896 eröffnet, der wichtigere Güterverkehr fuhr da schon einige Wochen. Am 15. April 1897 wurde die Strecke bis Ostercöthen (seit dem 12. November 1926 schreibt sich Köthen Köthen und nicht mehr Cöthen) verlängert - somit der Umsteigeweg zur Normalspur verkürzt. Am 9. August 1898 wurde die Strecke von Radegast nach Zörbig verlängert. Diese Bahn, die Cöthener Kleinbahn, fusionierte am 1. September 1899 mit der Dessauer Kleinbahn (Dessau - Radegast) zur Dessau-Radegast-Cöthener Bahn. Am 19. Februar 1939 endete auf der Köthener Strecke der Reiseverkehr, wurde jedoch 1943 wieder aufgenommen und bestand bis zur Stillegung am 21. Mai 1946 (an jenem Tag endete der Gesamtverkehr auf dem Netz, die Strecke Dessau - Quellendorf war schon 1938 abgebaut worden. Einie Kilometer existierten als Anschlußbahn bis nach der Wende). Das Bahnhofsgebäude des Köthener Kleinbahnhofs steht übrigens bis heute und ich bin direkt vorbeigegangen. Foto? Fehlanzeige! Wenn man sich nicht ordentlich vorbereitet...


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Auf der Hauptstrecke Leipzig - Magdeburg verkehrt stündlich der Intercity zwischen Leipzig und Hannover, zweistündlich werden Dresden und Emden bzw. Köln erreicht. Ebenfalls stündlich ist der Regionalexpreß Halle - Magdeburg unterwegs (Baureihe 114 und modernste Doppelstockwagen), zweistündlich fährt er über Stendal nach Uelzen.
Die Ost-West-Verbindung Dessau - Aschersleben wird durch die Elbe-Saale-Bahn (sie betreibt auch den RE) bedient, hier verkehren Desiros. Dessau - Güsten stündlich, weiter bis Aschersleben alle zwei Stunden.


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Was den Bahnhof Köthen so sehenswert macht, ist nicht nur der heutige Bahnhof. Denn es finden sich in Köthen noch Zeugen der Vergangenheit. Neben dem heutigen Empfangsgebäude finden sich noch zwei Gebäude aus den 1870ern sowie, wenn auch stark umgebaut, das erste Empfangsgebäude der Magdeburg-Leipziger Eisenbahn.


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1 Hier sehen wir es von Westen.


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2 Die Nordfassade.


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3 Und hier die Kreuzung, das weiße Gebäude links ist das Hotel Stadt Köthen. Das Stellwerk werden wir später noch würdigen.


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4 Das heutige Hotel war Deutschlands erste Bahnhofsgaststätte. An der Nordwestecke der Kreuzung befindet sich Deutschlands erstes Bahnpostamt, das kürzlich saniert wurde.


Das erste Empfangsgebäude der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn-Gesellschaft wie auch das Häuslein der Anhalt-Cöthen-Bernburger Eisenbahn wurden später abgerissen. Ersteres stand dem Bau des heutigen Bahnhofes im Weg.


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Wie auch anderswo, so entsprachen auch in Köthen die Bahnhofsanlagen der ersten Jahre schon bald nicht mehr den gewachsenen Anforderungen. Um das Jahr 1870 herum wurden sie daher erweitert. Die drei Gesellschaften konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Bahnhof einigen, so daß die Magdeburg-Leipziger Bahn einen eigenen Bahnhof errichtete, während die Berlin-Anhalter Bahn und die Magdeburg-Halberstädter Eisenbahngesellschaft, die mittlerweile die Bernburger Bahn gekauft hatte, einige Meter weiter westlich einen Gemeinschaftsbahnhof errichteten.

An dieser Stelle setzte ich mal einen Link zu Openstreetmap zur Verdeutlichung der Lage. Das heutige EG ist mit Bahnhof Köthen beschriftet, das rechteckige Gebäude unmittelbar nördlich ist der Magdeburg-Leipziger Bahnhof von 1870/71. Das „Tanzschloß” nördlich davon ist der erste Magdeburg-Leipziger Bahnhof. Das Bett nördlich davon die Gaststätte und Haus 20a die alte Bahnpost. Der Gemeinschaftsbahnhof von 1870/71 ist am unteren Bildrand erkennbar.


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5 Der Magdeburg-Leipziger Bahnhof von 1870/71. Sein Südteil fiel dem heutigen EG (gleich rechts) zum Opfer.


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6 Fassade zur Stadt.


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7 Kein Eingang.


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8 Kein Eilgut.


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9 Die Nordfassade.


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10 Eine Gesamtansicht durch die Bäume. Das Haus steht leer.


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Dieses war der erste Streich,
Teil eins Punkt zwei, der folgt sogleich
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